krone.at: Schweiz statt Kolumbien, Axpo Super League statt U20-Weltmeisterschaft – bist du sehr enttäuscht darüber, dass dich Trainer Thorsten Fink nicht mit dem ÖFB-Nationalteam nach Südamerika fahren lässt?
Aleksandar Dragovic: Schwierig zu sagen, es sind eher gemischte Gefühle. Wenn mich Trainer Heraf einberufen hätte und sie mich hier gelassen hätten, wäre ich sicherlich nach Südamerika gefahren. Denn ich spiele immer sehr gerne für Österreich, auch wenn es die U20 ist. Aber wir spielen dieses Jahr in der Champions League, und da will ich auch meinen Stammplatz nicht verlieren. Einerseits schade, dass Österreich auf einige der besten Spieler verzichten muss, aber ich versteh' andererseits auch die Vereine: Überall beginnt die Meisterschaft, gibt's Europacup-Partien. Das muss man halt akzeptieren...
krone.at: Das klingt jetzt nicht gerade so, als ob du mit Terminplanung und Abstellungsregulativ der FIFA für solch ein WM-Turnier sonderlich glücklich wärst...
Dragovic: Sowieso! Österreich qualifiziert sich ja nicht jedes Jahr für eine Weltmeisterschaft, so groß sind wir halt noch nicht. Und deswegen sollten wir einfach mit den besten Spielern hinfahren können. Mit einer B- oder C-Mannschaft zu fahren, bringt auch nichts.
krone.at: Seit wann hast du selbst gewusst, dass es nichts werden würde mit deiner Teilnahme bei der U-20-Weltmeisterschaft?
Dragovic: Teamcoach Andi Heraf ist im Trainingslager des FC Basel (vergangene Woche, Anm.) gewesen und hat mit uns gesprochen. Da hatte ich kurz zuvor schon mit Trainer Fink geredet und da ist schon klar gewesen, dass ich nicht dürfen würde. Aber auf gut Deutsch: Die Hoffnung stirbt zuletzt, man kann nie wissen, was noch passiert. Am Ende hat der Trainer dann eben so entschieden und ich muss das akzeptieren, ich bin ja hier angestellt.
krone.at: Könnte bzw. sollte man die Entscheidung von Trainer Fink nicht auch als Bestätigung deiner Wichtigkeit für den FCB sehen? Wäre es nicht unangenehmer, als verzichtbar angesehen zu werden?
Dragovic: Sicherlich! Ich mein', er gibt mir Vertrauen und zeigt, dass ich hier eine wichtige Rolle habe. Das ist auch sehr gut, damit ich meine Leistung bringen kann. Man muss sie natürlich auch bestätigen, aber das Wichtigste ist, dass der Trainer dir das Vertrauen gibt. Weil wenn das nicht so wäre, dann wäre das, wie du richtig gesagt hast, gar nicht gut.
krone.at: Apropos Wichtigkeit - Wie schätzt du dich selbst ein, dein Standing bei Fans, beim Trainer?
Dragovic: Also, ich bin im Großen und Ganzen sehr zufrieden, hatte sicher auch meine zwei, drei schlechten Spiele, aber jeder Mensch hat einmal einen schlechten Tag - kein Mensch ist perfekt. Ich glaube, auch der Trainer und die Fans sind zufrieden. Aber wir haben ja sowieso Super-Fans, die sind direkt unglaublich, stehen immer hinter der Mannschaft und sind so ein sehr guter Rückhalt für uns Spieler.
krone.at: In der Anonymität von Internetforen wagen sich aber auch "Fans" dann und wann aus der Deckung und üben teils heftige Kritik, manchmal auch unter Gürtellinie – berührt dich so etwas?
Dragovic: Ehrlich gesagt: Mir ist es egal, was anonyme Absender über mich sagen. Ich weiß, was ich kann. Es gibt immer verschiedene Geschmäcker – der eine mag mich, der andere wieder nicht. Das muss man aber akzeptieren, so ist das Leben.
krone.at: Im offiziellen Klubmagazin zum Saison-Rückblick wirst du beschrieben als "ruhig, mit gutem Stellungsspiel, nicht ganz so kompromisslos im Zweikampf wie David Abraham, dafür mit klaren spielerischen Vorteilen..." - einverstanden damit?
