Nach Freispruch

Kinder von steirischem Arzt wollen Richter klagen

Österreich
30.09.2017 19:02

Dieses Urteil lässt die Wogen hochgehen: Am Freitagabend wurde jener oststeirische Arzt und Bruder eines Spitzenpolitikers, dem jahrelanges psychisches Quälen seiner vier Kinder vorgeworfen wurde, am Grazer Straflandesgericht überraschend in allen Anklagepunkten freigesprochen. Während die Staatsanwaltschaft bis Montag entscheiden will, ob sie gegen das Urteil berufen wird, kündigte die Rechtsvertreterin der Opfer laut einem Medienbericht an, den vorsitzenden Richter klagen zu wollen.

Dem Arzt war unter anderem vorgeworfen worden, sich selbst vor den Augen der Kinder verletzt zu haben und sie dann gezwungen zu haben, ihm zu helfen. Richter Andreas Rom führte in seiner Urteilsbegründung aus: "Es ist zwar in der Familie viel passiert, aber aus den Akten und den heutigen Aussagen findet man keinen Anhaltspunkt, dass die Handlungen mit derartiger Intensität begangen wurden, dass es strafbar ist." Der Staatsanwalt hatte Freitagabend keine Erklärung abgegeben, wodurch das Urteil nicht rechtskräftig ist.

Opferanwältin sieht "enorm einseitige Prozessführung"
Der "Kurier" berichtete am Samstagabend von rechtlichen Schritten gegen Richter Andreas Rom. Demnach seien die Opfer des angesehenen Mediziners am Freitagabend nach der Urteilsverkündung zusammengebrochen. Zwei hätten sich in der Nacht sogar noch ins Krankenhaus begeben müssen, teilten ihre Vertreter mit. Andrea Peter, Anwältin der vier Kinder des Arztes, sprach laut dem Bericht von einer "enorm einseitigen Prozessführung".

Der Richter sei der Verteidigungslinie des Anwalts des Arztes gefolgt, "der immer wieder von einem 'Rosenkrieg' gesprochen" habe, so Peter. Strafbare Handlungen erkannte Rom nicht. "Beweisanträge, die den Arzt belasten, wurden vom Richter mehrfach abgelehnt. Die Gutachterin, die beim Arzt keine Persönlichkeitsstörung erkannt haben will, wurde gar nicht zur Gerichtsverhandlung geladen", kritisierte die Anwältin.

Weil der Arzt außerdem der Bruder eines heimischen Spitzenpolitikers ist, sei das Urteil für die Opfer "politisch motiviert". Der Richter hatte dies bei seiner Urteilsverkündung am Freitagabend entschieden zurückgewiesen. Er sei unparteiisch, betonte Rom am Grazer Straflandesgericht.

Man wolle nun eine Sachverhaltsdarstellung wegen Amtsmissbrauchs gegen Rom bei der Staatsanwaltschaft einbringen, kündigte Peter laut "Kurier" an. Außerdem hoffen die Opfervertreter, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch berufen wird. Die Entscheidung dazu soll am Montag fallen, dann werde es nach Ablauf der dreitägigen Frist Klarheit über die weitere Vorgangsweise geben, ob Rechtsmittel in Form einer Berufung eingelegt würden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Aussage des Richters "unbegreiflich und unfassbar"
"Erschüttert" zeigte sich indes auch der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (VAÖF) über das Urteil. Der Mann soll seine Frau bei jedem Trennungsversuch mit Selbstmorddrohungen unter Druck gesetzt haben, wurde argumentiert. Die Züchtigung von Frauen und Kindern sei in Österreich seit der Familienrechtsreform 1978 verboten, Nötigung und gefährliche Drohungen strafbare Handlungen. Vom Staatsanwalt und der Opferanwältin sei detailliert und nachvollziehbar aufgezeigt worden, dass der Mann das Leben seiner Kinder und Frau zerstört habe. Daher sei die Aussage des Richters "unbegreiflich und unfassbar und nicht akzeptabel".

Das Urteil sei laut VAÖF "ein Schritt in die juristische Steinzeit" und ein Beispiel dafür, dass Justiz und Staatsbedienstete Gewalt an Frauen und Kindern nach wie vor ignorierten und verharmlosten, nach 20 Jahren Gewaltschutzgesetze und Ratifizierung der Istanbul-Konvention. Bei letzterer handelt es sich um ein Übereinkommen des Europarats zur Vermeidung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sowie gegen häusliche Gewalt. Sie ist seit August 2014 in Kraft.

Verein fordert "Opferschutz statt Täterschutz"
Seitens des VAÖF forderte man "Opferschutz statt Täterschutz und daher einmal mehr verpflichtende Fortbildung und klare Richtlinien bei Gewalt in der Familie" für alle Richter und Justizbeamten sowie ein einjähriges Praktikum im Opferschutzbereich für alle angehenden Richter und Staatsbedienstete.

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