"Krone"-Interview

Gregory Porter”: Mich kann nur wenig überraschen”

Musik
27.10.2016 13:56

Als ihm mit seinem zweiten Album "Liquid Spirit" der breitflächige Durchbruch gelang, war er schon jenseits der 40, doch das tat einer auch weiterhin rasant nach oben verlaufenden Karriere keinen Abbruch. Der Kalifornier Gregory Porter gehört zu den bekanntesten und intensivsten zeitgenössischen Jazz-Stimmen und erreicht aufgrund seiner fehlenden Berührungsängste auch die jüngere Generation. Vor seinen zwei Österreich-Gastspielen in Salzburg und Wien sprach der sympathische Mützenträger mit uns über seine aufregende Kindheit, die gegenwärtigen Rassenprobleme in den USA und wieso das Genre Jazz seine Angst vor moderner Popkultur verlieren sollte.

(Bild: kmm)

"Krone": Gregory, du bist einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass der Jazz auch wieder für ein jüngeres Publikum salonfähig wird. Siehst du das ähnlich?
Gregory Porter: Viele andere und ich zeigen den Plattenfirmen und auch vielen Hörern mit Sicherheit, dass es auch einen leichtfüßigeren Zugang zu Jazz und jazzbasierter Musik gibt. Der Jazz ist nicht ausgestorben oder veraltet und es tut gut, ein Teil dieser Bewegung zu sein, die ihn frisch halten.

Mit deinem zweiten Album "Liquid Spirit" hattest du den großen Durchbruch, der dich sehr schnell an die Spitze des Genres katapultierte.
Das war natürlich etwas überraschend, aber fühlt sich noch heute großartig an. Ich und meine Musik wurden von einer großen Masse akzeptiert. Schon allein das Albumaufnehmen war ein Traum, den ich mir erfüllt habe. Der Erfolg ist dann quasi noch die Süßkirsche obendrauf.

Hat dieser Erfolg dein Leben oder deine Persönlichkeit nachhaltig verändert?
Mein Leben hat er natürlich verändert. Ich arbeite viel mehr und habe ganz andere Möglichkeiten, meinen Sound und meine Wünsche umzusetzen. Diese Chancen waren mir früher nicht immer gegeben. Ich habe dadurch weniger Zeit, richtig perfektionistisch meinen Willen bis ins letzte Detail durchzusetzen, aber das ist auch wieder ein durchaus interessanter, kreativer Ansatz. Persönlich bin ich wohl noch optimistischer als früher. Ich reise sehr viel und sehe nicht immer nur gute Dinge. Aber egal wo auf diesem Planeten ich unterwegs bin oder mich aufhalte - es gibt überall Menschen mit einer positiven, lebensbejahenden Einstellung.

Was ist deiner Meinung nach der Grund dafür, dass du in Europa wesentlich populärer bist als bei dir zuhause in den USA?
Das hat einerseits natürlich mit der Promotion meines Labels zu tun, aber ein junger schwarzer Jazz-Künstler ist in den USA vielleicht geläufiger als in Europa. Der Markt in Amerika ist übersättigt mit Künstlern und Bands, die von der Musikindustrie zum kommerziellen Erfolg hingezüchtet werden. Manchmal ist es gar nicht so leicht, mit meiner Art von Musik durchzudringen, aber das europäische Publikum gab mir diese Chance und ließ mich Erfolge feiern. Ich habe natürlich auch in den USA sehr gute Verkaufszahlen und einen Grammy gewonnen, aber Europa ist eher meine musikalische Heimat.