Dragovic: Du gehst gerne auf Kritik los, hm? (lacht)
krone.at: Wieso? Das ist doch großteils eh ein schönes Lob...
Dragovic: Naja, ich versuche immer, gut zu spielen und der Mannschaft mein Bestes zu geben, mich voll reinzuhauen. Aber es wird schon seine Gründe haben, wieso man das schreibt. Vielleicht muss ich ein bisschen kompromissloser sein und ein bisschen mehr Ellbogen verteilen. Immerhin sollte man als Verteidiger nicht zu lieb sein. Aber okay, ich versuche immer fair zu spielen, weil ich bin halt der Typ, der Fußballspielen und ja niemanden umbringen will...
krone.at: In dem Magazin wirst du auch mit den Worten zu deinem Antritt in Basel zitiert, wonach die Austria auch ohne dich Meister werden würde. Hast du in der Abwehr doch zu sehr gefehlt?
Dragovic: Nein, so wie ich das mitverfolgt habe, haben sie eine sehr gute Rückrunde absolviert, gleich am Anfang alles gewonnen und später auch Rapid zerstört - wenn nicht abgebrochen worden wäre. Also im Großen und Ganzen haben Margreitter und Ortlechner eine gute Rolle gespielt. Die drei, vier Spiele zwischendurch, die schlecht gelaufen sind, hat jede Mannschaft in einer Saison, die Austria hat sie einfach zu einem schlechten Zeitpunkt gehabt. Jetzt wird es wieder schwieriger, wenn Baumgartlinger weg ist. Denn für mich war er die wichtigste Person im Austria-Spiel. Man wird sehen, wie man seinen Abgang kompensieren kann.
krone.at: Man bemerkt, du verfolgst den österreichischen Fußball und speziell den von der Austria noch immer sehr genau...
Dragovic: Ja, die anderen interessieren mich ja nicht, Rapid und so. Ich schau' nur auf die Austria, weil der wird immer mein Herz gehören, sie ist mein Herzensklub. Und mein Ziel ist es auch, irgendwann mal wieder zur Austria zurückzukommen.
krone.at: ...nach vielen Jahren im Ausland, vermute ich mal...
Dragovic: (lacht) Jaja, das sowieso. Das ist mein Ziel...
krone.at: Zurück zum FC Basel: Der eine oder andere Abwehrspieler hat von Trainer Fink immer wieder mal ersetzt werden müssen, während du im Frühjahr die Konstante in der Abwehr gewesen bist. Hattest du selbst erwartet, dass du so schnell hier "ankommen" würdest?
Dragovic: Nein, das hätte ich mir nie gedacht. Ich hatte das "Glück", dass ein anderer Spieler, der Beg Ferati, Pech gehabt und sich verletzt hatte. Schade für ihn, weil er war ein Super-Kerl und ein Super-Fußballer.
krone.at: Du bekommst jetzt mit Radoslav Kovac einen neuen Partner – oder Konkurrenten – in der Innenverteidigung, der mit seinen 31 Jahren etwas älter und somit auch erfahrener ist. Wird er euch weiterhelfen können?
Dragovic: Er hat sicher schon viel durchgemacht bei Spartak Moskau und West Ham. Ich hoffe, dass er uns jungen Spielern helfen und uns dirigieren kann. Bei der Austria gab's auch den Jacek Bak, der mir immer geholfen und mir immer alles erklärt hat. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Man kann immer Kritik von anderen annehmen, um daraus zu lernen, das kann man das ganze Leben lang. Man wird sehen: Wenn Radoslav mir etwas sagt, werde ich versuchen, es besser zu machen.
krone.at: Damit sind wir auch schon bei deinen Zielen mit dem FC Basel - wo soll es mit dem FCB und wo soll es mit dem Aleksandar Dragovic hingehen?
