Unbewusste Reaktion

Schon Babys können Angst in Augen anderer ablesen

Wissenschaft
28.10.2014 09:34
Deutsche Forscher haben entdeckt, dass bereits sieben Monate alte Babys in den Augen anderer unbewusst Angst wahrnehmen können. Dafür reicht es, wenn sie nur das "Weiße" in den Augen, die sogenannte Lederhaut (Sclera), sehen. Schon von frühestem Kindesalter an kann der Mensch demnach die Gefühlslage anderer wahrnehmen, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal "PNAS".

Wir Menschen lernen viel über unser Gegenüber, indem wir ihm in die Augen blicken. Sie sagen uns, wie sich unser Gesprächspartner fühlt. Eine zentrale Signalfunktion hat dabei die weiße Sclera. Sie verrät uns beispielsweise, ob ein Mensch Angst hat und wohin er gerade blickt. Die Augen sind dann geweitet und die Lederhaut erscheint dadurch größer. Schweift sein Blick ängstlich umher, ist das ein Hinweis auf Gefahr in der Umgebung. Schaut er sein Gegenüber auf diese Weise direkt an, drückt er damit Angst vor seinem Gesprächspartner aus.

Auch Neugeborene registrieren Blicke und reagieren darauf. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sie Gesichter vorziehen, die sie direkt anblicken. Sie versuchen auch, dem Blick eines anderen Menschen zu folgen. Auf Angst reagieren Säuglinge dagegen erst ab einem Alter von sieben Monaten. Die dafür notwendigen Gehirnstrukturen wie beispielsweise die Amygdala sind davor offenbar noch nicht voll funktionsfähig, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig herausgefunden haben.

Babys mit schematisierten Augen konfrontiert
In ihren Experimenten konfrontierten die Forscher die Babys mit Bildern von schematisierten Augen, von denen nur die Sclera zu sehen war, und die die Säuglinge direkt anblickten oder an ihnen vorbeisahen. Den sieben Monate alten Säuglingen reicht das aus, um darin Angst zu erkennen.

Mithilfe von Elektroden, die vorne und hinten am Kopf aufgeklebt waren, maßen die Wissenschaftler die Gehirnaktivität. Ängstlich blickende Augen lösten im Gehirn der Säuglinge stärkere elektrische Potenziale. "Das Gehirn orientiert sich dabei ausschließlich an der Lederhaut, denn wir haben zuvor alle anderen Bildinformationen entfernt", erläutert Sarah Jessen vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Die Reaktion läuft unbewusst ab, denn die Forscher zeigten die Bilder immer nur für 50 Millisekunden - zu kurz, um von den Säuglingen in diesem Alter bewusst wahrgenommen zu werden.

Nur Form der Sclera ist entscheidend
Das Gehirn reagiert zudem teilweise stärker, wenn die Augen die Säuglinge direkt anzusehen schienen: Ein ängstlicher Blick am Kind vorbei rief schwächere elektrische Potenziale in Gehirnregionen hinter der Stirn hervor, die für höhere geistige Fähigkeiten und Aufmerksamkeit zuständig sind. "Schon im Alter von sieben Monaten können Säuglinge also Angst aus den Augen ihres Gegenübers lesen, ohne dass ihnen das bewusst wird. Sie verlassen sich dabei ausschließlich auf die Form der Sclera", so Jessen.

"Dass Menschen die Blicke und Gefühle anderer schon von frühester Kindheit an lesen können, ist ein Indiz dafür, wie wichtig diese Fähigkeit für unser Zusammenleben ist", sagt Tobias Grossmann, der die Studie am Leipziger Max-Planck-Institut leitete. Sich auf die Augen und die Blickrichtung konzentrieren zu können ist somit ein wichtiges Kennzeichnen für eine gesunde, soziale Entwicklung. Säuglinge, bei denen dies zwischen dem zweiten und sechsten Lebensmonat nachlässt, weisen beispielsweise später oft soziale Defizite auf oder erkranken an Autismus.

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