Eurofighter-Kauf

Darabos unter ÖVP-Beschuss

Österreich
28.06.2007 13:54
Die Koalition hängt nach dem vor allem von Seiten der ÖVP heftig kritisierten Eurofighter-Vergleich von SPÖ-Verteidigungsminister Darabos am seidenen Faden. Darabos steht für den von ihm ausgehandelten Deal, nach dem nur 15 statt 18 Jets gekauft werden, unter ÖVP-Dauerbeschuss: Finanzminister Molterer fordert die sofortige Offenlegung des Eurofighter-Sparpakets. Bei ÖVP-Minister Bartenstein schrillen ob einiger unbeantworteter Fragen zu den Gegengeschäften sogar die Alarmglocken und Umweltminister Pröll sagte im ORF-Radio, es sei "unglaublich, was Darabos sich geleistet hat". Auch die Krone.at-User geben ihre Meinung ab. Der Grundtenor: Fast drei Viertel glauben, dass der Deal "nichts taugt".

"Als Finanzminister muss ich es einfach wissen", sagte Vizekanzler Molterer bei der ÖVP-Klausur in Mistelbach über den Vertrag, den Darabos mit EADS abgeschlossen hat. Die Vorgehensweise von Darabos sei "nicht die klügste und zumindest unüblich", so Molterer. Er bekräftigte die aus ÖVP-Sicht drei offenen Fragen in dieser Angelegenheit: Ist die Luftraumüberwachung mit 15 Fliegern gewährleistet, ist billiger auch tatsächlich günstiger und was bedeutet der Vergleich für die Gegengeschäfte.

Pröll: Darabos habe "etwas zu verbergen"
Umweltminister Pröll sagte im ORF-Radio, es sei "unglaublich, was Darabos sich geleistet hat", indem er den Koalitionspartner nicht informiert habe. Es entstehe der Eindruck, der Verteidigungsminister habe "etwas zu verbergen".

Bei Bartenstein "schrillen die Alarmglocken"
Wirtschaftsminister Bartenstein forderte Darabos auf, die Beibehaltung des Gegengeschäftsvolumens von vier Milliarden Euro „konkret in der Vergleichsvereinbarung“ über die Einsparungen beim Eurofighter-Kauf festzuhalten. Denn andernfalls könnte der Gegengeschäftsvertrag zur Anwendung kommen, der besagt, dass sich das Kompensationsvolumen automatisch anteilig an den Kaufpreis anpasst, was die Einsparungsvorteile ja wiederum obsolet machen würde.

Nur mit einer ausdrücklichen Vereinbarung sei man "auf der sicheren Seite", meinte Bartenstein. Die Aussage von Eurofighter-Seite, dass die Gegengeschäfte in den Verhandlungen kein Thema gewesen seien, würden bei ihm „die Alarmglocken schrillen“ lassen, meinte Bartenstein. Man könne nicht ausschließen, dass sich die Hersteller auf die Position „weniger Geschäft, also auch weniger Gegengeschäft“ zurückziehen.

800 Millionen Euro an Gegengeschäften gefährdet
Sollte die Bestimmung aus dem Gegengeschäftsvertrag zur Anwendung kommen, würde das bedeuten, dass bei einer Kaufpreisminderung von 400 Millionen Euro das Gegengeschäftsvolumen um 800 Millionen Euro gekürzt würde, erläuterte Bartenstein. Denn es sind Gegengeschäfte im Wert von 200 Prozent des Kaufpreises vereinbart.

Der Wirtschaftsminister pochte darauf, dass „Minister Darabos mir und der Regierung im Wort ist. Darauf werde ich mit Nachdruck bestehen.“ Denn er habe Darabos am Mittwoch im Ministerrat gefragt, was unter den neuen Bedingungen mit den Gegengeschäften passiert. Vom Verteidigungsminister habe er zur Antwort bekommen, dass die Gegengeschäfte nicht betroffen seine und im beschlossenen Umfang umgesetzt würden. Nicht erfahren habe er von Darabos aber, ob es bereits ein Papier über den Vergleich gibt bzw. ob Darabos ein solches bereits unterzeichnet hat, merkte Bartenstein an.

Das denken die Krone.at-Leser!
Mehr als die Hälfte der Krone.at-User sind der Meinung, der Deal sei ein erneuter Umfaller der SPÖ - die die Verantwortung an Darabos abzuschieben versucht. Fakt ist: Das Wahlversprechen vom "totalen Ausstieg um jeden Preis" wurde nicht eingehalten. Überraschendes Ergebnis der Frage, ob 15 statt 18 Jets als Erfolg anzusehen ist: Fast die Hälfte der Krone.at-Leser finden, auf drei Flieger mehr oder weniger wäre es auch nicht mehr angekommen.

