"Krone"-Interview

Mogwai: “An Ideen mangelt es uns nie”

Musik
20.11.2017 15:00

Mogwai gehören seit mehr als 20 Jahren zu den beliebtesten und spannendsten Instrumental-Post-Rock-Bands, die weitestgehend auf Gesant verzichten. Mit "Every Country's Sun" eroberte das Quartett mit seinen elegischen Sounds sogar die Charts und nach jahrelanger Abstinenz begeisterte man in einer gut gefüllten Wiener Arena ein geschmackssicheres Publikum. Interviews haben die wortkargen Vollblutmusiker weniger gerne, aber Gitarrist und Bandchef Stuart Braithwaite nahm sich trotzdem ein paar Minuten, um über die Band und ihre vielen Meilensteine zu sprechen.

(Bild: kmm)

"Krone": Stuart, euer aktuelles Album "Every County's Sun" landete in den britischen Albumcharts auf dem respektablen sechsten Platz, euer bislang höchster Wert. War das für euch ein seltsamer Eintritt in den Mainstream?
Stuart Braithwaite: Es ist nett, wenn deine Arbeit honoriert wird und die Leute unsere Alben kaufen, so etwas macht uns natürlich glücklich. Ehrlich gesagt war es alles andere als günstig, dieses Album aufzunehmen, insofern ist es schon wichtig zu sehen, dass die Verkaufszahlen im Endeffekt stimmen.

Ihr habt das Album nicht wie gewohnt in Glasgow, sondern in New York aufgenommen. Habt ihr eine neue Umgebung gebraucht, um die Arbeit aufzufrischen?
Wir wollten einfach aus unserem gewohnten Bereich ausbrechen, denn wir haben die letzten 16 Jahre alles in Schottland aufgenommen. Es war eine willkommene Abwechslung und wohl auch ein bisschen ein notwendiger Ausbruch aus der Routine. In Schottland wären wir nach Hause gegangen und hätten unsere normalen Leben geführt. In New York hatten wir quasi nichts zu tun und haben auch außerhalb des Studios ständig an Album und Songs gedacht. Man fokussiert sich einfach viel leichter auf die Dinge, die zu tun sind.

Gemastert habt ihr das Werk in den legendären Abbey Road Studios. Hat dieser Ort für dich eine spezielle Bedeutung ob seiner musikalischen Historie?
Natürlich ist das Studio legendär und man weiß, dass dort sehr gute Projekte entstehen.

Du hast in einem Interview gemeint, dass der Albumtitel eher albern ist. Steckt denn gar keine Botschaft dahinter?
Die Leute können von mir aus in alle beiden Richtungen denken, da kann sich jeder herausnehmen, was er für richtig hält. (lacht)

Als quasi reine Instrumentalband habt ihr aber nur bei Alben- und Songtitel die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Ist euch das nicht wichtig?
Nicht wirklich. Auch unsere Songtitel sind manchmal ziemlich dämlich und haben überhaupt keine Botschaft. Wir schreiben einfach alles Mögliche nieder, dass Leute zu uns sagen oder was wir mitkriegen. Es ist im Prinzip eine Ansammlung voller Nonsens.

Wenn du also herumsitzt und gerade an ein Essen denkst, kann es passieren, dass dieses Essen zu einem Songtitel wird?
Natürlich, auch das würde ich nicht ausschließen. Außer das Essen ist mir peinlich. (lacht)

Wer deinen privaten Twitter-Account verfolgt weiß ohnehin, dass du ein extrem politischer Mensch bist. Wolltest du diese Interessen niemals in die Band integrieren?
Unter dem Banner Mogwai haben wir über die Zeit schon ein paar politische Bewegungen oder Richtungen unterstützt, aber in der Band sind wir primär Musiker und keine Botschafter. Wir sind hauptsächlich instrumental unterwegs, schreiben also auch keine Protestsongs. Wenn sich jemand mit mir über Politik unterhalten will, ist er herzlich willkommen, ich werde da auch ganz offen sein, aber der Grund, warum sich überhaupt Leute um uns scheren, ist am Ende doch unser Sound. (lacht)

Du selbst warst stark für die Unabhängigkeit Schottlands und ein bewusster Kritiker der Brexit-Entscheidung. Wäre es wirklich nicht interessant, dass als Mogwai für ein größeres Publikum zugänglich zu machen?
Wir haben bei einem Konzert mitgespielt, das sich für die schottische Unabhängigkeit einsetzte und sind als Band auch ganz klar bei den Gegnern des Brexit platziert gewesen. Es stimmt also ohnehin nicht so ganz, dass wir uns völlig aus diesen Belangen raushalten würden. Beides ging im Endeffekt aber in die Hose, also bringen wir vielleicht mehr Pech als Hilfe. (lacht) Wir sollten unsere Meinungen möglicherweise doch lieber für uns behalten.

