Erobert im Sturm

Wie Andreas Gabalier die Massen begeistert

Adabei
07.08.2016 06:00

Einem Phänomen auf der Spur: Wie Andreas Gabalier (31) auch international die Massen begeistert. Plus: das Interview mit Gabalier zum Konzert und seinem provokanten Sager, "dieses Land geht den Bach runter".

Es waren 70.000 Menschen an einem Ort. 70.000 Menschen als eine Großfamilie. 70.000 Menschen - keine Ausschreitungen. Und 70.000 Menschen folgten einem Hype: Andreas Gabalier. Bei ähnlich denkwürdigen Auftritten fällt Musikhistorikern eigentlich nur Falcos Donauinselshow, anno 1993, ein. Damals waren 150.000 Zuschauer dabei. Doch Vorsicht, der Vergleich hinkt. Denn bei Gabalier im Münchner Olympiastadion waren es zwar nur knapp die Hälfte an Fans. Aber sie alle waren "zahlende Kundschaft". Falco gab seinerzeit ein Konzert bei freiem Eintritt.

Kein Österreicher zuvor (und selbst die Rolling Stones lockten dort nur 60.000 an) vermochte das zu schaffen, was dem 31-jährigen Grazer am Samstag vor einer Woche in München gelungen ist: ein ausverkauftes Großkonzert in Zeiten von YouTube, Wirtschaftskrise und Terrorangst.

"Das findet statt. Punkt!", diktierte der Steirer der Journaille im Vorfeld - und hielt Wort. "Es wäre gelogen zu sagen, dass die Bedrohung nicht deutlich spürbar gewesen wäre", erzählt sein Agent Sepp Adlmann. Kreisende Hubschrauber über dem Stadion, eigene Fluchtpläne durch die Katakomben des Baus für den Künstler. "Die Anspannung war da. Der Amoklauf, der kurz davor erst geschah, auch der Münchner Polizei anmerkbar."

Was die Menschen dennoch ihre Sorgen vergessen ließ und was eigentlich ihr geradezu religiöses Bekenntnis zum Künstler, im Unterschied zu anderen, man ist schon fast geneigt zu sagen, normalen Musikern auslöste? "Er ist ein Schelm. Er sagt viel von dem, was sich andere denken, aber nicht trauen zu sagen. Er tut das mit Schmäh, Charme und Hirn. Vor allem ist er einer von uns", sagt der Erfinder der Idee, sich mit Volks Rock’n’Roll in die bajuwarische Arena zu trauen, Manager Klaus Bartelmuss. Auch fügt er hinzu, dass eigentlich nur der Himmel das Limit des ultimativen Erfolges hätte sein können: "Dazu sage ich nur, dass genau so auch rund 120.000 verkaufte Tickets realistisch gewesen wären."

Ohne das Schlagwort Authentizität in diesem Zusammenhang zu oft bemühen zu wollen, doch sie scheint einer, wenn nicht sogar der Schlüssel des Erfolges zu sein. Denn bei all dem Rummel und der Euphorie der Gabalier-Jünger (und in der Tat boten die Zuschauer bei dem Spektakel solche Bilder, die stark daran erinnern) entging aufmerksamen Beobachtern nicht, dass Andreas' ganze Familie versammelt antrat. "Wobei das nicht alle waren. Denn ein enger Verwandter ist an dem Samstag begraben worden - das war bei uns daheim ein Staatsakt", erzählt Andreas Gabalier im "Krone"-Gespräch.

Nichtsdestotrotz: Sowohl seine Partnerin, Moderatorin Silvia Schneider, als auch seine beiden Brüder, Tanz-Profi Willi und der medienscheue Toni, waren dabei. Nicht zu vergessen Mutter Huberta, die mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Gert kam. Der neue Partner in ihrem Leben (Gabaliers leiblicher Vater schied auf äußerst dramatische Weise durch Suizid aus dem Leben; genau wie seine Schwester) und sein berühmter Stiefsohn begegneten sich auf Augenhöhe. Kumpelhaft. Während Huberta beim Konzert mit leuchtenden Augen an den Lippen ihres Sohnes förmlich hing, obwohl der nur noch stecknadelgroß erkennbar auf der gigantischen Bühne stand und dabei die Massen antrieb. "Das ist Andis großes Talent. Und ich bin mir auch sicher, dass jemand auf ihn und auf uns heute aufpasst und zuschaut", erklärte die tiefgläubige Frau, bevor sie sich in den Textzeilen seiner Hits wie "I sing a Liad für di" verlor.

Wem die Show rein optisch bombastisch vorkam, den trog der Schein nicht. "Das hat natürlich seinen Preis", sagt Schatzmeister Bartelmuss. Mit Videoeinspielern, einer aufwendigen Pyroshow sowie einer Licht- und Lasershow, komplett abgestimmt auf die One-Man-Show des Mountain Man, brachte man die Fans geradezu in Ekstase.

