Krawuzi Kapuzi

Kasperl wurde erst nach 2. Weltkrieg zum Spaßvogel

Wissenschaft
07.07.2014 14:38
Ein höchst liebenswerter Kerl mit pausbäckigem Gesicht, Zipfelmütze und buntem Kostüm, der mit seinen Freunden lustige Abenteuer besteht - so kennen Kinder den Kasperl von heute. Doch die fröhliche Figur hatte im Ersten Weltkrieg noch eine andere Rolle als die des harmlosen Spaßvogels und ein anderes Publikum: Soldaten an der Front und im Lazarett im Hinterland.

Hinterlistig, versoffen, brutal: Dass der gutmütige Kasperl bis vor 200 Jahren ein fauler Nichtsnutz und Trunkenbold war, weiß die Grazerin Beatrix Müller-Kampel. An der Universität Graz erforscht die Germanistin seit Jahren den Werdegang vom Taugenichts zur didaktischen Paradefigur. Ihre Studentin Evelyn Zechner-Matscheko hat die Auslegung der Kasperl-Figur nun vor der Kulisse des Ersten Weltkrieges untersucht und zeichnet ein facettenreiches Bild.

Wetterte unter anderem in Front-Theatern
Erst im Laufe der Zeit wurde aus der männlichen Gestalt die fröhliche Kinderfigur: "Die Kasperlfigur wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu der niedlichen Figur, die wir heute kennen. Zuvor war die Rolle an Erwachsene adressiert", betont Zechner-Matscheko. So hetzte der "feldgraue" Kasper zur Zeit des Ersten Weltkrieges gegen afrikanische Kolonialsoldaten, wies Kriegszweifler in die Schranken und griff sogar selbst ins Kampfgeschehen ein. "Kasper saust von Sieg zu Sieg", wie es die Grazer Germanistin auch im Titel ihrer Masterarbeit festhielt.

Kritik und Unterhaltung
Die Auslegungen der Figur sei vielfältig: "Sie konnte im Schützengraben kämpfen und mitleidlos Feinde gefangen nehmen, Phrasen dreschen. Oder aber auch kriegsbedingte Missstände im Hinterland kritisieren und opportunistische Kriegsgewinnler anprangern", schildert Zechner-Matscheko. Das Publikum bestand mitunter aus Soldaten, die sich mit den Aufführungen der Front-Puppenbühnen über den freudlosen Alltag hinweghalfen, oder auch verwundete Soldaten im Lazarett, wie die Germanistin erhob.

Im Zuge ihrer Recherchen ist sie auf sechs Kasperl-Texte aus der Zeit des Ersten Weltkrieges gestoßen und hat diese untersucht. "Alle Autoren stammten aus dem bürgerlichen Milieu und waren keine berufsmäßigen Puppenspieler. Der Grazer Autor Fritz Oberndorfer war etwa Leiter des Referats für Kartoffelversorgung und kannte das Leid im Hinterland nur allzu gut, was sich auch in seinen Texten widerspiegelt", so Zechner-Matscheko.

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