Als ihr in New York am aktuellen Album gearbeitet habt, kam Donald Trump gerade an die Macht. Ihr habt das also direkt vor Ort aus erster Hand erlebt - hatte das keinen Einfluss auf das Werk?
Möglicherweise schon, das ist schwer festzumachen. Ich müsste lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass Atmosphäre und Stimmung in diesem Land zu der Zeit sehr seltsam gewesen sind. Du reflektierst immer das Umfeld und das Leben in deinen Songs, das kannst du gar nicht abstoßen. Wenn du älter wirst, dann machst du dir auch mehr Gedanken über alles, was um dich herum passiert. Im Endeffekt zog das Thema sicher auf das Album ein.

Entstehen aus einer dunkleren Stimmung auch automatisch dunklere Songs?
Nicht wirklich, ich würde sogar sagen, dass "Every Country's Sun" eines unserer positivsten, wenn nicht sogar fröhlichsten Alben ist. Wenn das jemand anders sieht, ist das aber auch okay für mich.

Viele eurer Fans sehen mit diesem Werk eine musikalische Rückbesinnung zu den alten Tagen der Band.
Wenn sie meinen… wenn das wirklich passiert ist, dann ohne dass wir es so geplant hätten. Es gab sicher keine bewusste Entscheidung, an alte Zeiten anzuschließen. Wir wollen uns nicht jedes Mal neu erfinden, aber uns auch nicht wiederholen. Die Musik soll einfach immer frisch und neu klingen. Anlehnungen an alte Tage sind dabei sicher nicht verpönt.

Wie wichtig sind die einzelnen Charaktere in Mogwai für den Sound, den ihr reproduziert?
Sehr wichtig, essenziell sogar. Wir alle arbeiten wirklich sehr hart, um auch gut zu klingen und selbst mit den Songs zufrieden zu sein. Keiner lässt in diesem Team nach.

Wird es mit den Jahren zunehmend schwieriger, sich neu auszudrücken, weil man immer an Vergangenem gemessen wird?
Ich glaube nicht. Wir können ziemlich perfektionistisch sein, wenn es darum geht, die finalen Songs für ein Album zu wählen. An Ideenreichtum mangelt es uns jedenfalls nicht.

Haben sich die Inspirationsquellen für die Songs über die Jahre fundamental verändert?
Das weiß ich nicht wirklich. Wir denken nicht daran, wenn wir Musik erschaffen. Das fließt immer sehr natürlich aus uns raus.

In Songs wie "Party In The Dark" gibt es - selten aber doch - auch mal Gesangsspuren zu finden, für die meist du verantwortlich bist.
Ich muss das nicht machen, aber manchmal habe ich Lust darauf.

Du hast aber oft betont, dass du das Singen eigentlich gar nicht magst.
Es stimmt, Gesang gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber wenn ein Song das verlangt, dann muss ich es einfach tun. Manchmal stellt sich die Wahl nicht, aber es fällt mir wirklich nicht leicht. Ich bin nur schwer zufrieden damit und shredde lieber auf meiner Gitarre herum. Aber seien wir uns ehrlich - im Leben gibt es doch schlimmere Probleme als dieses. (lacht)

Willst du manchmal ein bisschen aus deiner Komfortzone ausbrechen, wenn du dich ans Mikrofon stellst?
Ja, das stimmt auf jeden Fall. Etwas Härteres als zu singen gibt es für mich auch nicht wirklich, aber manchmal muss man sich einfach selbst herausfordern. Ich finde das Einsingen im Studio auch viel schlimmer als live. Du glaubst dort immer, du wärst fertig und dann kommt der Produzent und ist wieder mit irgendetwas nicht zufrieden. Auf der Bühne werden mir die Fehler wenigstens schnell verziehen. Wir lieben es aber, live zu spielen, deshalb sind wir hauptsächlich Musiker geworden. Auch wenn wir auf viele sehr introvertiert wirken.

Ihr habt auch viele Soundtracks erschaffen, unter anderem für die Dokumentation "Atomic, Living In Dead And Promise". Im Zuge dessen seid ihr sogar in Hiroshima aufgetreten. War das ein besonderer Moment in eurer Karriere?
Das war unheimlich intensiv und emotional. Es war eine schwere Erfahrung, weil wir von der Geschichte dieser Stadt förmlich erdrückt wurden. Die Leute dort haben sehr aufmerksam zugehört und obwohl wir uns im Vorfeld genau über alles informierten, hatten wir immer das Gefühl, dem Ort und seinen Einwohnern nicht den nötigen Respekt erweisen zu können. Die japanische Kultur ist sehr anders als unsere und es ist schwierig, darin zu versinken.

Gab es noch andere, sehr spezielle Momente mit Mogwai, die dir aus bestimmten Gründen in Erinnerung blieben?
Unvergesslich bleibt mir auf jeden Fall unser erster Ausflug nach Südamerika und dort speziell nach Chile. Das ist ein Staat, in dem noch nicht so viele westliche Bands gespielt haben und das hat man den Leuten auch angemerkt. Auch die ersten Gigs in unserer Heimatstadt Glasgow werden wir niemals vergessen, weil es unheimlich schwer war, dort zu bestehen.

