Reportage

Ein “Liftler” aus Afghanistan

Tirol
16.01.2017 15:40

Was hat ein junger Afghane mit Skifahren oder einem Schlepplift am Hut? Nichts? Asylwerber Zakaria (19) beweist im Außerfern das Gegenteil!

Der kleine aber feine Waldrastlift am Fuße der Ruine Ehrenberg - viele Generationen wagten dort ihre ersten Schwünge auf Skiern. 2014 stand die Traditionsanlage in Ehenbichl vor dem Aus - ausbleibende Gäste und jährliche Abgänge von bis zu 50.000 Euro zwangen den Tourismusverband Reutte als Eigentümer dazu, endgültig einen Schlussstrich zu ziehen. Doch die Rettung folgte prompt - die Gemeinde Ehenbichl stieg als Betreiber ein und teilt sich seither die Kosten mit drei Nachbargemeinden.

Die Waldrast, wie der Kleinlift im Volksmund genannt wird, ist eben für die meisten Dorfbewohner eine Herzensangelegenheit. Jahr für Jahr finden sich zahlreiche ehrenamtliche Helfer, um vor allem für den Nachwuchs, aber auch für Vereine eine renntaugliche Piste zu zaubern. Mit Erfolg: Einmal mehr war der kleine Waldrastlift heuer die erste Anlage im Reuttener Talkessel, die in Betrieb gehen konnte.

Mittendrin statt nur dabei: Zakaria, ein junger afghanischer Asylwerber (19), der seit acht Monaten in Reutte lebt. Seine Hauptaufgabe: Liftwart. Im kleinen Holzhäuschen hat er stets ein wachsames Auge auf die Liftspur, damit auch jeder Skifahrer sicher und heil oben ankommt. "Ab und zu stürzen Kinder, da muss ich dann sofort den Lift anhalten, damit sich keiner weh tut", erklärt der Afghane in gutem Deutsch. "Die Arbeit gefällt mir sehr gut. Es macht großen Spaß und ist viel besser, als nur langweilig daheim herumzusitzen."

"Ein echtes Naturtalent"

Aber auch Zakaria selbst muss freilich erst auf Skiern zu seinem Arbeitsplatz kommen. Und das meistert er mittlerweile mit Bravour! Heinz Brutscher, Vize-BM und Chef des Ehenbichler Skiclubs, brachte dem jungen Asylwerber das Skifahren bei. "Nach zwei, drei Tagen klappte es schon recht gut", betont Zakaria stolz. "Er düst schon ganz nett die Pisten herunter, ein echtes Naturtalent", sind sich viele Stammgäste einig.

Auch Dorfchef Wolfgang Winkler, der vor der Saison gemeinsam mit Brutscher und Dorfbewohner Peter Lorenz die Betriebsleiter-Prüfung für Schleppliftanlagen absolvierte, ist von "seinem" Mitarbeiter angetan: "Er ist sehr fleißig und wird mit seiner Aufgabe im gesellschaftlichen Leben sehr gut integriert. Schließlich gibt es für einen Asylwerber wohl nichts Schlimmeres, als daheim zum Nichtstun verurteilt zu sein."

"Win-win-Situation"

Zakaria verrichtet an der Waldrast eine gemeinnützige Tätigkeit, erhält - wie für Asylwerber vorgesehen - 3 Euro pro Stunde. "Ein Lift wie dieser wirft nie Gewinne ab, müssten wir einen Mitarbeiter anstellen, wäre ein Betrieb gar nicht möglich. Eine klassische Win-win-Situation für alle also", erklärt BM Winkler abschließend.

Hubert Rauth, Kronen Zeitung

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