Richterin brach ab

Prozess-Ende wegen Gutachten verschoben

Salzburg
14.07.2017 23:43

Nach Marathonbefragung kam am Abend der Abbruch - Experte verrechnete sich bei Swaps um 164.000 Euro!

Literweise Cola und Automatenkaffee, Traubenzucker und strapazierte Nerven bei allen Beteiligten am Tag 13 im Finanzprozess. Richterin Anna-Sophia Geisselhofer wollte durchziehen - und wenn es sein muss bis Mitternacht - um kurz nach 20 Uhr siegte aber die Erschöpfung im stickigen Gerichtssaal: "Ich bin den ganzen Tag ’gehakt’ worden. Es hat alles seine Grenzen. Ich bitte das für heute zu beenden", sagte der Gutachter der Staatsanwaltschaft, Christian Imo.

Die Richterin brach ab, nachdem der gerichtlich beeidete Sachverständige seit 9 Uhr früh in die Mangel von Verteidiger Stefan Eder und dem Privatsachverständigen Uwe Wystup genommen worden war. Imo musste nach einer neuen Berechnung zugeben, dass er sich bei den sechs Swaps, die 2007 von der Stadt ans Land übertragen worden waren, um 164.000 Euro verrechnet hatte. Der Grund war ein fehlendes "zum Quadrat" in einer entscheidenden finanzmathematischen Formel: "Ja, es ist mir ein Fehler unterlaufen. Die Abweichung ist aber mit 3,34 Prozent Gott sei Dank geringfügig."

Der inkriminierte Schaden aus den Swaps beträgt also jetzt 4,76 anstatt 4,92 Millionen Euro. Die Verteidiger hatten das in den vorhergehenden Verhandlungstagen massiv kritisiert, Imo musste liefern: "Ich habe die Barwertberechnungen aber zugunsten der Angeklagten durchgeführt, also einen Abschlag von zehn Prozent gegeben. Ich komme zudem auf ähnliche Werte wie die Deutsche Bank, die die Derivate zuvor bewertet hat. Bessere Bewertungen gibt es nicht. Die Deutsche Bank und die Barclays Bank sind die potentesten Banken der Welt."

Deutsche Bank geriet unter Beschuss

Die Aussagen lösten gleich einen Sturm der Entrüstung aus, die wegen vieler Klagen in die Kritik geratene Deutsche Bank könne man nicht als Maßstab hernehmen. Anwalt Eder ortete auch noch Befangenheit, weil Zeuge Harald Kutschera (er war damals für die Deutsche Bank tätig), die Produkte bewertet hatte.

Imo wehrte sich erneut, griff auch den Sachverständigen Wystup mehrfach an, der sich - wie berichtet - beim Linzer Swap "spektakulär" verrechnet hatte.

"Sie können mich abbestellen. Mich jetzt vorzuführen, das kann man machen. Aber das ändert nichts. Es wiegt, was es wiegt. Man kann den nächsten Gutachter dran setzen, aber man wird von Bewertungen der Deutschen Bank nicht wegkommen", sagte er zu Geisselhofer.

Schadens Anwalt sieht gar keinen Schaden

Die Richterin schmetterte die Antragsflut der Verteidiger ab - unter anderem ging es darum, dass der jetzige Stadt-Finanzdirektor keine Vertretungsbefugnis hatte. Ein Swap wurde von einem Stellvertreter in der Finanzabteilung unterschrieben. Bgm. Heinz Schadens Anwalt Walter Müller meinte, wenn man richtig rechnen würde, sei gar kein Schaden entstanden. Geisselhofer sah das nicht so: "Eine Behauptung ohne Substrat, der Sachverständige hat das heute schlüssig dargelegt."

Der Nachmittag drehte sich weiter um Formeln, Parameter und Zeitreihen, Eder kündigte an, dass er noch viele Fragenblöcke parat hat. Es ging lähmend weiter - bis zum Abbruch.

Weil beide Gutachter nun terminlich nicht mehr bis Ende August zusammenfinden, wird die Gutachtenerörterung unter Stöhnen aller Beteiligter voraussichtlich erst im September fortgesetzt. Das angepeilte Prozessende am 28. Juli 2017 ist damit wohl geplatzt.

Nächste Woche sind mit Wolfgang Gmachl, Gabi Burgstaller, David Brenner und Erwin Roth vier prominente Zeugen dran.

Michael Pichler, Kronen Zeitung

ZITAT - Gutachter Christian Imo zur Richterin:

"Ich bin den ganzen Tag ’gehakt’ worden. Es hat alles seine Grenzen. Ich bitte das für heute zu beenden."

SPLITTER AUS DEM GERICHTSSAAL

Goethe im Saal
Literarisch wurde es kurz, als sich keiner mehr im Finanz-Fachchinesisch auskannte. Richterin Anna Sophia Geisselhofer wusste den Ausweg: "Können wir das jetzt zusammenfassen. Wo ist des Pudels Kern?"

Komma-Nöte
Gutachter Christian Imo war im Sperrfeuer der Verteidigung genervt: "Ich fühl mich schlecht behandelt. Wir können auch jeden Beistrich besprechen, da sitzen wir noch eine Woche da"

Knappe Luft
Weil es immer wieder stickig und heiß im engen Gerichtssaal wurde, das Fenster aber unabsichtlich zu blieb, bat Bürgermeister Heinz Schaden freundlich: "Können wir das Fenster öffnen? Ich machs a selber"

Magische Kurve
Die Verteidiger kritisierten, dass eine berechnete Zinskurve von Imo nicht stimmen kann und sich unerklärlich verändert hatte: "Das war dann wohl eine selbstzeichnende Kurve", stichelte Staatsanwalt Gregor Adamovic.

Es wackelt
Der Sachverständige Uwe Wystup verglich Entwicklungen auf den Finanzmärkten unter anderem mit einem Staubsauger und auch so: "Wenn ich schnell zum Zentrum zurückkehre, dann wackelt’s auch weniger"

Deutsche Bank
Verteidiger Stefan Eder konnte seine Meinung zum deutschen Geldhaus öfters nicht für sich behalten: "Die Deutsche Bank hat ja mehr Prozesse als Kunden"

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