"Krone"-Serie

Tiroler Forscher rauben Krebs schützende Nische

Wissenschaft
08.03.2016 06:01

Oft versagen Krebsmedikamente bei Patienten. Obwohl sie im Reagenzglas während der vorklinischen Entwicklung äußerst wirksam Krebszellen abtöteten, verlieren sie diese Wirkung dann im Körper. Der Unterschied liegt in der Gewebeumgebung des Tumors, die auch als "Nische" bezeichnet wird. Der Tumor zieht sich darin zurück und wird vor äußeren Einflüssen geschützt.

Der Tumor "spricht" molekular mit den ihn umgebenden Zellverbänden und manipuliert sie zu seinem eigenen Schutz und Gedeihen. Die umliegenden Zellen beginnen, Botenstoffe herzustellen und auszuschütten, und das wiederum hilft dem Tumor, der für ihn tödlichen Wirkung auszuweichen und sich vor den Medikamenten und dem Immunsystem zu verstecken.

Im Kompetenzzentrum für Personalisierte Krebsmedizin, Oncotyrol, hat eine Forschergruppe der Medizinischen Universität Innsbruck unter der Leitung von Prof. Dr. Lukas A. Huber sich dieses Wissen zunutze gemacht, um innovative Zellkulturmodelle zu entwickeln, die bereits für Krebsmedikamente gegen das Multiple Myelom eingesetzt werden.

Das Multiple Myelom entsteht durch die bösartige, genetisch bedingte Veränderung einer einzigen Immunzelle (Plasmazelle) im Knochenmark. Sie wird so zur Tumorzelle (Myelomzelle), die sich teilt und unkontrolliert vermehrt, wodurch im Krankheitsverlauf bösartige Wucherungen an vielen Stellen im Knochenmark (daher Multiples Myelom) entstehen.

Knochenmark im Reagenzglas nachgestellt
In dem von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützten Projekt wird das menschliche Knochenmark im Reagenzglas nachgestellt, und dann werden Tumorzellen zugegeben, die sich in der beschriebenen Nische geschützt vermehren. Gleichzeitig wird in diesen dreidimensionalen Kulturen auch der tatsächliche Sauerstoffpartialdruck des Knochenmarks simuliert.

Mit diesem innovativen System testen die Innsbrucker Forscher Zehntausende von chemischen Substanzen, bis sie solche finden, die die Krebszellen in der sonst schützenden Nische abtöten können, aber die gesunden Knochenmarkszellen selbst nicht schädigen. Viele Substanzen erreichen den in der Nische geschützten Tumor nicht, aber einige wenige bestehen den Härtetest und werden dann zu Medikamenten weiterentwickelt.

Zur Person:
Lukas Alfons Huber ist ein österreichischer Arzt, Zellbiologe und Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Innsbruck, wo er das Institut für Zellbiologie leitet. Er ist auch wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Personalisierte Krebsmedizin, Oncotyrol, und zusammen mit Prof. Günther Bonn Gründer und Direktor des Austrian Drug Screening Institutes (ADSI) in Innsbruck.

Er forschte in Heidelberg, Genf und Wien, bevor er 2002 nach Innsbruck berufen wurde und dort das Biozentrum als Gründungsdirektor mitaufgebaut hat. Er gründete und leitete einen FWF-geförderten Sonderforschungsbereich in der Krebsforschung und koordiniert zahlreiche internationale Verbundprojekte.

In der Serie "Krone der Wissenschaft" stellt die Kronen Zeitung Projekte österreichischer SpitzenforscherInnen vor. Ausgewählt werden sie von Prof. Dr. Georg Wick, dem Leiter des Labors für Autoimmunität an der Medizinischen Universität Innsbruck.

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