Viele Bands haben als großes Ziel, immer wieder neue Territorien mit ihrer Musik zu erkunden. Ist das auch euch sehr wichtig?
Absolut, das gehört zu den schönsten Seiten des Tourens. Es ist einfach großartig die Chance zu haben, durch deine Musik die Welt kennenzulernen und manchmal auch vor tausenden enthusiastischen Menschen zu spielen. Wenn du als Teenager im Schlafzimmer die ersten Riffs komponierst, träumst du maximal davon. Ich bin sehr dankbar dafür.

Hast du das Gefühl, dass die Menschen überall auf der Welt auch wirklich in den Mogwai-Sound versinken können? Dass sie verstehen, was ihr mit eurer Musik aussagen wollt?
Ich hoffe es zumindest, aber man weiß es nie so ganz. Bislang bin ich aber auch ganz gut damit klargekommen, wenn wir missinterpretiert wurden. (lacht)

Euer Debütalbum "Mogwai Young Team" ist heuer genau 20 Jahre her. Was ist denn noch übriggeblieben, von den jungen und unschuldigen Tagen als Teenager?
So viel hat sich eigentlich gar nicht geändert. Natürlich sind wir älter und weiser geworden, aber die Gründe, warum wir musizieren sind immer noch die gleichen. Wir haben früher viele Erfahrungen gemacht, die man nicht mehr wiederholen kann - so wie eben die ersten harten Gigs in der Heimatstadt oder Premierenkonzerte in Japan. Wenn du etwas das erste Mal machst, ist es immer ganz speziell. Andererseits gab es aber auch viele "Entjungferungen", die man ohnehin nicht wiederholen möchte. (lacht) Wichtig ist nur, dass uns die Leute heute überhaupt noch sehen wollen.

Gab es auch Zeiten oder Momente, wo ihr satt wart? Vielleicht nicht mehr wusstet, was ihr jetzt noch tun sollt?
Immer wieder mal, aber das lag meist an der Müdigkeit. Am Ende einer Tour hängen wir schon ordentlich in den Seilen, weil wir auch gerne etwas zu lang aufbleiben und keiner Party aus dem Weg gehen. Das ist wohl irgendwie direkt mit unserer schottischen Nationalität in Einklang gesetzt. (lacht)

Ein Meilenstein in eurer Karriere war zweifelsohne der Soundtrack zu "Before The Flood", der Doku von Leonardo DiCaprio. Habt ihr euch aufgrund des Themas zur Zusammenarbeit entschlossen? Immerhin habt ihr damit Hörerschichten erreicht, die euch sonst wahrscheinlich verschlossen geblieben wären.
Die Botschaft des Films war essenziell aber auch die Tatsache, dass Trent Reznor daran gearbeitet hat. Er ist natürlich jemand, zu dem wir als Musiker immer aufgesehen haben und da sagt man auch nicht nein.

Nach welchen Kriterien entscheidet ihr eigentlich, wo ihr ein Teil sein wollt und wo nicht?
Der Inhalt ist wichtig, aber nicht essenziell. Manchmal sind die Gründe aber auch ganz profan. Etwa wenn wir gerade Zeit haben oder die Leute, die uns fragen, cool sind.

Wo liegen die größten Unterschiede zwischen dem Erschaffen eines Mogwai-Studioalbums und eines Soundtracks für eine Doku oder einen Film?
Bei einem Soundtrack musst du mit vielen anderen Menschen zusammenarbeiten und auch viele weitere Menschen zufriedenstellen. Einfach mal so an etwas arbeiten und zwanglos Spaß daran zu haben, das geht sich außerhalb des Mogwai-Kosmos nicht mehr aus. Manchmal erschaffst du Musik für einen Soundtrack, die du wirklich genial findest, aber die auf wenig Gegenliebe stößt. Man muss das gewohnt werden, dass einem viele Ideen abgedreht werden, aber daraus lernt man viel für sich und seine Persönlichkeit. Mit den Erfahrungen wirst du stärker und selbstsicherer. Es ist aber okay, denn schlussendlich ist die eine Seite auch oft einfach nur eine Auftragsarbeit.

Wie wichtig ist eure Heimatstadt Glasgow für den Mogwai-Sound?
Das kann ich schwer sagen. Wir leben alle sehr gerne dort und die musikalische Community ist sehr unterstützend. Die Stadt ist sicher nicht für jeden etwas, aber wenn du einmal dort bist, dann fühlst du dich automatisch wohl.

Verändert das Familienleben, in dem ich ihr euch heute befindet, die tägliche Routine?
Nicht so wirklich. Man hat natürlich weniger Zeit um Musik zu machen, weil man überall benötigt wird und die Zeit gut organisieren muss, aber das ist auch gut so. Gegen das Erwachsenwerden kann ohnehin keiner was machen.

Wie sieht es eigentlich mit deinem zweiten Projekt Minor Victories aus? Gibt es da bald was Neues?
Derzeit passiert nichts, aber wir wollen auf jeden Fall ein neues Album machen. Wir wollen zudem 2018 wieder auf Tour gehen. Mit Mogwai werden wir weiterhin neue Projekte starten und auch wieder an einem Soundtrack arbeiten - mehr kann und darf ich dir derzeit auch nicht dazu sagen.

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