Opernkritik

Roméo et Juliette: Ohrenschmaus aus Downton Abbey

Steiermark
06.11.2016 21:00

Die großen Liebespaare haben es den Grazer Bühnen diese Saison angetan. Nach Tristan und Isolde gibt es in der Oper Romeo und Julia als sehr französisches Geturtel. Charles Gounod hat Szenen aus Shakespeares Drama in ein empfindsames Kammerspiel verwandelt, das auch hier von zwei blendenden Sängern lebt.

Manche Inszenierungen von Goundos Oper erwecken den Eindruck, es handle sich dabei um ein verschwenderisch opulentes Schau-Stück. Doch trotz Festivitäten und großen Balletts - "Roméo et Juliette" ist ein Kammerspiel, ein in die Länge gestrecktes, einziges Liebesduett, dessen Intimität von ein paar bunten Szenen aufgelockert wird.

So benötigt man vor allem zwei Sänger, welche ihre Duette und Arien mit leidenschaftlicher Intensität und Stimmbravour meistern - Graz verfügt darüber. Sophia Brommer und Kyungho Kim geben dem Publikum kalt-warm: Kim, der hier schon als Tamino gastierte, könnte eine Karriere jenseits des Mozart-Fachs bevorstehen. Seine Stimme ist zwar nicht sehr individuell, doch sie klingt angenehm frei, strahlt fein metallisch, aber nicht allzu hell. Der Sänger setzt fulminante Spitzentöne und bemüht sich zumindest um Differenzierung bei Ausdruck, Lautstärke und Farbe. Der warme Konterpart ist Sophia Brommer, deren lyrischer Sopran mit Karamell- und Rubin-Noten aufwartet und erst in der extremen Lage ein wenig von seiner Anmut einbüßt.

Eine bitterzarte, romantische Liebesgeschichte
Wie elegant und intim die Musik gemeint ist, hört man meistens auch beim Dirigenten Robin Engelen, der aus Gounods Stück kein knalliges Breitwand-Drama in grellem Technicolor macht, sondern die Grazer Philharmoniker eine bitterzarte, romantische Liebesgeschichte bebildern lässt.

Das Orchester muss gleichsam für den Regisseur einspringen, liefert Ben Baur doch über weite Strecken Noblesse und gepflegte Langeweile ab. Er überträgt den Konflikt zweier verfeindeter Familienclans auf die Ressentiments zwischen Herr- und Dienerschaft und erzählt eine unbotmäßige Romanze aus dem viktorianischen Zeitalter. Das ist nun wahrlich abgedroschen und verkleinert Shakespeare auf die Größe des Groschenromans. Allerdings eines edel aufgemachten, ganz in der Manier der großartigen TV-Soap "Downton Abbey".

Viel Lob für das Ensemble
Eine runde Ziegelmauer, die wohl nicht von ungefähr an einen Gefängnishof erinnert (und sich - Achtung, Symbolik! - zum Finale hebt) und viel Kerzenlicht sowie elegante Kostüme, das war es dann im Großen und Ganzen auch schon. Nur im für eine Pariser Oper obligatorischen Ballett manifestieren sich Julias Leid und Unterdrückung in surrealistischen Albtraumbildern. Hervorragend dabei: die Tänzer Irena Panzenböck, Lucie Horná und William John Banks.

Keine Ausfälle gibt es in den kleineren Partien, wobei Dshamilja Kaiser für die Gertrude mittlerweile eine Luxusbesetzung darstellt. Dariusz Perczak (Mercutio) hat seine starken Momente, ebenso wie Markus Butter (Capulet), Anna Brull (Stéphano) und Peter Kellner (Bruder Laurent). Dazwischen darf Taylan Reinhard als grandios unsympathischer, blasierter Intrigant Tybalt herumtrippeln.

Ein Abend, der nicht weh tut
Das Publikum dankte dem Ohren- und (partiellen) Augenschmaus mit starkem Jubel, es ist ja auch tatsächlich ein angenehmer Abend, der trotz allfälliger Rührung nicht wirklich weh tut. Die existenzielle Wucht dieses Dramas, die wilde Verzweiflung geht im lauwarmen Spiel um Standesdünkel mitunter freilich flöten.

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