Besuch bei Iglerin

Rekord! Seit 95 Jahren Alpenvereins-Mitglied

Tirol
17.02.2022 17:00

Sie erlebte eine Zeit, als Bergsteigerinnen noch Röcke tragen mussten und Tourenskier mit Seehundfellen bespannt waren. Gertrud Gostner aus Igls ist seit 1926 beim Österreichischen Alpenverein. Der „Krone“ erzählte sie von den Gipfeln ihres Lebens.

Das Jahr 1926. Lautsprecher und Flüssigkeitsrakete werden erfunden. In Ehrwald eröffnet die Zugspitzbahn und erschließt die Welt auf 3000 Meter Höhe. Im nahen Elbigenalp im Lechtal, wo sich kein Bauer ein Pferd leisten kann und tiefste Armut herrscht, meldet Sprengelarzt Josef Epp seine 5-jährige Tochter Gertrud als Mitglied der Sektion Lechtal des Österreichischen Alpenvereins an. Eine Beziehung, die seit 95 Jahren besteht, weil das Mädchen zeitlebens die Berge liebte und liebt.

Mit 100 keine Gehhilfe nötig
Besuch bei Gertrud Gostner in Igls. Die nun 100 Jahre alte Dame holt das „Krone“-Team ohne Krücken oder Rollator von der Haustür ab, führt uns zum Tisch mit den alten Bergfotos und dem Blick auf die Nordkette. „Unser Vater war gar kein Bergsteiger, er wurde ja im Ersten Weltkrieg verwundet. Wohl aus Idealismus hat er mich und meine Schwester Elisabeth zum Alpenverein gebracht“, blickt Gertrud zurück. Sie ist als Kind skeptisch. „Oben siehst auch nicht viel mehr als im Tal“, protestiert sie gegen Pläne der Schwester. Doch erste Touren folgen, jene zur Hermann-von-Barth-Hütte oberhalb des Lechtals wird Standard.

Lodenhosen für Mädchen tabu
Die Zeit im Innsbrucker Gymnasium folgt. Gipfel auf Gipfel. Karwendel, Sellrain, Stubaital, Klettern in den Dolomiten. „Im Winter hatten wir die Skier mit Seehundfellen bespannt. Und Mädchen durften nur Röcke tragen. Wir haben den Vater beknien müssen, Lodenhosen kaufen zu dürfen.“

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Plötzlich fiel ich in eine Gletscherspalte, die Füße baumelten über dem Abgrund, mit den Händen habe ich noch abspreizen können.

Gertrud Gostner

Vier Kinder und ein Bauernhof
Kaum eine Sonntagstour dauerte weniger als zehn Stunden. Gertrud wird dann die erste medizinisch-technische Assistentin Tirols. Die Liebe führt sie aber auf einen Bauernhof in Pradl - vier Kinder, plus zwei adoptierte aus Ungarn nach der Krise 1956. 17 Kühe, 200 Hennen. „Langweilig war es nie.“ Später Berge in aller Welt, die Gertrud nur einmal im Leben Böses anhaben wollten - um 1960 im Gebiet des Stilfser Jochs in Südtirol. „Plötzlich fiel ich in eine Gletscherspalte, die Füße baumelten über dem Abgrund, mit den Händen habe ich noch abspreizen können.“ Ihr Mann robbt heran und zieht sie heraus.

Ehrung steht bevor
Im Mai wird sie die Sektion Lechtal für 95 Jahre Treue ehren. Was gaben Ihnen die Berge in all dieser Zeit? „Den Stolz, wenn man oben steht und die Schönheit genießen darf“, sagt Gertrud ohne zu zögern. Mit 100 Jahren ist kein Gipfel zu Fuß mehr möglich. „Ich bin nicht wehmütig, sondern dankbar“, betont sie mit fester Stimme.

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