03.10.2020 23:15 |

SCHLAGFERTIG

Martin Grubinger: „Es braucht die Mutigen!“

„Verwirrung schafft Kontrolle.“ William Mark Felt Sr. hatte den Angriff auf die amerikanische Demokratie vorausgesehen. Er hatte als ranghohes Mitglied des FBI beobachtet, wie die damalige Regierung von Richard Nixon mit Taktiken der Einschüchterung, Verwirrung und dem legen falscher Fährten, den zentralen Machtmissbrauch, den Einbruch in die Wahlkampfzentrale der demokratischen Partei, vertuschen wollte. „Deep Throat“, so sein von den amerikanischen Journalisten jener Zeit verliehenes Pseudonym, brachte mit seinen gezielt geleakten Informationen an die Washington Post Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall.

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Knapp 40 Jahre später kämpft der russische Oppositionelle Alexej Nawalny mit ungleichen Mitteln gegen das Regime des Wladimir Putin. Immer wieder wurde er verhaftet und in russischen Gefängnissen misshandelt. Zuletzt entkam er nur knapp dem Tod, nachdem das russische Regime einen Giftstoff-Anschlag gegen ihn lanciert hatte. Trotzdem wird Alexej Nawalny demnächst nach Russland zurückkehren und seinen Widerstand gegen das System Putin fortsetzen.

In diesen Tagen erhält die iranische Anwältin Nasrin Sotudeh den alternativen Nobelpreis. Sie wurde im vergangenen Jahr zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Ihre furchtloses Engagement für Menschenrechte im Iran hat die Mullahs gegen sie aufgebracht.

Egal, ob in westlichen Demokratien, halbdemokratischen Schwellenländern oder auch religiös dominierten Diktaturen: Es gibt immer wieder Menschen, die über sich hinauswachsen. Frauen und Männer, die aus ihrer Funktion heraus Dinge beobachten, diese publik machen und so ganze Systeme ins Wanken bringen. Menschen, die Leib und Leben riskieren, um der Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen.

In diesen Tagen spüren wir auch in Österreich, dass etwas faul ist im Staate. Wir sind dabei zu beobachten, wie sich in Teilen schon ein Schleier der Ängstlichkeit, Hilflosigkeit und Verzweiflung über unser Land und seine Institutionen gebreitet hat. Die Corona-Krise hat diese Situation weiter verschärft. Wer will und kann schon ein Risiko eingehen, immer verbunden mit der Sorge, es könnte auch die eigene Existenz kosten?

Und doch gibt es in Österreich Menschen, die sich trauen, etwas gegen den „tiefen Staat“ zu unternehmen. Unverdrossene Beamte, Journalisten, Unternehmer, Politiker, die nicht aufgeben wollen. Die wissen, wohin ein, von einer kleinen Clique befreundeter und verwandter Politiker und Geschäftsleuten gelenkter Staat, abdriften kann. Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft, Korruption, gelenkte Sicherheitsorgane zur Absicherung der eigenen Macht, eingeschüchterte Staatsanwälte, wirtschaftlich abhängige Medien und verunsicherte Verleger. Man kann das alles irgendwie nachvollziehen – und trotzdem brauchen wir gerade jetzt die Mutigen und Eigenständigen, die auch für die nächsten Generationen diesen Staat in seinen Grundfesten erhalten wollen.

Diese heutige Kolumne möchte ich jenen widmen, die mit der Faust in der Tasche zusehen, wie Korruption und Missbrauch betrieben wird.

Beamte, die den Mut haben sich anzuvertrauen und die Dinge benennen. Journalisten, die unter großem wirtschaftlichen und politischen Druck, trotzdem sagen und schreiben was ist. Politiker, die sich nicht damit zufrieden geben „weil's eh immer scho so woa“, sondern die Intransparenz öffentlich machen. Verleger und Chefredakteure, die ihre Journalisten stützen, motivieren und ermutigen, tiefer zu graben, weiter zu bohren und die recherchierten Fakten und Ergebnisse dann auch in ihren Zeitungen ungeschönt veröffentlichen.

Es braucht die Mutigen, die Kämpfer, die Standhaften, die Aufrechten. Ihr Dienst am abdriftenden Staat ist unverzichtbar.

Ihr Martin Grubinger

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