Schauspielhaus Graz:

Spielplatz der Selbstausbeutung

Steiermark
27.09.2015 12:06
Die Probebühne des Schauspielhauses nennt sich unter Neo-Intendantin Iris Laufenberg zwar Haus Zwei, doch die Premiere von Alexandra Badeas „Zersplittert“ verspricht auch hier nur Theater erster Klasse. Im Stück halten vier Menschen mit ihrer Arbeitskraft jenes System am Leben, das ihnen alles Menschliche raubt.

Ihre Leben könnten verschiedener nicht sein - und doch sind sie Teil ein und der selben Produktionskette eines IT-Zulieferers: Vom französischen Qualitätsmanager, dessen Familienleben sich auch mit Bonusmeilen nicht zurückkaufen lässt, über die rumänische Ingenieurin, die ihre Kinder einer Dauerüberwachung unterzieht, und den senegalesischen Leiter eines Callcenters, der seinen Anpassungswillen schwer übertreibt, bis hin zur Fließbandarbeiterin in Shanghai, deren Liebesfähigkeit genauso unterdrückt wird wie ihr Harndrang.

Definiton "Mensch" kläglich erfüllt
Das Privatleben der Figuren in Alexandra Badeas sprachlich famos getaktetem und thematisch grandios zeitgemäßem Stück ist das Opfer jenes Systems, das sie mit ihrer Arbeitskraft am Leben erhalten. Badea verdichtet den globalisierten Arbeitsmarkt auf ein Quartett, das in seinem Streben nach Exzellenz die Definition "Mensch" nur noch kläglich erfüllen kann.

Maschinen aus Fleisch und Blut
Diese Maschinen aus Fleisch und Blut lässt Regisseurin Nina Gühlstorff sich auf einem tristen Klettergerüst (Bühne: Frank Holldack) abmühen. Ihre Inszenierung findet einen sehr variablen Grundton zwischen stiller Verzweiflung, bizarrer Komik, orientierungsloser Anklage und wirkungslosen Exit-Strategien.

Darstelleriche Höchstleistungen
Auf diesem Spielplatz der Selbstausbeutung laufen Nico Link, Pascal Goffin, Tamara Semzov (sie sind erstmals in Graz zu sehen) und Philine Bührer zu darstellerischen Höchstleistungen auf. Sie verleihen ihren Figuren scharfe Konturen, lassen den Text in chorischen Momenten aber auch herrlich zwischen den Figuren schweben und unterstreichen damit nicht nur die globale Dimension dieses Dramas sondern letztlich auch die Austauschbarkeit des Billigmaterials Mensch.

Das Resultat ist auf allen Ebenen von höchster Brisanz und Qualität. Viel optimaler hätte man sich den Auftakt im Haus Zwei nicht vorstellen können. Infos und Termine finden Sie hier

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