Dragovic: Die Ziele mit dem FCB sind klar: Meister zu 100 Prozent und wenn möglich auch Cupsieger. Diese Ziele muss man in Basel haben, wir sind die beste Mannschaft in der Schweiz, wir müssen es nur auf dem Platz umsetzen. Uns wird zwar nichts geschenkt, aber wir sind einfach die Besten, das müssen wir sagen und das Selbstvertrauen haben wir auch. Im Nationalteam möchte ich mir meinen Stammplatz wieder zurückerkämpfen und dann müssen wir generell als Team versuchen, nicht jedes fünfte Spiel gut zu spielen, sondern jedes einzelne. Gegen Deutschland hat man ja gesehen, was für ein Potenzial da ist, nur muss man das in jedem Spiel abrufen. Meine persönlichen Ziele sind sicherlich, in der Champions League meine Erfahrungen zu sammeln, um in zwei Jahren den nächsten Schritt me noch stärkere Liga?
Dragovic: Sowieso! Mein nächstes Ziel ist Deutschland, das reizt mich sehr. Wir werden sehen, ob ich es schaffe oder nicht.
krone.at: Was man in Österreich natürlich mitbekommt ist, dass die "Nati" dem ÖFB-Team einiges voraus hat, die Schweizer Liga ist dagegen eher eine Unbekannte, wenn man mal die internationalen Auftritte deines FCB außer Acht lässt. Wie schätzt du den Unterschied im Niveau der beiden Ligen ein?
Dragovic: (seufzt) Das ist eine gute Frage, nur sehr schwierig. In Österreich wird viel mehr Wert auf die Defensive gelegt als in der Schweiz. Hier wird der offensive Fußball extrem gepflegt, also man macht lieber vier Tore, auch wenn man dafür sicher eines bekommt – das ist egal.
krone.at: Auch dazu wurdest du in dem Klubmagazin zitiert, nämlich so, dass du dich wunderst, "wie offen wir manchmal stehen"...
Dragovic: Ja, es ist hier extrem offensiv. Aber okay, das ist unsere Philosophie, auch wenn man hinten manchmal "1 gegen 1" spielen muss, das ist natürlich auch ein Nachteil. Aber wir müssen unseren Fans ja auch was bieten, denn die zahlen ja immerhin auch Eintritt.
krone.at: 29.000 Fans haben den St.-Jakobs-Park in der abgelaufenen Liga-Saison durchschnittlich heimgesucht, die Basel-Fans gelten als die treuesten und fußballverrücktesten in der Schweiz, die Muttenzer Kurve als die "schönste Kurve der Schweiz" – kann da in Österreich irgendwas bzw. irgendwer mithalten?
Dragovic: (lacht) Naja, so brauchen wir jetzt auch nicht übertreiben. Rapid ist top in Europa, hat in der Europa League auch 9.000 Fans nach Hamburg gebracht. Aber auch die Austria hat sich inzwischen sehr gesteigert, durch die neue Tribüne hat sich sehr viel getan. Aber es stimmt schon: Basel ist schon etwas ganz Eigenes!
krone.at: Seit einem halben Jahr kickst und lebst du jetzt schon in diesem "eigenen" Basel – hast du dich schon richtig eingelebt, bist du schon zu einem "echten" Basler geworden?
Dragovic: Von der Sprache her ist das eine Katastrophe! Ich werde mich wohl nie anpassen können. Das Deutsch ist ja eigentlich dasselbe, aber dass man es so anders ausspricht, ist für mich ein Wahnsinn. Generell: Es war sehr schwierig für mich am Anfang, von Wien wegzugehen. Ich bin dort aufgewachsen, habe dort meine Freunde und alles eigentlich von heute auf morgen im Stich gelassen. Aber mittlerweile fühle ich mich hier sehr wohl, Basel ist eine schöne Kleinstadt, hat auch seine schönen Ecken. Aber natürlich ist es nicht vergleichbar mit Wien.
krone.at: Dabei hast du deine eigene Ration Heimat ja ohnehin hier nach Basel mitgenommen...
Dragovic: Ja, meine Großeltern. Die helfen mir sehr viel, zum Glück: Weil sonst wäre ich wohl jeden Tag beim McDonalds. Sie unterstützen mich, wo sie können und dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Hoffentlich kann ich ihnen das einmal zurückgeben.
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