Kassen reduzieren

Der Ausweg aus der Zwei-Klassen-Medizin

Österreich
08.12.2017 18:34

Über eines sind sich Experten und Regierungsverhandler einig: Im Gesundheitssystem besteht riesiger Reformbedarf. Das betrifft sowohl die Krankenkassen, wo es je nach Träger verschiedene Leistungen für Patienten und unterschiedliche Honorare für Ärzte gibt, als auch das Spitalswesen, bei dem zu viele Behandlungen in den teuren Ambulanzen statt günstiger beim niedergelassenen Arzt gemacht werden.

Die Studie der LSE (London School of Economics) sieht bei den Spitalskosten von zwölf Milliarden Euro ein Einsparpotenzial von zehn Prozent. Doch von diesen 1,2 Milliarden Euro muss natürlich ein Teil in den niedergelassenen Bereich umgeschichtet werden, sodass unterm Strich 360 Millionen Euro überbleiben könnten. Zusätzlich hat der Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, Alexander Biach, Einsparungen von 120 Millionen Euro in der Verwaltung der 22 Träger angekündigt. Das alles soll zu keinen Verschlechterungen für die Patienten führen.

Daher peilt die künftige Regierung diese Reformen an. Offen ist noch, wie viele Kassen in welchem Zeitraum zusammengelegt werden sollen und wie die Kompetenzen von Bund, Ländern und Sozialversicherung aufgeteilt werden, damit endlich das ständige, oft kaum verständliche Hin- und Herschieben von vielen Millionen aus unterschiedlichen Töpfen beendet wird.

"Es muss Anreize für Ärzte geben"
Für den Gesundheitsökonomen Ernest Pichlbauer wäre "ein zentraler Leistungskatalog für alle" die Basis, um der Zwei-Klassen-Medizin den Kampf anzusagen. "Für jede Leistung beim Arzt oder im Spital wird ein Preis festgesetzt. Ein EKG z. B. kann überall das Gleiche kosten. Daher brauch ich nur noch eine bundesweite Kasse für alle", erläutert Pichlbauer. Dieser Basis-Preis werde dann aber manchmal durch "lokale Parameter" ergänzt. "In Wien werden gewisse Dinge nicht gleich viel kosten wie auf dem Land. Es muss Anreize für Ärzte geben, sich abseits der Ballungszentren niederzulassen. Das gehört reguliert und auf regionaler Ebene verhandelt."

Auch bei den Regierungsverhandlungen ist in Diskussion, "Länderkommissionen" einzusetzen, die die Aufteilung der Geldmittel verhandeln. Die Umleitung vieler Patienten von den Spitälern zu niedergelassenen Ärzten macht Sinn: Denn ein Spitalstag kostet im Schnitt 840 Euro, eine Behandlung in der Ordination nur 58 Euro. Pichlbauer: "Ich bin für eine lange Übergangsfrist, damit das neue System vorbereitet werden kann, aber dann an einem Tag in Kraft tritt."

Hin- und herschieben von Millionen soll aufhören
Derzeit sieht es so aus, als ob nur die Gebietskrankenkassen fusioniert werden sollen. Die Betriebskrankenkassen würden sich ihre Kosten ohnedies selber zahlen, Selbstständige und Beamte hätten ein anderes System (keine Arbeitgeberbeiträge). Pichlbauer warnt davor, eigene Kassen für Unselbstständige, Beamte und Unternehmer zu belassen: "Da sieht man dann erst recht die Zwei-Klassen-Medizin, weil z. B. die Beamten jetzt schon großteils bessere Leistungen haben als die Versicherten bei den Gebietskrankenkassen."

Jetzt hat jede Kasse ihr eigenes Budget. Zwar zahlen wir alle gleich hohe Beiträge, doch Kassen mit vielen Arbeitslosen und Pensionisten (z. B. Wien) haben weniger Geld als solche mit vielen gut verdienenden Angestellten (z. B. in OÖ). Über einen komplizierten "Ausgleichfonds" werden Millionen hin- und hergeschoben, anstatt dass man einfach einen gemeinsamen Rechnungskreislauf schafft.

Manfred Schumi, Kronen Zeitung

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