Da nur von Volksfeststimmung zu sprechen, wäre in diesem Fall deutlich untertrieben gewesen. Jeder Aufruf des Stars wurde mit Jubel und Beifall quittiert. 70.000 Menschen als echte Bewegung. Und zwar eine Masse aus Fans und deren Klubs, definitiv mit dem Zeug zu den von Sigmund Freud als solche definierte "dauerhafte Massen". Also jene, die hochorganisiert sind. So wie sonst nur Militär und Kirche. Jeder, der nur einmal probiert hat, bei einem der fast 700.000 Facebook-Follower von Gabalier anzuecken, weiß, wovon die Rede ist. Sie stehen wie eine Wand hinter ihm.

Entsprechend groß war das Raunen, als nach 23 Uhr Ende war. Freilich, das wurde entsprechend zelebriert. Beim Titel "Amoi seg' ma uns wieder", jenem Lied, das er seinem Vater und seiner Schwester widmete, lagen sich dann alle in den Armen. Gabalier spielte das Lied im abgedunkelten Stadion. Erhellt durch die Lichter der Feuerzeuge und Mobiltelefone, die die 70.000 Fans in die Luft streckten und somit die, ganz nach dem Geschmack seiner Gastgeber, perfekte Abschluss-Choreografie boten, bevor dann Schluss war. Was aber nur für den Ton galt.

Denn der Künstler, der im Laufe der gut drei Stunden seines Auftrittes - ohne Pausen - seinen athletischen Körper sichtlich ausgepumpt hatte, nahm sich noch Zeit. Zeit für Autogramme, Luftbusserln und kreischende Teenies in Begleitung ihrer Eltern.

"Bei Gabalier wäre ich gerne dabei gewesen", ließ selbst der bei den Salzburger Festspielen weilende 84-jährige Harald Serafin wissen. Vermutlich aufgerüttelt durch das enorme mediale Echo, das dieses Rekordkonzert auslöste. Und er kann tatsächlich auf seine Kosten kommen. Denn am 1. Juli 2017 findet München 2.0 statt. Neuerlich wollen der Steirerbua und sein Team das Olympiastadion ausverkaufen. Und es dürfte ihnen neuerlich gelingen. Denn alle wollen es sehen, das Phänomen Gabalier. Und vor allem den Menschen.

Andreas Gabalier im Interview
"Krone": Mit diesem Konzert haben Sie etwas geschafft, was kein Österreicher vor Ihnen geschafft hat. Realisiert?
Andreas Gabalier: Man ist ja doch verwöhnt von den letzten Jahren und vergisst dabei leider sehr schnell, dass 98 Prozent der Branche kämpfen. Und die musizieren und freuen sich, wenn dann tausend Leute dabei sind. Allerdings, als ich in der "Zeit im Bild" meinen Namen gehört habe und hörte, mehr Karten als die Stones verkauft zu haben, da habe ich begonnen, es zu realisieren.

"Krone": Der Neid in der Branche, "a Hund"?
Gabalier: Die Neider hat es am Anfang gegeben. Im letzten Jahr sind aber alle verstummt - vielleicht ist es mittlerweile doch so groß, dass sie das bewundern und schätzen. Und ja, Gabalier ist nicht jedermanns Geschmack. Meiner Oma gefällt auch nicht Metallica. Und deswegen ist es mir egal, wie die Szene über mich denkt. Sie sind aber alle herzlichst bei mir willkommen!

"Krone": Während des Konzerts sagten Sie, "dieses Land geht den Bach runter". Was war gemeint?
Gabalier: Das habe ich aus der Emotion heraus gesagt. Weil man mir durch meine Kopfhörer zugeflüstert hat, dass ich um 23 Uhr fertig sein muss, weil uns sonst sehr, sehr hohe Strafen drohen. Wir hätten ja noch drei Lieder auf der Liste gehabt! Und wenn du dann dauernd eingeflüstert bekommst, dass du pünktlich aufhören musst, passiert das. Weil ich mir dachte, das Land kriegt nicht seine Sicherheitsprobn Konzert um 23 Uhr beendet?

"Krone": Wie begegnen Sie Politikern, die Sie instrumentalisieren wollen?
Gabalier: Ich kann doch niemandem verbieten, dass ihm etwas gefällt oder nicht. Ich muss gar nix! Ich freue mich, wenn es H.C. Strache gefällt, und ich freue mich, wenn es Alexander Van der Bellen gefällt.

"Krone": Ist eigene Familie mit Kind und Kegel mit dem Volks-Rock'n'Roller-Leben kompatibel?
Gabalier: Nein! Man sieht es doch auch an der Geschichte von Musikstars, die dann dreimal geschieden waren. Mit dem Erfolg derzeit, nein. Man ist körperlich und mental ausgebrannt. Und wenn man zu Hause auch noch Verantwortung hat, dann wäre das nicht unter einen Hut zu bringen. Dieser Verantwortung möchte ich noch gar nicht gewachsen sein.

"Krone": Haben Sie jetzt Urlaub?
Gabalier: Ja, dazwischen spiele ich Konzerte.: am 20. August in Kitzbühel und am 27. in Schladming. Ich gehe in die Berge, fahre Motorrad und kuriere meinen Zeigefinger aus. Den habe ich mir in München auf der Bühne gebrochen.

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(Bild: kmm)



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