"Neue Ära" beginnt

Erdogan sucht “Marionette” als Premier

Ausland
11.08.2014 16:45
Der frischgebackene türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach seinem Wahlsieg eine "neue Ära" für die Türkei versprochen. Diese wird auch von einem enormen Ausbau der präsidialen Kompetenzen geprägt sein. Weil ab 28. August der Posten des Premiers vakant wird, sucht Erdogan nun nach einem Nachfolger, der sich nicht gegen die Machtpläne des AKP-Chefs stellt.

Erdogan hat deutlich gemacht, dass er als erster vom Volk gewählter Präsident weiterhin selbst die Geschicke der Türkei lenken will. Bisher war das Amt des Staatsoberhauptes in der Türkei vor allem zeremonieller Natur. Erdogan ist am Sonntag bereits im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt worden (siehe Infobox). Kritiker befürchten, dass er als Präsident seine Macht weiter ausbauen und die Islamisierung der Türkei vorantreiben könnte.

Konflikte sollen der "alten Ära" angehören
Nach seinem Wahlsieg kündigte der 60-Jährige eine "neue Ära" für die Türkei an. Er werde Staatsoberhaupt aller 77 Millionen Türken sein, sagte er am Sonntagabend in seiner versöhnlich gehaltenen Siegesrede in Ankara. Die Konflikte der Vergangenheit sollten der "alten Türkei" angehören. "Heute ist ein historischer Tag", sagte Erdogan. "Heute schließen wir die Türen zur alten Ära und eröffnen eine neue Ära." Recht ungewöhnliche Töne, zumal auch seine politischen Widersacher nicht gegeißelt wurden, wie das in der Vergangenheit immer wieder der Fall gewesen war.

Da der türkische Präsident überparteilich sein muss, wird nun nicht nur ein neuer Premier, sondern auch ein neuer Parteichef der islamisch-konservativen AKP gesucht. Ob eine Person beide Ämter übernehmen wird, ist genauso unklar wie die Frage, ob vorerst ein Übergangspremier bestellt wird, der nach den nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2015 abgelöst wird. Was aber fix ist: Erdogan ist auf der Suche nach einer "Marionette", die seinen Einflussbereich nicht beschneiden möchte.

Außenminister Davutoglu gilt als Favorit
"Spiegel Online" hat ein paar potenzielle Kandidaten ausgemacht und diese näher unter die Lupe genommen. Ganz oben auf der Liste der Favoriten steht Außenminister Ahmet Davutoglu. Der als bisher eher erfolglos agierende Chefdiplomat des Landes würde das wichtige Außenressort für einen besseren Kandidaten öffnen. Für diesen dürfte demnach der bisherige Geheimdienstchef Hakan Fidan infrage kommen.

Häufig soll in letzter Zeit auch der Name Bülent Arinc gefallen sein, seines Zeichens Vizepremier. Doch zahlreiche seiner Parteifreunde bei der AKP vermuten, dass der 66-Jährige eher über seinen Ruhestand nachdenkt, als seiner Karriere ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Von seiner konservativen Einstellung her wäre Arinc aber ein hervorragender Nachfolger. Zuletzt ist er mit seinem Vorstoß in die Kritik geraten, Frauen lautes Lachen in der Öffentlichkeit zu verbieten.

Putin-Medwedew-Rochade als Vorbild?
Oder wird es die russische Variante? Wird der Vorgänger im Präsidentenamt, Abdullah Gül, zum Ministerpräsidenten, so wie es zwischen dem russsichen Präsidenten Wladimir Putin und Dmitri Medwedew der Fall war, als Putin zwischen 2008 und 2012 Regierungschef war, während Medwedew als Präsident agierte, nur um danach wieder die Präsidentschaft an sich zu reißen und Medwedew erneut Premier werden zu lassen? Erdogan und Gül waren einst enge Weggefährten. Ihr Verhältnis ist aber ein wenig abgekühlt, nachdem Gül eine Nähe zum islamischen Prediger Tehullah Gülen nachgesagt wird. Mit Gülen liefert sich Erdogan seit Monaten einen aggressiven Machtkampf.

Ebenfalls Erwähnung finden AKP-Parteivize Numan Kurtumulus, der jedoch noch nicht lange genug dabei ist, um als ernsthafter Kandidat infrage zu kommen. Rechtsanwalt Mehmet Ali Sahin würde sich da als ehemaliger Vizepremier, Justizminister und Parlamentspräsident schon ein wenig besser tun. Geschäftsmann Binali Yildirim, der bereits Verkehrsminister war, wäre laut "Spiegel Online" ebenfalls ein profilloser Kandidat - und daher ganz im Sinne Erdogans.

Erdogan will bis 2023 in der Türkei herrschen
Erdogan wird das zwölfte Staatsoberhaupt der Türkei. Als Präsident kann er nach fünf Jahren für eine weitere Amtszeit wiedergewählt werden. Erdogan hat mehrfach deutlich gemacht, dass er zum 100. Geburtstag der Republik 2023 noch in der Türkei herrschen will.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt