Waren das noch Zeiten, als Automobile aus Steyr stolz durch alle Welt kutschierten - und sich Frauen 1936 sogar ein "Steyr-Baby" wünschten. Und sogar ein "gewisser" Enzo Ferrari auf die Qualität, Verlässlichkeit und Schnelligkeit aus Steyr vertraute. . .
Ältere Semester erinnern sich mit verklärten Augen an den verlässlichen Steyr-Puch 500, der ab 1957 durch Stadt und Land kutschierte. Doch die stolze und heute weitgehend in Vergessenheit geratene Steyrer Automobilgeschichte ist weitaus älter und umfasst viele Kapitel. DDr. Karl-Heinz Rauscher hat sie mit seinem Buch "Das Steyr Baby und seine Verwandten" wachgeküsst. Als Vorstandssprecher des Steyrer Nutzfahrzeugherstellers MAN Truck & Bus ist der 57-jährige Steyrer für dieses Thema ein Berufener.
Weitblick nach dem Krieg
Rauschers Story beginnt in der Waffenfabrik Werndl, dem Vorgänger der Steyr-Werke. Deren Management vor 100 Jahren, mitten im Ersten Weltkrieg und in der Blütezeit der Waffenproduktion, Weitblick bewies und die Frage "Was produzieren wir nach dem Krieg?" mit "Autos" beantwortet. Schon 1920 begann unter Hans Ledwinka, später zum Automobil-Pionier von Steyr geadelt, die Serienproduktion des in so kurzer Zeit entwickelten ersten Steyrer Waffenautos. Mit 40 PS und 100 km/h Höchstgeschwindigkeit damals eine technische Meisterleistung mit fast 100-prozentiger Wertschöpfung. Nur Batterie und Reifen waren nicht "Made in Steyr". Nur zwei Jahre später folgte mit dem ersten Lkw der zweite Coup.
Steyrer im Rennsport
Mit schnellen "Flitzern" stiegen die Steyrer auch in den Rennsport ein. Was heute etwa die Formel-1, war seinerzeit die über 432 Kilometer führende "Targa Florio" in Italien. Otto Hieronimus pilotierte 1922 beim härtesten Bergrennen der Welt in der Dreiliterklasse seinen Steyr-Boliden nach sieben Stunden und 15 Minuten als Erster über die Ziellinie. Auch ein "gewisser" Enzo Ferrari vertraute auf die Qualität, Verlässlichkeit und Schnelligkeit aus Steyr.
Hitler beim "Steyr-Baby"
Weltweite Aufmerksamkeit glückte auch im Jahr 1936 mit dem "Steyr Baby", wie der Volkswagen Typ 50 getauft wurde. Nicht nur neugierig soll Adolf Hitler auf der Automobilausstellung in Berlin die revolutionäre Entwicklung aus Steyr inspiziert haben, sondern auch widerwillig. "Weil sie eine unliebsame Konkurrenz für das nicht in die Gänge kommende Volkswagenprojekt der Nazis war", so Rauscher. Das NS-Regime ließ deshalb 1938 die Produktion einstellen - 13.000 "Steyr Babys" waren bis dahin verkauft. Auch dank der damals aufsehenerregenden Werbung mit einer Frau und ihrem Sager: "Ich möcht’ von dir ein Baby - ein Steyr-Baby!"
Ende einer stolzen Ära
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs drehte sich das Rad zurück zum Ursprung: Statt Autos mussten wieder Waffen produziert werden. Nach 1945 baute die Fahrzeugfabrik der Steyr-Daimler-Puch AG Lkw, die nach Kriegsende dringend benötigt wurden. Und zwar bis zur 1990 erfolgten Übernahme durch den deutschen Nutzfahrzeugehersteller MAN Truck & Bus. Für den Fiat-Konzern wurden nach Abschluss eines Assemblierungsvertrags ab 1949 die aus Turin angelieferten Modelle mit im Steyrer Werk produzierten Hinterachsen und auch mit einem 70 PS-Motor fertig montiert. Die eigene Pkw-Produktion wurde nicht wieder aufgenommen. 1955 wurden alle Aktivitäten für den Kleinwagen Steyr-Puch 500 nach Graz verlegt. Das Ende einer stolzen Ära. . .
Max Stöger/Kronen Zeitung
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