Geiseldrama

Geiselnehmer hat statt Reue nur Selbstmitleid

Österreich
02.03.2007 17:56
Einen Tag nach dem Geiseldrama in einer Wiener Bank, das sich vor den Augen Hunderter Schaulustiger abgespielt hat, zeigt der 39-jährige Geiselnehmer Günther B. keine Reue. "Mitleid mit den Geiseln hat er nicht. Nur mit sich selbst", so ein Ermittler der Kriminaldirektion 1 nach der Einvernahme des Täters.

Exakt von 10.58 bis 15.58 Uhr hielt der Gewalttäter ganz Wien in Atem. Das Geiseldrama spielte sich auf einer der bekanntesten Einkaufsmeilen der Bundeshauptstadt ab. Als Günther B. in die BAWAG-Filiale auf der Mariahilferstraße stürmte, machte er schon gleich zu Beginn klar, um was es ihm ging. "Heute werdet ihr was erleben!", schrie er im Schalterraum.

Die erste freigelassene Geisel hatte dann auch eine Botschaft für die Polizei: "Das ist kein Banküberfall, das ist eine Geiselnahme!"

"Wenn du mich anlügst, gibt es ein Blutbad"
Die nächsten fünf Stunden sprach der vorbestrafte 39-Jährige draußen nur noch mit Chefinspektor Johann Schaffer. Für den erfahrenen Wiener Kriminalbeamten, Mitglied der Verhandlungsgruppe seit ihrer Gründung 1989, war es bereits die siebente Geiselnahme. Der unberechenbare Kidnapper fasste Vertrauen zu dem dreifachen Familienvater, sagt rasch "Hansi" zu ihm. Er macht aber auch deutlich, dass mit ihm nicht zu scherzen ist: "Er hat anfangs immer gesagt: ,Wenn du mich anlügst, gibt es ein Blutbad. Wichtig ist, dass du weißt, dass mir am Leben nichts liegt. Ich werde sowieso erschossen"!

Geiselnehmer wollte im Mittelpunkt stehen
Der vorbestrafte Arbeitslose wirkt bei den Telefongesprächen teils depressiv. "Er hat zu mir gesagt: Heute werdet ihr mir zuhören müssen. Es bleibt euch nichts übrig", beschreibt der Kriminalbeamte die Gemütslage des labilen Täters. In seiner "Lebenskrise" möchte der auch schon in psychiatrischer Behandlung gewesene Günther B. einmal im Mittelpunkt stehen. Fühlt sich in der Rolle des vermeintlich Stärkeren wohl. Der 39-Jährige will auch die mehr als 20 Telefonate mit dem Chefverhandler diktieren. Johann Schaffer: "Als er Bier verlangte und ich das ablehnte, hat er aufgelegt. Auch wie ich gesagt habe, dass er vernünftig sein soll."

Während der Gespräche möchte der Geiselnehmer sein Gegenüber immer sehen. Ohne Schutzschild geht Chefverhandler Schaffer vor der Bank ständig auf und ab. Zu diesem Zeitpunkt war natürlich noch nicht klar, dass es sich bei der Pistole um ein Plastik-Spielzeug handelte.

In 20 Minuten spielt es "Rambazamba"
Als nur noch die stellvertretende Filialleiterin in der Gewalt des Geiselgangsters ist - vom Kunden, der sich im 1. Stock versteckt, weiß Günther B. nichts - scheint die Situation noch einmal zu eskalieren. Im Gespräch mit seinem Bruder droht der Verdächtige: "In 20 Minuten spielt's ,Rambazamba'!" Und singt ihm einen Rudi-Carrell-Hit vor: "Lass dich überraschen..."

Schließlich überredet der Chefinspektor den Kidnapper doch zur Aufgabe. Nach dem Versprechen, dass draußen ein Psychologe auf ihn wartet, lässt er sich vor der Bank festnehmen.

Dem Täter drohen 20 Jahre Haft
Am Tag danach scheint Günther B. die Todesangst seiner zwischenzeitlich sieben Geiseln - die sechs Bankmitarbeiter haben nun bis Ende der Woche dienstfrei und werden psychologisch betreut - egal zu sein. Ein Ermittler: "Er zerfließt nur vor Selbstmitleid." Dem Wiener drohen nun vermutlich wegen erpresserischer Entführung bis zu 20 Jahre Haft.  

Massive Geldprobleme als Hauptmotiv
Nach Angaben von Oberstleutnant Gerhard Haimeder, interimistischer Leiter der Wiener Kriminaldirektion 1., dürften "massive Geldprobleme" das Hauptmotiv für die Tat gewesen sein. Seinen Schuldenberg dürfte der wegen Diebstahls, Einbruchs und Raubüberfalls amtsbekannte Wiener durch seine Spielsucht angehäuft haben.

Dennoch dürften laut Haimeder die finanziellen Schwierigkeiten des 39-jährigen Günter B. nicht der Grund gewesen sein, warum er in der BAWAG-Filiale sieben Geiseln nahm. "Es sieht so aus, als hat für ihn die Bank als Medium fungiert", sagte der Kriminalbeamte. Der Mann habe sich mitteilen wollen.

Der Oberstleutnant sprach von einem "persönlichen Lebensproblem" des Täters: Seine Lebensgefährtin hatte den 39-jährigen Vater einer 19-jährigen Tochter vor einiger Zeit verlassen. Kurz vor der Tat besuchte sie ihn mit ihrem neuen Freund.

Bilder der Geiselnahme und der Überwältigung des Täters findest du in der Info-Box! 

Von Christoph Budin, Florian Hitz, Michael Pommer und Krone.at

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