Unfalldrama

Nach Fluchttrauma nun auch den Sohn verloren

Oberösterreich
18.04.2017 16:40

Der Tod des kleinen Mohammad überschattet weiterhin den Alltag in der Gemeinde Vorderweißenbach. Das Mitgefühl für die vom Schicksal so schwer getroffene Flüchtlingsfamilie ist groß. Die Bürger bangen aber auch um Hermann M. (67), der vor Aufregung einen Herzstillstand erlitt.

"Es ist unfassbar - das Ausmaß der Tragödie übersteigt die eigene Vorstellungskraft", sagt Erich K., dessen Familie seit Dezember 2016 regen Kontakt zu Mohammad, dessen drei Schwestern sowie den Eltern pflegte. "Der Kleine ist auch mehrmals bei uns gewesen, meine Töchter sind mit seinen Schwestern befreundet", so K.
Nach dem Unglück am Karsamstag habe sich auch Mohammads älteste Schwester telefonisch gemeldet und erzählt, was unweit ihres Wohnhauses Schreckliches passiert sei. Das afghanische Mädchen berichtete, dass sich der Zweijährige am Heimweg vom Spielplatz plötzlich neben dem Tennisplatz auf den Straßenrand gelegt hatte, weil er sich den Himmel anschauen wollte. Zum gleichen Zeitpunkt wollte dort jedoch der Elektrotechniker Stefan K. (29) mit einem Kleinbus rückwärts ausparken. Auf die Warnrufe von Schwester Narges (12) reagierte der Flüchtlingsbub nicht. Mohammad wurde im Becken- und Bauchbereich überrollt.

Traumatische Vorgeschichte
Ein Großaufgebot an Ärzten und Rettungskräften konnte ihm nicht helfen. Die Schreckensschreie der Mutter waren im ganzen Ort zu hören. Die Familie soll bereits in Afghanistan und später auch auf der Flucht Tote gesehen und Traumatisches erlebt haben. Sie muss nun psychologisch betreut werden. Laut Dr. Alexandra Fuchs, Chefin der Abteilung für Klinische Psychologie in der Uniklinik Linz, braucht es vor allem Zeit und Geduld, um über derart belastende Erlebnisse hinwegkommen zu können - siehe Interview.  
Die Aufregung über das Unglück wurde auch dem 67-jährigen Nachbarn Hermann M. zu viel. Er erlitt einen Herzstillstand, konnte aber reanimiert werden. "Die Lebensgefahr ist leider noch nicht gebannt", heißt es dazu aus dem Spital.

Jürgen Pachner, Kronen Zeitung

"Dem Leben wieder Sinn abgewinnen"
Dr. Alexandra Fuchs leitet die Klinische Psychologie an der Linzer Uniklinik. Sie erklärt, wie Trauma-Betroffene unterstützt werden können.

Wie reagieren Menschen auf außergewöhnlich belastende Erlebnisse?
Das ist unterschiedlich. Normal ist, dass entweder sofort oder später starke emotionale oder körperliche Reaktionen auftreten.

In welcher Form kommen diese dann zum Ausbruch?
Häufige Stress-Symptome wären beispielsweise Wut, Angst, Panik, Gereiztheit, Niedergeschlagenheit, Müdigkeit oder Übelkeit. Es können auch Kopfschmerzen, Weinanfälle, Schlaflosigkeit oder Appetitverluste auftreten.

Wie können die Angehörigen oder Freunde helfen?
Indem sie mit den Betroffenen Zeit verbringen, mit ihnen sprechen, ihnen zuhören und sie unterstützen. Und indem sie Wut und Aggressionen keinesfalls persönlich nehmen.

Können die Betroffenen selbst auch etwas tun?
Sie sollten versuchen, ihren normalen Tages- und Wochenrhythmus einigermaßen beizubehalten. Nach der Akutphase wäre wichtig, dem Leben wieder Sinn abzugewinnen.

Interview: Jürgen Pachner

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