Ischgl mit täglichen Après-Ski-Gästen auch aus vielen anderen Tiroler Orten und pro Tag rund 20.000 übernachtenden Urlaubern war Anfang dieses Jahres der „Ground Zero“ für die SARS-CoV-2-Pandemie in Europa. Gleichzeitig ist die Seuche aber auch zu einer Erfolgsstory der Wissenschaft geworden. Die EU sollte in Zukunft direkte Kompetenzen bei der Bekämpfung von Epidemien bekommen, erklärten am Donnerstag Fachleute bei einer Online-Diskussion der EU-Fraktion Renew Europe.
„Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat versagt. Sie lehnte es zunächst ab, den Fall einer Pandemie auszurufen. ECDC (Europäisches Zentrum für Krankheitskontrolle) und die EU leisteten gute Arbeit“, sagte Franz Allerberger von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Die WHO hätte auch viel zu spät SARS-CoV-2 als Erreger deklariert, der von Mensch zu Mensch übertragen werde. Was in Europa fehle: Im Gegensatz zu den via Nahrungsmittel übertragbaren Erkrankungen besitze die EU keine Kompetenzen bei der Bekämpfung von Epidemien.
Kritik an Tiroler Landessanitätsdirektion
Deutliche Kritik äußerte Allerberger rückblickend auch an der Tiroler Landessanitätsdirektion: „Der Leiter hat erklärt, es sei höchst unwahrscheinlich, dass es zu Infektionen beim Après-Ski käme. Das hat zu Verzögerungen geführt.“ Man hätte auch die Informationen über die vielen Infektionen unter isländischen oder norwegischen Skiurlaub-Heimkehrern als eine Angelegenheit von „Ausländern“ gesehen und offenbar misstraut. Auf der anderen Seite sei SARS-CoV-2 eine wissenschaftliche Erfolgsstory geworden. „Hätten wir ein ähnliches Ereignis vor zehn oder 20 Jahren gehabt, hätten wir das wahrscheinlich nicht einmal bemerkt.“ Bei HIV/Aids hätte es noch Jahre gedauert, bis ein Testsystem für die Feststellung von Infektionen etabliert worden sei. Das ist bei SARS-CoV-2 binnen weniger Wochen erfolgt.
Claudia Gamon, Abgeordnete der NEOS im EU-Parlament, betonte, Schuldfragen seien von der Justiz zu klären, es gehe darum, Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen: „Wie können wir die Rolle der EU stärken, speziell zum Beispiel das ECDC.“
Studie belegt Rolle von Ischgl
Welche Rolle „Ischgl“ bei der Verbreitung von SARS-CoV-2 in Deutschland gespielt hat, belegt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft der Universität Kiel. Studienautorin Sonali Chowdhry: „Je weiter die Entfernung von Ischgl, desto weniger Infektionen gab es in Deutschland.“ Diese regionalen Unterschiede in der Verbreitung der Covid-19-Erkrankung hätten sich in Deutschland von Anfang an ergeben und würden sich auch jetzt noch zeigen. „Ischgl“ sei hier eben der „Ground Zero“ gewesen. Laut den Berechnungen der deutschen Wissenschafter hätte eine Entfernung aller deutschen Regionen von Ischgl wie das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern eine um 48 Prozent geringere SARS-CoV-2-Infektionrate bewirkt als in den Regionen mit der größten Verbreitung von SARS-CoV-2 in Deutschland.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB).