Buch-Kritik

Die geheimen Jedermann-Chats

Salzburg
11.07.2021 21:30

Lockere, private Textnachrichten unter Vertrauten sind keine Erfindung der Neuzeit oder von U-Ausschüssen. Nur nannte man sie früher nicht Chats, sondern schlicht und ergreifend Briefe. Das Buch „Mit dir keine Oper zu lang...“ mit dem Schriftverkehr zwischen Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss und Alfred Roller empfiehlt sich als literarische Einstimmung auf die Salzburger Festspiele.

Kennen Sie Alfred Roller? Sicher nicht so gut wie seine „Brieffreunde“, den Komponisten Richard Strauss und den Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal. Der oft „unsichtbar“ gebliebene Bühnen- und Kostümbildner Roller wirkte in den Anfängen des 20. Jahrhunderts mit den deutlich prominenteren Künstlerkollegen an der Entstehung wesentlicher Produktionen wie dem „Rosenkavalier“ oder dem „Jedermann“ mit – inklusive der Gründungszeit der Salzburger Festspiele.

Die ebenso rege wie lockere Korrespondenz des Trios mit mehr als 200 bislang unveröffentlichten Briefen dokumentiert das kürzlich im Benevento-Verlag publizierte Buch „Mit dir keine Oper zu lang...“. Etwa wenn bei gemeinsamen Projekten die Zeit drängt und die Schreiber schon mal ungehalten werden. So offenbart sich im akribisch von Christiane Mühlegger-Henhapel und Ursula Renner dokumentierten Briefwechsel mit detailreichen Erläuterungen neben der Arbeitsweise auch der unterschiedliche Charakter der Protagonisten.

News-Wert hat der Sammelband vor allem, weil aus dem „Dreamteam“ neben den vielfach behandelten Strauss und Hofmannsthal der Bühnenkünstler Roller in den Fokus rückt. Er genoss allseits Wertschätzung, etwa bei bahnbrechenden Inszenierungen mit Gustav Mahler, nannte sich selbst aber nur bescheiden „Theaterarbeiter“ oder spielte seine Kreativität mit den Worten „Jedes Kunstwerk trägt das Gesetz seiner Inszenierung in sich“ herunter. Sowohl an der Erstaufführung des „Jedermann“ 1913 am Burgtheater als auch an der Salzburg-Premiere 1920 wirkte er maßgeblich mit. Rollers Fazit: „Man muss schon Berufskritiker (oder ein Geistesverwandter solcher) sein, um dabei kalt zu bleiben.“

Thomas Manhart
Thomas Manhart
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