Unterwegs in China

Im Land der Hallelujah-Berge

Reisen & Urlaub
07.09.2017 13:35

Nicht nur Fans des Fantasy-Abenteuers "Avatar" werden von der Landschaft im südchinesischen Zhangjiajie fasziniert sein. Sie diente als Vorlage für den Film.

Nebelschwaden wabern um fremdartige grün bewaldete Bergspitzen. Mehr als 1000 Meter hoch über dem Boden sieht man das Tal nicht mehr. Die Luft ist feucht und warm, dampfig. Eine stille Weite, durchbrochen von unzähligen Steinnadeln, Säulen und Felskaminen in bizarrsten Formen, öffnet sich in alle Richtungen. Hör ich da ein Rauschen von Drachenflügeln? Oder das Flitschen eines Bogens?

So muss es wohl dem US-Regisseur James Cameron ("Titanic") ergangen sein, als er für seinen Blockbuster "Avatar - Aufbruch nach Pandora", der seit seinem Erscheinen 2009 der erfolgreichste Film aller Zeiten ist, im südchinesischen Zhangjiajie Nationalpark zwei Wochen drehte. Aus dem heutigen Weltnatur- und Weltkulturerbe der UNESCO, Wulingyuan in der Provinz Hunan, und der "Südlichen Himmelssäule", wie eine besonders beeindruckende Formation aus Quarzsand-Gestein eigentlich benannt ist, wurden die schwebenden "Hallelujah-Berge". Auch die Felsenbrücke im Hintergrund des Filmfotos gibt es wirklich.

FÜR DIE EINHEIMISCHEN symbolisieren die Felsen Darstellungen von Menschen, Tieren, Pflanzen und sogar Göttern: "Der Pflücker", "Der goldene Hahn, der bei Tagesanbruch kräht", die "Zehn-Meilen-Galerie", die ein Landschaftsszenario präsentiert, das wie aus einer gemalten Bilderreihe erscheint.

Längst ist die Region für den Tourismus erschlossen. Man gelangt mit einem kurzen Inlandsflug von Schanghai hierher, moderne Bus- und Bahnverbindungen sowie Hotels mit internationalem Standard wurden gebaut. Als Kontrast zu den archaischen Naturformen, die vor etwa 380 Millionen Jahren durch den Rückgang des Meerwassers entstanden sind, stehen technische Meisterleistungen wie der "Hundert-Drachen-Lift", der Bailong Elevator, der mit drei doppelstöckigen Glaskabinen am Felsen entlang 330 Meter hoch zu einem Aussichtspunkt führt. Er ist der höchste Outdoor-Aufzug der Welt. Oder die längste Seilbahn - sie überwindet etwa 7,5 Kilometer Länge in luftiger Höhe von mehr als 1200 Metern schwebend. In den Kabinen befinden sich Plaketten des österreichischen Unternehmens Doppelmayr.

Ein weiteres Bauwerk der Superlative: die 430 Meter lange und 300 Meter hohe Glasbrücke, welche über den Zhangjiajie Grand Canyon führt, weltweit die längste und höchste ihrer Art. Durch die Glasfenster am Boden sieht man in die Schlucht hinunter, an den Felswänden entlang. Wer den Kopf zum Himmel hebt, kann sich vorstellen zu schweben. Viele legen sich auf die Glasplatten und machen ein Selfie von sich und dem Abgrund. Das Foto sieht spektakulär aus - der seltsame Vorgang weniger. Das nimmt dann auch bei Menschen mit Höhenangst ein wenig den Druck.

Die Sehenswürdigkeiten sind gut gesichert, auch die befestigten Wege durch den Nationalpark. Gute Schuhe und Kondition sollte man allerdings mitbringen, es sind unzählige Stufen zu bewältigen. Als beliebtes Ziel für chinesische Reisegruppen, die fotografierwütig zu jeder Plattform drängen, herrscht reger Betrieb auf den schmalen Pfaden.

RUNDREISENDE HABEN zu diesem Zeitpunkt schon die städtischen Eindrücke aus Schanghai hinter sich gelassen, mittlerweile eine der bedeutendsten Industriemetropolen der Welt mit mehr Wolkenkratzern als in New York. Trotzdem kann man hier auch noch historische Viertel finden, etwa im "French Quarter", wo ein verwinkelter Markt mit kleinen Imbissbuden und allerlei chinesischem Kitsch lockt, beim buddhistischen Longhua-Tempel oder im 400 Jahre alten Yu-Garten aus der Ming-Dynastie mit seinem berühmten Teehaus.

Mit Flugzeug und Hochgeschwindigkeitszug geht es zu den malerischen Ufern des Li- und Yulong-Flusses in die Region Guilin nach Yangshuo. Feuchtglänzende Reisfelder, Wasserbüffel, riesige Bambusbäume, die dunkelgrüne Schatten auf das Wasser werfen, Reisbauern mit spitzen Strohhüten - das alles lässt sich mit dem (Elektro-)Fahrrad und zweisitzigem Floss, das von einem Bootsführer mit der Bambusstange gelenkt wird, gemütlich erkunden.

GESCHÄFTIGES, LAUTES HANDELTREIBEN dominiert hingegen auf dem großen Markt, die beste Destination für Souvenirjäger. Achtung, es werden viele gefälschte "Marken"-Artikel angeboten. Krokodilsköpfe, Frösche, Schönheitsmasken aus Schneckenschleim für blassen Teint usw. eignen sich nur als Fotomotiv. Dagegen empfiehlt sich der Kauf von Osmantus-Tee aus den Blättern der Zimtstaude, dem Heilkraft zugeschrieben wird, Seidenschals, Kämmen und Jadeschmuck.

Wer gerne Geschmacksexperimente absolviert, wird hier auf seine Kosten kommen. Ansonsten bestellt man besser "Hot Pot", heiße Suppe, in der auf dem Tisch Fleisch, Fisch und Gemüse gegart werden. Die Südchinesen sind selbst bei ihren Landsleuten berühmt-berüchtigt dafür, dass alles auf ihren Tellern landet, was nur irgendwie genießbar ist. Mittlerweile hat es sich aber auch dort herumgesprochen, dass wir "exotische" Europäer Hunde und Katzen ausschließlich als geliebte Mitbewohner betrachten.

Hongkong darf als krönender Abschluss einer Reise durch Südchina gelten, auch wenn die Metropole für die Normalbevölkerung immer noch verbotene Zone ist. Am besten erlebt man die Stadt vom Schiff aus bei einer Hafenrundfahrt und von der 360-Grad-Terrasse vom Hausberg, The Peak, aus, die bequem mit einer Drahtseilbahn erreichbar ist. Auch hier wieder ein Ausflug ins Buch der Rekorde: Es handelt sich um die steilste Drahtseilbahn der Welt. Chinas Leitspruch dieser Tage dürfte wohl "höher, weiter, schneller" lauten. Oder sogar drüber hinaus.

Karin Podolak, Kronen Zeitung

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