Du kennst auch keine Berührungsängste mit Musikern wie dem Electronic-Duo Disclosure oder DJ Claptone, die mit dir an deinem aktuellen Album "Take Me To The Alley" gearbeitet haben. Was halten konservative Jazz-Musiker und -Fans davon?
Die, die mit mir darüber reden, finden das großartig. Mich fragen auch viele Musiker, wie ich auf diese Ideen komme und welche Effekte diese Kollaborationen haben. (lacht) Diese Genremixtur ist sicher auch ein Teil meines Puzzles, denn mitunter auch dadurch konnte ich bislang Millionen meiner Alben verkaufen. Das klingt ja nicht so schlecht. (lacht)

Gibt es noch andere musikalische Pfade, die du in näherer Zukunft betreten möchtest?
Ich will einfach weiterhin mit einem offenen Geist durch die Welt gehen, spezielle Pläne habe ich selten. Ich komme aus dem Gospel-Bereich und ich glaube, es gibt noch genug Platz, um mit traditionellen Blues-Künstlern zu arbeiten. Ich habe schon mit einem Gospel-Künstler gearbeitet, aber manchmal kommt mir auch der Gedanke, quasi "rassenübergreifend" zu arbeiten. Ich würde furchtbar gerne mit einem Country/Western-Musiker zusammenarbeiten. Songs von mir wie "Hey Laura" oder "Water Under Bridges" sind schon aus diesem Bereich beeinflusst. Die Zac Brown Band würde mir dazu einfallen - vielleicht liest er das ja. (lacht)

Ursprünglich hast du auf Anraten deiner Mutter als Gospel-Sänger in Kirchen begonnen. Welchen Einfluss hat diese musikalisch-frühkindliche Erziehung auf dein weiteres künstlerisches Schaffen?
Das war extrem wichtig und beeinflusst mich noch heute und sicher auch in Zukunft. Wenn ich einen Platz mit viel Seele und geistiger Tiefe suche, dann denke ich automatisch an meine Kindheit und den Gospel, der in Kirchen vorgetragen wurde.

Du bist eines von insgesamt acht Geschwistern. Lernt man da schon früh eine Art von Ellbogentechnik, die man im harten Musikgeschäft gut brauchen kann?
Ich denke schon. Der Vorteil dabei ist, dass man schon sehr früh mit allen möglichen Arten von Persönlichkeiten zu tun hat und sich nicht so leicht aus dem Konzept bringen lässt. Mich kann nur mehr wenig überraschen. Bei uns war immer etwas los, es war daheim eigentlich nie ruhig. Jeder von uns war sein ganz eigener Typ und wenn man mit so vielen Geschwistern aufwächst, wird man definitiv geduldig. Ich kann sehr gut mit großen Menschengruppen arbeiten, würde mich auf jeden Fall als Teamplayer bezeichnen. Ansonsten könntest du in so einer Familie nicht existieren.

Als dein großer Erfolg eintrat, warst du schon rund um deinen 40er. Hast du eigentlich noch damit gerechnet oder früher nach dem Erfolg gesucht?
Ich hatte immer den Glauben, dass ich mit meinem Handwerk Erfolg haben könnte. Ich habe viele Duette gesungen, war in Fernsehsendungen und habe dann eben mit Künstlern wie Disclosure gearbeitet - das sind die Dinge, die ich mir nicht vorstellen konnte. Es ist großartig, aber mit so etwas kann man nicht rechnen.

Ist es dir wichtig, dass du zeitgemäß klingst?
In all den Dingen, die ich bis jetzt gemacht habe, wirst du einen konstanten Strom dessen finden, das mich definiert. Meine Musik klingt einfach nach Gregory Porter - auch wenn ich verschiedene Richtungen einschlage und mit verschiedenen Menschen arbeite. Ich will einfach einen gefühlvollen Ausdruck liefern und mich möglichst wenig selbst wiederholen. Das ist mir wichtig.

Was ist die Essenz eines Gregory Porter-Songs?
Ich versuche über die Liebe und gegenseitigen Respekt zu singen. Das sind die wichtigsten Bereiche, die ich mit meinen Songs anschneide. Es geht auch um das Auf und Ab im Leben, einfach um den Alltag.

Was dir innewohnt, ist auch eine klar politische Haltung. Du beziehst in deinen Songs oft Stellung zum Thema Rassismus. Ist das heute wichtiger als je zuvor, wo es scheint, als ob die USA und auch Europa wieder zusehends in radikale Muster zu verfallen scheinen?
Das ist richtig so. Man muss auch die richtigen Wörter finden, die das Gemeinschaftliche und den Frieden hervorkehren. Es geht um das Verständnis, das uns langsam verloren geht. Es ist für viele Politiker derzeit einfach, aus der Frustration einen Vorteil zu ziehen, aber ich bemerke, dass die Leute langsam bereit dazu sind, sich genauere Gedanken über die Probleme zu machen.

