Nach Tod von David (1)

Kinderchirurg: „Die Regeln wurden nicht befolgt“

Salzburg
21.08.2018 10:51

Es ist ein Fall, der an Tragik kaum zu überbieten ist: David starb im April elf Tage nach einer Operation am Salzburger LKH. Er atmete unbemerkt Erbrochenes ein. Nur 17 Monate alt wurde der Sprössling. Ein Arzt schrieb ein Gutachten über den Fall. Er sagt: „Es wäre so nicht geschehen, hätte man die Regeln eingehalten.“

Selbst Univ. Prof. Dr. Kurosh Paya, ein erfahrener Wiener Arzt und dreifacher Vater, schockierte der Fall David. Die Eltern des tragisch verstorbenen Kindes, Edda P. und Thomas G., haben den Experten über ihren Anwalt Stefan Rieder mit einem kinderchirurgischen Gutachten beauftragt - neben Univ. Prof. Dr. Peter Marhofer, der ein Anästhesie-Gutachten verfasste. Das trauernde Paar will Klarheit über das Geschehene.

Trotz vollem Magen operiert
Die „Krone“ fragte nach dem Ergebnis - ein vernichtendes, wie aus dem Telefonat mit Paya hervorgeht: „Das Vorgehen bei der Operation war sehr nachlässig. Insbesondere entzieht es sich meiner medizinischen Logik, warum so rasch operiert wurde, obwohl bekannt war, dass das Kind nicht nüchtern war.“ Bis eine Stunde vor dem Eingriff aß David reichlich, erst danach löste sich das Wimmerl auf seiner Wange -  ein Hämangiom (Blutschwämmchen).

Rapider Sauerstoffverlust
Da es zu bluten begann, fuhren die Eltern an jenem Abend des 16. April ins Landeskrankenhaus. Mehrfach verwiesen sie gegenüber dem diensthabenden Kinderchirurgen und dem Anästhesisten auf das Abendessen. „Egal“, hieß es. Es wurde operiert, der Anästhesist sedierte das Kind mit 0,5 mg Midazolam, 12 mg Ketamin und danach noch 10 mg Propofol, wie aus dem zweiten Gutachten hervorgeht. Davids Sauerstoffwerte sausten in der Aufwachphase in den Keller: Von 100 Prozent um 21.02 Uhr auf zwölf Prozent um 21.09 Uhr. Nach 30 Minuten Reanimation landete David auf der Intensivstation. Elf Tage später folgte die Diagnose Hirntod, die Maschinen wurden abgestellt.

WHO-Standards wurden missachtet
Ein eigentlich unnötiger Eingriff, resümiert der Sachverständige und verweist auf alternative Methoden. „Der Eingriff selbst war aber lege artis. Von der Indikation her diskussionswürdig, aber korrekt.“ Vielmehr wurden grundlegende Standards - die weltweit gelten - missachtet, so Paya: „Wesentliche Vorsichtsmaßnahmen, die von der WHO vorgegeben sind - damit meine ich das sogenannte Sign-in-Verfahren - wurden nicht beachtet beziehungsweise falsch durchgeführt.“

Laut WHO geht es dabei um Fragen wie: Ist der Patient bekannt? Ist klar, was operiert werden muss? Gibt es ein Aspirationsrisiko? Ist das nötige Equipment überprüft und einsatzbereit?

Ärzte bemerkten nicht, dass Kind erbrach
„Diese Missachtung der Regeln ist grob fahrlässig, das Ergebnis des Geschehens beweist es auch.“ So bemerkten die Ärzte nicht rechtzeitig, dass das Kind bereits aspiriert (erbrochen) hat. „Es wurde danach nicht geschafft, eine Intubation durchzuführen, dazu musste erst die Oberärztin, die daheim war, geholt werden.“

Vor allem: David wurde offenbar nicht mit einem EKG überwacht, sagt Paya. „Eine Narkose ohne Monitoring, das würde man nicht mal in einer Ordination machen. Das ist eigentlich überall auf der Welt Standard.“ Für Paya sei rücksichtslos und verantwortungslos gehandelt worden.

Laut dem Anästhesie-Gutachten lag „keine akute OP-Indikation“ vor, die kleine Blutung „hätte anders gestillt“ werden können. Marhofer schrieb von „fehlender Aufklärung“ und einer möglicherweise „schlechten Vorbereitung einer Narkose“. Das Kind sei „weder schmerzgeplagt noch vital gefährdet“ gewesen. Statt Medikamenten hätte z. B. eine EMLA-Creme gereicht. Zusammengefasst, so Marhofer in seinem Gutachten, war es eine „tragische Verkettung von Umständen und medizinischen Fehleinschätzungen“.

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