Kurz im Mittelpunkt

Kerns EU-Abschiedstour: Heimlich, still und leise

Österreich
20.10.2017 15:29

Während Sebastian Kurz in Brüssel schon wie ein Regierungschef begrüßt wurde, ging Noch-Bundeskanzler Christian Kern bei seinem vermutlich letzten EU-Gipfel auf Tauchstation. Er wich sämtlichen Fragen zur heimischen Innenpolitik aus, ging allen Journalisten aus dem Weg. Der ÖVP-Chef hat ihn nun endgültig auch auf dem internationalen Parkett verdrängt. Kern scheint sich mittlerweile mit seinem Abgang abgefunden zu haben.

Beim vergangenen Gipfel in der estnischen Hauptstadt Tallinn Ende September berichtete Kern noch von der "großen Sorge" Europas vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ. Und er meinte, wenn Österreich nur aus den europäischen Staats- und Regierungschefs bestehen würde, dann hätte die SPÖ die absolute Mehrheit.

Das Jahr 2000 mit den Sanktionen ist weit weg
Einerseits würde Kern nun sofort Rot-Blau machen, um seinen Kanzlersessel zu retten, andererseits machte der herzliche Empfang für ÖVP-Chef Kurz in Brüssel deutlich, dass die europäischen Bedenken wohl doch nicht so gewaltig sind. Das dürfte wohl auch das Ansinnen von Kurz gewesen sein: sich informell das O.K. der Europäischen Union für eine Koalition mit der FPÖ zu holen. Kurz wurde hofiert, umarmt, geküsst, freundlich behandelt. Ein kritisches oder mahnendes Wort war - zumindest laut und offiziell - nicht zu hören. Politische Beobachter sind sich sicher: Kommt Schwarz-Blau, werden die Reaktionen bei Weitem nicht so dramatisch werden wie im Jahr 2000, als Österreich zum Buhmann Europas geworden war und Brüssel Sanktionen verhängt hatte.

Baldiges Treffen von Kurz und Macron
Kurz gibt in Europa Vollgas. Nach seinem Antrittsbesuch in Brüssel will er nun so rasch als möglich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron treffen. In der Migrations- und Sicherheitspolitik gebe es viele gemeinsame Ansätze, so Kurz. In anderen Bereichen, etwa beim Macron-Vorschlag für einen Euro-Finanzminister, herrscht allerdings keine Übereinstimmung.

"Chancen für Rot-Blau im Promille-Bereich"
Kurz ist also bei der EU und den Regierungschefs angekommen. Christian Kern hingegen ist auf Abschiedstour. Und die gestaltete er leise und im Verborgenen. Es war nicht leicht, ihn bei diesem zweitägigen Gipfel überhaupt zu Gesicht zu bekommen, wenn doch, gab er sich wortkarg. Ein kurzes Statement am Freitag um halb ein Uhr in der Früh, ein paar Sätze kurz vor dem Abflug aus Brüssel. Viel mehr war vom Noch-Kanzler, der ganz offensichtlich nicht mit Fragen "belästigt" werden wollte, nicht zu hören. Als er gar nicht mehr auskam, meinte er, dass er die Chancen für Rot-Blau "im Tausendstel-Promille-Bereich" einstufen würde. Spekulationen über einen Wechsel an der SPÖ-Spitze bezeichnete er als "Allmachtsphantasien". Kern scheint sich mittlerweile aber schon mit seinem Abschied von der Regierung abgefunden zu haben. Auf die Frage, ob er mit Wehmut gehe, antwortete er kurz und bündig: "Nein."

EU will Finanzhilfen für die Türkei kürzen
Inhaltlich ging es beim EU-Gipfel einmal mehr um den Brexit und die Migrationsfrage. Angeführt von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel will die EU nun die Zahlungen für die Türkei drastisch zurückschrauben.

Doris Vettermann, Kronen Zeitung

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