Das Staunen der Bergsteigerwelt über die neue alpine Lichtgestalt, die die höchsten und schwierigsten Gipfel mit einer bisher noch nie gekannten scheinbaren Leichtigkeit im Laufschritt erklimmt, erlebte im Vorjahr eine Atempause. Chris Stangl, der "Skyrunner", bestand seine bisher schwierigste Prüfung nicht - Kapitulation am K2!
Um Leben und Tod geht's immer, wenn man sich, wie der Obersteirer, hauptberuflich im obersten Grenzbereich der Bergsteigerei bewegt. Ans Limit gehen, heißt die Maxime. Möglichst oft und möglichst knapp. Über dieser dünnen Linie wartet das absolut Unbekannte. Für viele andere war's der Tod. Christian Stangl hat im Vorjahr am K2 an dieser Linie Halt gemacht. Vernunft? Wahrscheinlich. Jedenfalls ist er jetzt noch am Leben und kann einen neuen Start am "Todesberg" unternehmen.
Eislawine kostete Kollegen das Leben
Mitten in der so genannten Todeszone, auf 8.100 Metern, sah der "Skyrunner", wie jene Eislawine vom Berg donnerte, die elf Bergsteiger das Leben kostete. "Wäre ich nur um eine halbe Stunde früher aufgebrochen, dann hätte auch ich keine Chance gehabt", sagt er, "dann wäre ich tot!"
Abschätzen, die Gegebenheiten ganz genau studieren - das macht er ohnehin. Harakiri hat bei dem, was zu seinem Lebensinhalt geworden ist, nichts verloren. Alles, was er tut, ist gewagt, aber sein Wagnis hat auch sehr viel mit Vernunft zu tun. Mit der exakten Kenntnis der momentanen eigenen Leistungskraft und der möglichst genauen Einschätzung der äußeren Bedingungen.
Ein-Mann-Expedition auf den "Todesberg"
An diesem Tag, dem 2. August 2008, hätte aber alles nichts genützt. Da war einfach Glück dabei. Und auch das braucht einer wie Chris Stangl, um am Leben zu bleiben. Fest steht: Er hat diesen Tag überlebt und er hat ihn auch psychisch überwunden. Denn der Steirer ist gerade jetzt wieder dort. Am K2. Und wagt etwas, das noch keinem anderen gelungen ist: eine Ein-Mann-Expedition mit dem Ziel, den wohl schwierigsten aller Achttausender in einer - salopp ausgedrückt - "Tagestour" zu erklimmen.
Käme dieser Plan von einem anderen, dann hätte er wohl sehr viel mit Größenwahn zu tun. Aber ein Großmaul war der Ausnahmekönner aus Hall bei Admont nie. Für den Mount Everest hat er exakt 16 Stunden und 42 Minuten gebraucht, der Aconcagua ist in 4 Stunden und 25 Minuten "gefallen", und so weiter. Diese Zeiten sind - wenn man diesen Begriff in solchen Extremsituationen überhaupt gebrauchen darf - Weltrekorde.
Nur das Nötigste kommt mit
Wo andere Tage, ja Wochen, viele bezahlte Helfer und Tonnen von Ausrüstung benötigen, macht's Chris Stangl allein, nur mit dem Nötigsten. Getränke sind dabei, wenig aber richtige Verpflegung, Kälteschutz, Notausrüstung - das ist es schon. Kein Gramm zu viel wird mitgeführt. Denn er stapft oder geht nicht, er läuft ja meistens. "Skyrunner" heißt "Himmelsläufer". "Je schneller man Gefahrenbereiche bewältigt, desto sicherer ist man unterwegs", sagt er.
Nichts überstürzen lautet die Devise
Jetzt, wahrscheinlich gerade jetzt, steht der 43-Jährige im Schatten des K2 und schaut sich alles zum x-ten Mal ganz genau an. "Bevor ich meinen endgültigen Gipfelversuch starte, muss ich mich gut akklimatisieren." Das Basislager liegt immerhin auf einer Höhe von mehr als 4.500 Metern. "Wenn's irgendwie geht", sagt er, "möchte ich vorher einmal zu jener Stelle hochsteigen, an der im Vorjahr die Katastrophe passiert ist." Aber er hat Zeit. Nichts überstürzen heißt jedenfalls die Devise.
Zur Vorbereitung auf den Gipfelsturm gehört auch eine Erkundungstour auf den gegenüberliegenden Broad Peak. Der ist 8.051 Meter hoch und zählt auch zu den 14 mehr als 8.000 Meter hohen Berg-Giganten dieser Erde. "Von dort oben hat man bei gutem Wetter freie Sicht auf den K2", sagt der Steirer nüchtern, "und man kann auch die Stelle genau einsehen, an der im Vorjahr die tödliche Eislawine herabgedonnert ist."
Das alles gehört zum Thema "Sicherheit", das bei allem, was der "Skyrunner" geschafft hat, ein großes war. Beobachten, einschätzen und dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, losschlagen. Und jene Gabe nutzen, die ihm offenbar in die Wiege gelegt wurde. Jene physische Höhentauglichkeit, die bisher noch keiner in diesem Maße hatte.
"Keine Rekordjagd"
"Es ist Sport", sagt er, "denn bei meinen Bergunternehmungen geht es um Geschwindigkeit - aber ich will mit dem, was ich tue, keine Rekordjagd lostreten. Da könnte es durch falschen Ehrgeiz zu Katastrophen kommen." Lasst ihn doch einfach das tun, was er am besten kann: Die höchsten Berge dieser Erde so schnell wie möglich erklimmen. Auch am K2 tickt die Uhr. Aber nur für ihn, den "Skyrunner".
von Werner Kopacka, "Steirerkrone"
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