Häupl im Interview

“Wien-Budgetplan ist nicht aus dem Taka-Tuka-Land”

Österreich
03.12.2017 18:18

Andreas Schieder und Michael Ludwig wollen es werden, Michael Häupl (SPÖ) ist es noch: Bürgermeister von Wien. Der Stadt-Chef über die beiden Kandidaten, Mindestsicherung als Schutzgeld, Kerns Gehalt und das KH Nord.

"Krone": Herr Bürgermeister, Stadtrat Michael Ludwig und SPÖ-Klubchef Andreas Schieder wollen bekanntlich Ihren Job. Was werden Sie den beiden zu Weihnachten schenken?
Michael Häupl: Ein Buch, welches weiß ich noch nicht. Kein Buch im engeren politischen Sinn, sondern eher eines, das sich mit dem Humor in der Politik beschäftigt. Und beide bekommen das gleiche.

Wer von beiden benötigt denn Schmäh-Nachhilfe?
Jeder hat seinen eigenen Stil. Beide machen das sehr gut, sehr solidarisch, sehr kollegial, sehr freundschaftlich. Ich bin wirklich zufrieden.

Wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, Sie werden im Jänner Andreas Schieder wählen.
Es kann genauso gut Michael Ludwig sein.

Es gibt ja viele Gerüchte in der Partei.
Na, wieso überrascht mich das jetzt nicht ...?

Eines davon besagt, dass Sie Michael Ludwig als Bürgermeister verhindern wollen.
Das ist genauso ein Unsinn wie dass ich ihn bevorzuge. Ich bleibe meiner Linie treu und bevorzuge keinen Kandidaten.

Kann jemand Bürgermeister werden, der nicht weiß, wie hoch der Stephansdom ist, so wie Andreas Schieder?
Aber selbstverständlich. Das sind doch nur Schulfragen. Ich täte gerne einmal Journalisten fragen, ob sie das wissen. Machen wir es umgekehrt. Wie hoch ist der Rathausturm?

Das weiß ich nicht. Ich will aber auch nicht Bürgermeister werden. Wie hoch ist er?
Ich weiß es auch nicht (lacht), ich bin aber schon lange Bürgermeister. Jedenfalls ist der Turm niedriger als die Türme der Votivkirche, aber mit dem Rathausmann darauf ist er höher.

Türkis-Blau wird die Mindestsicherung kürzen. Ist das gerade beschlossene rot-grüne Gesetz, das keine Kürzungen vorsieht, für den Kübel?
Das werden wir erst sehen, denn so einig scheinen sich die beiden künftigen Regierungspartner nicht zu sein. Gehen sie verfassungskonform vor und führen keine Differenzierung zwischen österreichischen Staatsbürgern und Ausländern mit aufrechtem Aufenthaltsstatus herbei oder doch? Ich habe das Gefühl, dass die ÖVP eher zu einem verfassungskonformen Modell neigt und die FPÖ weniger.

Die Mindestsicherung für alle zu kürzen, wäre auch verfassungskonform.
Da sind wir bei der üblichen Sozialabbaugeschichte von konservativen und reaktionären Parteien.

Der soziale Frieden in der Stadt wäre dann gestört?
Da verstehe ich Leute nicht, die vermeinen, die christliche Soziallehre ernst zu nehmen. Wenn sie das täten, dann wäre ihnen der Zusammenhang zwischen Verarmungsprozess und Sicherheit bekannt. Wenn man den Leuten gar keine andere Chance lässt, als kriminelle Handlungen zu begehen, dann wird man die Polizei intensiv aufstocken müssen.

Aber die Mindestsicherung ist doch kein Schutzgeld, das wir bezahlen.
Kein Schutzgeld, aber es ist eines der drei Instrumentarien der Armutsbekämpfung. Armut frisst Sicherheit und Unsicherheit frisst Demokratie.

Die Linzer SPÖ kann sich vorstellen, Flüchtlinge und Nicht-EU-Bürger aus der Sozialhilfe zu nehmen.
Das habe ich so nicht gelesen, so ist es interpretiert worden. Da geht es nicht um Kürzungen, sondern der Bürgermeister meint, dass man bei Flüchtlingen, die keinen gültigen Aufenthaltsstatus haben, etwas machen muss. Das ist aus meiner Sicht jedoch mit der Grundversorgung gewährleistet.

Sogar Andreas Schieder ist für eine Wartefrist bei Sozialleistungen. Sie jetzt auch?
Ich habe meine Meinung dazu nicht geändert, nein! Das ergibt nicht viel Sinn. Dann habe ich eine Menge Menschen dastehen, die de facto über keinerlei Einkommen verfügen.

Laut Plan von Finanzstadträtin Renate Brauner macht Wien ab 2020 keine neuen Schulden mehr. Das klingt eher nach Fantasiebudget aus dem Taka-Tuka-Land, oder?
Keine neuen Schulden sind durchaus denkmöglich, wenn die Konjunktur angesprungen ist. Wenn Renate Brauner es sagt, wird sie wissen, was sie tut. Das ist sicher nicht Taka-Tuka. Wir sind bei der Verschuldung an drittletzter Stelle der Bundesländer, gelten aber als die Deppen der Nation, die mit Geld nicht umgehen können. Das ist ja absurd.

Christian Kern genehmigt sich eine Gehaltserhöhung von monatlich 6000 Euro auf 14.900 Euro, damit er genauso viel verdient wie Andreas Schieder. Ist das die Politik für den kleinen Mann?
Das ist eine Diskussion, die wir bei den Politikergehältern insgesamt haben. Wenn man das auf den Nettogehalt herunterrechnet, ist das für viele immer noch sehr hoch, aber dass jemand, der eine wesentliche Rolle für den Staat spielt, so viel verdienen muss wie ein Ausgleichszulagenbezieher, das halte ich für einen wirklichen Unfug.

Es gibt den Rechnungshofrohbericht zum Krankenhaus Nord. Ist das ein gewaltiger Bau-Skandal oder eh alles halb so schlimm?
Ich habe die Angewohnheit, auch die andere Seite zu hören, und warte auf die in Arbeit befindliche Stellungnahme des Krankenanstaltenverbundes. Wie ich höre, sind Teile des Berichts nicht richtig.

Rot und Grün fallen, neben internen Streitereien und dem Kampf um die Mindestsicherung nicht groß auf. Ist das Projekt gescheitert?
Das kann nur an Unaufmerksamkeit liegen. Es ist jetzt erst die Besoldungsreform und eben die Mindestsicherung beschlossen worden. Das sind alleine zwei große Leuchtturmprojekte für die Stadt.

Ab Jänner ziehen Sie sich langsam zurück. Was hassen Sie an der Politik mittlerweile am meisten?
Hassen ist übertrieben, aber wenn mir etwas auf die Nerven geht, dann ist es die Scheinheiligkeit und die Heuchelei.

Was werden Sie an Ihrem ersten Tag in der Pension machen?
Das habe ich mir noch nicht überlegt. Vielleicht ein neues Büro einräumen.

Gibt es irgendetwas in diesem Büro hier, das Sie mit Freude zurücklassen?
Nahezu alles.

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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