Der Krach in der Regierung rund um das Verhandlungsergebnis geht unterdessen unvermindert weiter: Die ÖVP stimmte dem von Verteidigungsminister Darabos ausverhandelten Deal zur Reduktion des Vertragsvolumens im Ministerrat am Mittwoch nicht zu und überlässt damit die Verantwortung dem Ressortchef alleine. Um es Darabos noch schwerer zu machen, will die ÖVP den Vergleich mit der Eurofighter GmbH auch einer Prüfung unterziehen. Rein rechtlich ist die Zustimmung des Koalitionspartners nach Meinung von Verfassungsjuristen nicht nötig. Darabos kann den Vertrag auch im Alleingang ändern.

Gusenbauer lobt "substanzielle Einsparung"
In der Volkspartei bezweifelt man freilich, dass die angekündigten Ersparnisse von 370 Millionen Euro eine tatsächliche Verbilligung darstellen und die Reduktion der Stückzahl von 18 auf 15 den sicherheitspolitischen Anforderungen entsprechen. Bundeskanzler Gusenbauer stellte sich aber hinter den Minister. Mit dem Vergleich sei die Luftraumüberwachung kostengünstig organisiert und eine "substanzielle Einsparung" erreicht.

Die für die ÖVP noch offenen sicherheitspolitischen und ökonomischen Fragen bei dem Vergleich sieht Gusenbauer schon beantwortet. Aus seiner Sicht ist die geringere Stückzahl sowie der Verzicht auf eine modernere Tranche sicherheitspolitisch verträglich und das gesamte Ergebnis "ökonomisch nützlich".

ÖVP-Kritik an fehlendem Papierkram
Das sieht die ÖVP freilich anders. Molterer beklagte einerseits, dass Darabos der Regierung keinen schriftlichen Text vorgelegt habe. Andererseits sah er drei große offene Fragen, die zu prüfen seien. Konkret will die ÖVP untersuchen, ob mit der Stückzahlreduktion die sicherheitspolitische Anforderung gewährleistet sei, ob der Vergleich tatsächlich eine Verbilligung darstellt und welche Auswirkingen der Deal auf die Gegengeschäfte (siehe Barteinstein-Meinung) hat. Auch parlamentarisch schießt sich die ÖVP auf Darabos ein. Die Fraktionsführerin im Eurofighter-Ausschuss, Maria Fekter, kündigte eine parlamentarische Anfrage an.

Hintergrund: Der Darabos' Deal
Verteidigungsminister Darabos hatte ausverhandelt, dass Österreich statt 18 nur 15 Eurofighter bekommt. Diese "Grundsatzeinigung" bestätigten Darabos und das Eurofighter-Konsortium am Dienstag. Und sie ist nach Angaben des Jet-Produzenten bereits "bindend".

Kernpunkte des Sparpaketes: Österreich wird drei Flugzeuge weniger kaufen, außerdem werden nicht Jets der moderneren "Tranche 2", sondern solche der älteren "Tranche 1" angeschafft. Die Abfangjäger werden zudem ausschließlich für die Luftraumüberwachung ausgerüstet, zusätzliche Einsparungen soll es bei den Betriebskosten geben. In Summe soll sich Österreich damit laut Darabos rund 400 Millionen Euro ersparen, nach Angaben des Eurofighter-Herstellers sinkt das Vertragsvolumen um 370 Millionen Euro.

Vernichtende Kritik der Oppositonsparteien
Die Reaktionen der Opposition fielen vernichtend aus: FPÖ-Chef Strache warf der SPÖ vor, mit "Taschenspielertricks" vom Bruch ihres Wahlversprechens "Eurofighter-Ausstieg" ablenken zu wollen. An tatsächliche Einsparungen glaubt er ebenso wenig wie BZÖ-Obmann Westenthaler, der Darabos und Kanzler Gusenbauer "Wählerbetrug im großen Stil" vorwarf. Der Grüne Vorsitzende des Eurofighter-U- Ausschusses, Pilz, sprach von "Kapitulation" des Verteidigungsministers.

Zwei Eurofighter-Absschlussberichte
Der Gutachter Helmut Koziol hat bekanntlich gewarnt, aus dem Eurofighter-Vertrag auszusteigen. Es würde ein "jahrelanger Rechtsstreit mit extremen Risiken drohen", begründete er das. Ausschuss-Vorsitzender Peter Pilz drängte darauf, die Vorlage eines zweiten Gutachters abzuwarten. Es wird zwei Abschlussberichte über den Eurofighter-Ausschuss geben. Einen von Rot, Grün und Blau und einen nur von der ÖVP.

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