Vor einigen Jahren feierte die ganze Welt den damals neuen US-Präsident Barack Obama - er war das erste schwarze Oberhaupt der USA, aber seitdem scheint sich in diesem Bereich wieder vieles zurück zu entwickeln. Wie ist das möglich?
Ich denke, diese Haltung wurde in den Menschen provoziert. Wir Schwarzen wussten immer, dass es viele Menschen gibt, bei denen es innerlich brodelt und die Probleme mit uns haben. Wir haben es verabsäumt, mit diesen Leuten früher in einen Dialog zu treten und uns alle näher zusammen zu bringen. Jetzt breiten sie sich aus und haben einen Anführer - was auch immer Donald Trump sagt, es weckt förmlich jeden rassistischen Teil innerhalb der Menschen auf. Die große Frage jetzt ist eben: Schaffen wir es, den Geist wieder zurück in die Flasche zu stopfen oder sehen wir zu, wie sich diese Haltung immer weiter ausbreitet? Meine Mutter hat mir da eine wichtige Lebensweisheit auf den Weg gegeben. Sie wollte immer wissen, wer sie nicht mag. Nur wenn du das weißt, kannst du mit der Person in einen Dialog treten und die Gründe hinterfragen. Wenn du nur das Mysterium hinter Mobbing oder Anfeindung kennst, dann kommst du nie an den Kern des Problems.

Du bist aus Los Angeles - wie hast du die Unruhen 1992 erlebt?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich auf einem College-Campus durch die Gegend gelaufen bin, als all das ins Rollen kam. Mich hat das einfach irrsinnig traurig gemacht. Es gibt tatsächlich erschreckend viele Parallelen zu den Zuständen, die teilweise heute in den USA herrschen. Der Song "Fan The Flames" ist eine Hommage an den gewaltlosen Protest, der in den 60er-Jahren ausgetragen wurde und der sehr wichtig für das Zusammenleben unter den verschiedenen Rassengruppen war.

Wäre es für dich interessant, einmal in die Politik zu gehen um selbst etwas bewirken zu können?
Das hat unlängst schon jemand auf den Tisch gebracht und es könnte schon einmal passieren. Man sollte niemals nie sagen. (lacht)

Wäre es für die US-Bevölkerung nicht manchmal einfacher, wenn sie zwischen mehr als nur zwei Parteien wählen könnte?
Es sollte auf jeden Fall mehr Parteien geben, damit die Leute auch mehr Auswahlmöglichkeiten haben. Die Menschen in den USA sind so extrem polarisiert und das ist mitunter auch ein Problem der Zweiparteienlandschaft. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt und niemand hört dem anderen mehr zu. Alles nimmt in diesem Bereich eine bedenkliche Entwicklung an.

Du spielst im November zwei Konzerte in Österreich. Am 22. November im Haus für Mozart in Salzburg und am 23. November im Wiener MuseumsQuartier. Hast du eigentlich einen Zugang zu Klassischer Musik und den großen österreichischen Komponisten?
Das sind die großen Meister der Musik. Ich liebe Klassische Musik, würde mich aber niemals mit diesen Größen vergleichen. Die Klassische Musik dringt immer ganz tief in meinen Geist vor, ich kann dazu richtiggehend meditieren. Die Wirkung dieser Menschen und ihrer Kunst ist unglaublich.

Wie geht es bei dir nach dieser Tour weiter?
Ich werde weiterhin mit dem diesem Album touren und schreibe bereits am nächsten Werk. Ich habe schon die ersten Ideen. Das ist meine Aufgabe auf dieser Welt - ich verarbeite die Eindrücke meines Lebens und singe darüber.

Wer die unvergleichliche Stimmgewalt von Gregory Porter live sehen möchte, der hat dazu zwei Gelegenheit in Österreich. Am 22. November im Haus für Mozart in Salzburg und tags darauf im Wiener MuseumsQuartier. Alle Infos und Karten finden Sie unter www.gregoryporter.com.

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