Brief aus Gefängnis

“Jihad Jane” – durch One-Night-Stand zum Islam

Ausland
17.01.2015 07:30
Vor ziemlich genau einem Jahr ist die als "Jihad Jane" bekannt gewordene Colleen LaRose wegen Terrorismus, Verschwörung zum Mord im Ausland, Falschaussage und versuchten Identitätsdiebstahls zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Oktober schrieb die US-Kriminologin Kimberly Mehlman-Orozco an 17 von US-Gerichten verurteilte Terroristen Briefe - zwölf Häftlinge durften die Briefe nicht erhalten, von den restlichen fünf haben vier geantwortet, darunter LaRose. Und sie erzählte, warum sie, die Ex-Prostituierte und Ex-Drogensüchtige, nach einem One-Night-Stand zum Islam gefunden hatte.

Die Liebe sei es gewesen - und der weibliche Stolz, schrieb die heute 51-jährige LaRose in ihrer Antwort an Mehlman-Orozco, die an einem Buch arbeitet und dem TV-Sender NBC ihr Projekt schilderte. Von Reue sei in dem Brief nichts zu finden. "Warum ich gemacht habe, weswegen ich verurteilt wurde? Es gibt viele Gründe, aber der einfachste ist: Ich habe es aus Liebe getan", so LaRose. "Aus Liebe zu meinem Propheten, zu meiner Ummah (der "Community", Anm.) und aus Liebe zu dem Bruder, der mir meine Aufträge erteilt hat."

Der Stolz sei ebenfalls ein gewichtiger Grund gewesen: "Schwestern werden normalerweise nicht solche Aufträge erteilt, wie ich sie bekommen habe", so LaRose. Ihr "Bruder" habe sie dadurch "geehrt". "Ich habe mich von ihm so geliebt gefühlt, dass ich dann tun musste, was er von mir verlangt hat, was getan werden musste."

"Jihad Jane" hatte sich bereits 2011 schuldig bekannt, unter anderem Mordpläne gegen den schwedischen Karikaturisten Lars Vilks geschmiedet zu haben, der den Propheten Mohammed als Hund dargestellt hatte - was in der muslimischen Welt wütende Proteste hervorgerufen hatte. Ihr Fall hatte in den USA, aber auch weltweit vor allem deshalb für Aufsehen gesorgt, weil die Blondine US-Bürgerin ist und keinen biografischen Bezug zur islamischen Welt hat.

Hat ihr Leben lang nach Sicherheit gesucht
Ihre Radikalisierung erfolgte vornehmlich über das Internet - und begann mit einem One-Night-Stand mit einem Muslim in Amsterdam, der ihr Leben von einem Moment auf den anderen auf den Kopf stellte, wie ein Reuters-Report bereits im Jahr 2012 enthüllte. Der Nachrichtenagentur hatte LaRose ihr einziges Interview gegeben, bis sie eben jetzt in diesem Brief an die Kriminologin ihre Motive offenbarte.

Reuters hatte auch versucht, hinter die Person zu schauen, und die Vergangenheit von "Jihad Jane", wie sie sich im Internet nannte, zu ergründen. Sieht man sich ihre Kindheit und Jugend an, wird einem fast augenblicklich klar, dass LaRose ihr ganzes Leben lang nach Sicherheit gesucht hatte, die ihr stets verwehrt worden war.

Vom eigenen Vater missbraucht, mit 13 Prostituierte
Die 1963 in der Nähe von Detroit im US-Bundesstaat Michigan geborene Colleen LaRose wurde laut dem Reuters-Papier von ihrem eigenen Vater über Jahre hinweg - von 1971 bis 1977 - missbraucht, ebenso wie ihre Schwester. Im Alter von 13 lief sie von zu Hause weg, ging nach Texas - und schlug sich als Prostituierte durch, Drogen- und Alkoholmissbrauch gingen damit einher.

Mit 16 Jahren heiratete sie einen Mann, der doppelt so alt war wie sie, mit 17 tauchte sie in einer Jugendstätte auf wurde und für ein paar Monate in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. 1986, mit 23, heiratete sie zum zweiten Mal. Fünf Jahre nach der Scheidung von Ehemann Nummer zwei traf sie 2002 Kurt Gorman. Mit ihm war sie in Amsterdam, als sie den Muslim kennenlernte, mit dem sie die folgenschwere Nacht verbrachte. Sie hatte sich mit ihrem Freund gestritten, er ließ sie in einer Bar stehen und sie ging mit dem fremden Mann nach Hause. Nach dieser Nacht im Jahr 2007 flüchtete sie sich nach ihrer Rückkehr nach Pennsylvania in den Islam: Sie besuchte muslimische Websites, registrierte sich sogar bei einer muslimischen Datingsite - alles hinter dem Rücken ihres Freundes.

Via Instant Messenger zum Islam konvertiert
Im Rahmen ihrer Recherche traf sie online einen Türken, der ihr "Mentor" werden sollte. Zum Islam trat sie noch im selben Jahr über - via Instant Messenger. Sie hatte dazu keine Moschee oder Ähnliches besuchen müssen, es reichte, dass sie Koran-Verse zitieren konnte und Allah als ihren einzigen Gott und den Propheten Mohammed als seinen Botschafter anerkannte. "Endlich war ich dort angekommen, wohin ich gehörte", so LaRose gegenüber Reuters. Und für diese neue "Heimat" war sie bereit, alles zu opfern und auch Anschläge zu verüben.

Schuld an der wachsenden Gewalt und dem Terror seien aber nicht die Islamisten und Dschihadisten, sondern die US-Militäroperationen im Nahen Osten und die "Zionisten", wie sie in ihrem Brief an Mehlman-Orozco jetzt schrieb: "Stellen Sie sich vor, in Amerika wäre einmarschiert worden und es wäre von fremden Kräften besetzt worden, und diese Kräfte hätten Frauen und Kinder getötet und viele Familien aus ihren Häusern vertrieben. Wenn das in Amerika passiert wäre, dann hätten die Amerikaner zurückgeschlagen und hätten alles dafür getan, um die Besetzung ihres Landes zu beenden."

"Wir müssen die Taten durch ihre Augen sehen"
Mehlman-Orozco wartet nun schon gespannt auf den nächsten Brief von LaRose - der vielleicht Bezug auf die Anschläge in Paris, auf "Charlie Hebdo" und den jüdischen Supermarkt nimmt, auf die Tatsache, "wie sie" - gemeint sind Menschen, die aus religiösen Gründen solche Anschläge verüben würden oder verübt haben - "so etwas wahrnehmen". Denn: "Um zu verstehen, warum solche Dinge passieren, müssen wir die Taten durch ihre Augen sehen", so die Kriminologin.

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