Schwere Vorwürfe

Streit an Med Uni Graz landet nun vor Gericht

Steiermark
25.11.2020 06:00

Am Anatomie-Institut der Med Uni Graz hängt der Haussegen schief. Und zwar schon das ganze „Corona-Jahr“ 2020 über. Denn die Viruskrise war es auch, welche die sonst in ruhigem Fahrwassern gleitende Forschungs- und Lehreinrichtung ins Schlingern brachte. Online-Vorlesungen eines Professors wurden von einem anderen Wissenschafter der Med Uni als fehlerhaft „zerlegt“; daraufhin wurde dieser gekündigt, weitere Mitarbeiter räumten freiwillig das Feld. Nun laufen Prozesse.

Rückblick ins heurige Frühjahr: Im ersten Lockdown musste die Med Uni von einem Tag auf den anderen umsatteln: von der altbewährten Präsenzlehre im Hörsaal auf Online-Unterricht für die Studenten zuhause. Ein Professor am renommierten Anatomie-Institut zeichnete dafür eine Vorlesung für Gaststudenten der Linzer Universität per Video auf.

Kollegen bemängelten Fehler in der Lehre
Diesen Film bekamen Fachkollegen, die dem Vortragenden dienstlich unterstellt waren, zu Gesicht - und sie entdeckten aus ihrer Sicht gravierende Fehler. „Es wurde etwa die rechte und die linke Niere vertauscht oder Muskeln mit Schwellkörpern eines anderen Organs verwechselt. Zudem wurde sogar der Unterschied zwischen Knochen von Mensch mit Tier nicht erkannt“, wundert sich Georg Feigl im „Steirerkrone“-Gespräch. Der international anerkannte Dozent war seit 1992 am Institut für makroskopische und klinische Anatomie beschäftigt und wurde mehrfach zum „Lehrenden des Jahres“ gewählt.

Doch als der Mediziner gemeinsam mit einem Kollegen seinen Vorgesetzten schriftlich auf 23 Fehler in einer (!) Vorlesung aufmerksam machte, wurde das ohnehin bereits belastete Verhältnis noch angespannter, zuletzt komplett zerrüttet. „Ich wurde Ende April ins Rektorat gerufen und suspendiert. Mir wurden die Schlüssel abgenommen und ich bekam Betretungsverbot“, sagt Georg Feigl. Als er einen Anwalt zu Rate zog, kam postwendend die Kündigung. Der Vorwurf: Illoyalität. „Ich habe umgehend Klage gegen die Kündigung eingereicht. Der Prozess läuft noch.“

Fehlerliste wurde nicht anerkannt
Die Fehlerliste, die in gesamt zehn Online-Vorlesungen mehr als 200 Fehler aufzeigt, wurde bis dato von den höchsten Universitätsgremien nicht anerkannt - und vom Urheber, dem Professor, auch nicht korrigiert. „Es gab keine externe Begutachtung dieser haarsträubenden Liste, die bereits vielfach im Umlauf ist. Da die Vorlesung nicht überarbeitet wird, nimmt man bewusst in Kauf, dass Studenten eines ganzen Jahrgangs mit Falschinformationen in der menschlichen Anatomie weiterkommen. Graz wird international zur Lachnummer“, zürnt Feigl.

Einige Wissenschafter kehrten Uni den Rücken
Mittlerweile haben fünf Wissenschafter dem Anatomie-Institut dem Rücken gekehrt, die Verträge kritischer Tutoren wurden nicht verlängert. Darüber hinaus gab es Strafanzeigen und es laufen Prozesse.

So wehrt sich der Rektor
Zu den Vorwürfen bezieht Rektor Hellmut Samonigg Stellung: Laut Samonigg erhielt das Rektorat Ende Juni im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens Hinweise auf angeblich bestehende Fehler in Covid-bedingten digitalen Anatomievorlesungen: „Im Sinne der Qualitätsabsicherung wurden umgehend geringfügige, erforderliche Adaptierungen vorgenommen.“ Den Studierenden sei „zu keinem Zeitpunkt“ aus den dargebotenen Lehrinhalten ein Nachteil entstanden. Zudem durchlaufen seit Beginn der Vorbereitungen auf das Wintersemester 2020/21 alle digitalen Lehrangebote einen umfassenden Qualitätssicherungsprozess, der unter anderem ein Vier-Augen-Prinzip beinhalte.

„Laufendes Verfahren“
Zur Personalfluktuation am Lehrstuhl für Anatomie meint der Rektor: „In einem großen Unternehmen wie der Med Uni Graz mit aktuell rund 2500 Mitarbeitern gibt es stets eine gewisse Personalfluktuation.“ Zwar hätten sich einzelne Mitarbeiter verändert, „jedoch konnten im Vergleich zur Situation im Wintersemester 2019/20 allein für den Sezierkurs ergänzend zu den ehemals neun Mitarbeitern weitere vier Mitarbeiter mit der Durchführung des Kurses betraut werden." Zum laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren könne derzeit kein Kommentar abgegeben werden.

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