Derb, aber lovely

Kate Nashs “Made Of Bricks”

Musik
24.10.2007 17:38
Wer den Begriff "MySpace-Wunder" nicht mehr hören kann, dem sei Kate Nash als freche, engagierte Person beschrieben, die sich mithilfe des Selbstverwirklichungsmediums Nummer 1 einen Plattenvertrag gesichert hat. Ihre Melodien klingen wie Lakritz und Kaugummi auf Notenblättern, ihre Texte lesen sich wie ein Touristen-Guide zum akkuraten Einsatz von Schimpfwörtern und derben Slang-Ausdrücken. Frei nach dem Motto: Dreckig ist das neue Sauber.
(Bild: kmm)

Kate Nash kommt aus demselben Eck' wie Lily Allen, virtuell wie real. Die 22-jährige Allen war das erste "MySpace-Wunder" und brachte mit "Smile" Londoner Lokalkolorit und den viel zu selten gehörten Straßenslang der britischen Hauptstadt ins Radio. Kate Nash ist zwanzig, ebenfalls aus "LDN" und verschluckt gerne auch mal ein paar Präpositionen oder schmeißt die Grammatik zu Gunsten der Sprechgeschwindigkeit über Bord.

Das Einzige, was sie von Lily Allen, die selbst ein flottes Mundwerk hat, unterscheidet: Kate Nash flucht wie ein altes Waschweib. Vergleichbar mit dem, was auf dem Kontinent die "Berliner Schnauze" oder das "Wiener Goscherl" ist. Bei ihr sind Zeilen wie "Why you being a dickhead for? / Stop being a dickhead for" angesagt oder kleine Schimpfwortpsalme wie der "Shit Song": "Darling don't give me shit / Cause I know that you're full of it / You're full of shit, you're full of shit, you're...". Spießbürger würden Kate Nash ein ungehobeltes Gör nennen, ihre permanente Überaffektiertheit in ihren Songs nervt - aber ihr Album "Made Of Bricks" stieg auf Anhieb an die Spitze der UK-Charts und hält sich seit der zweiten Woche auf Platz zwei.

Warum das so ist? Dreckig ist in London das neue Sauber. Je abgefuckter, desto besser. Je tiefer unten man sich in den Songs ansiedelt, umso höher steigst du dann. In "Foundations" meckert Multi-Instrumentalistin Kate Nash zwischen abgefahren Piano/Synthesizer-Sounds und trockenem Beat über diesen Rüpel mit dem Junkiegesicht, der sie vor allen anderen "Bitch" nannte und ihr - als er reumütig zurückkam - auf ihre neuen "Trainers" kotzte. Sehr charmant und zu dem allgemein verständliche Teenagerprobleme, wie es sie schon zu Nirvanas Zeiten gab; nur das Cobain und Co. gegen die kollektive Verblödung ritterten und sich's bei den "MySpace-Wundern" um die Kleinkriege in der virtuellen wie realen Peer-Group dreht.

Kate Nash: "Foundations"


Quelle: YouTube.com

Nur ein einziges Mal lässt Kate Nash die penetrante Ich-Form bleiben: "Birds" war die B-Seite ihrer ersten Vinyl-Single "Caroline's A Victim" und erzählt die Geschichte eines unbeholfenen Jungen, der seine Gefühle nicht in Worte kleiden kann. Ein ununterbrochenes, faszinierendes Gebrabbel; pittoresk, mit blauem Himmel, Spaziergängen im Park, Vogelgezwitscher und einem Happy-End. Bei "We Get On" hat sie das Tamburin von Gwen Stefanis "Sweet Escape" gesampelt und singt zu einem Sechzigerjahre Jukebox-Backbeat in Monty-Python-Manier über ihre eigenen Verbalblockaden. Und das sie manchmal doch findet, dass er denkt, sie sei "a bit of a twat".

Um den Schlagworten "Alternative / Indie" auf ihrem MySpace-Blog gerecht zu werden, schrieb sie "Mariella". Einen Song über ein nicht anpassungswilliges Mädchen, das sich lieber in ihrem Zimmer einschließt, gerne "mit sich selbst spielt", statt pinke Ohrringe zu tragen und am Ende beschließt, nie wieder zu sprechen. Nach dem "Shit Song" (ein leider extrem belämmertes Lied) folgen mit dem in der Zukunft angesiedelten "Skeleton Song" und der Sehnsuchts-Ballade "Nicest Thing" wieder zwei Highlights, bevor sie mit "Merry Happy" in ein kitschiges Finale driftet. Ein sehr, sehr zwiespältiges Album.

7 von 10 "Londoner Schnauzen"


Christoph Andert
 

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