"Bin überglücklich"

Literaturnobelpreis geht heuer an den Chinesen Mo Yan

Ausland
11.10.2012 14:12
Der Nobelpreis für Literatur geht heuer erstmals nach China. Die Königlich-Schwedische Akademie hat am Donnerstag in Stockholm ihre Entscheidung für den Schriftsteller Mo Yan bekannt gegeben. Er vereine "mit halluzinatorischem Realismus Märchen, Geschichte und Gegenwart", hieß es in der Begründung.

Der Sprecher der Jury, Peter Englund, sagte im schwedischen Rundfunksender SR: "Wir haben es mit einer einzigartigen Autorenschaft zu tun. Sie hat uns einen einzigartigen Einblick in ein einzigartiges Milieu verschafft." Mo Yan sei eine "Mischung aus Faulkner, Charles Dickens und Rabelais". Er schildere eine dörfliche Welt in einem Teil Chinas, der den meisten anderen fremd sei. "Mo Yan ist nicht als Intellektueller dort hinabgestiegen, sondern er ist selbst ein Teil davon", sagte Englund.

Der Schriftsteller reagierte "überglücklich und erschrocken" auf die Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis, wie chinesische Staatsmedien am Donnerstag mitteilten. Die Auszeichnung ist heuer mit acht Millionen Schwedischen Kronen (rund 920.000 Euro) dotiert, zwei Millionen weniger als im Vorjahr. Zuletzt standen der Japaner Haruki Murakami und der Ungar Peter Nadas ganz oben auf der Favoriten-Liste der Buchmacher.

Mo Yan, der Sprachlose
Mo Yan ist ein Pseudonym und heißt "keine Sprache" oder "der Sprachlose". Sein wirklicher Name ist Guan Moye. Der 57-jährige Bauernsohn ist einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Schriftsteller Chinas. Im Westen wurde Mo Yan mit seinem Buch "Rotes Kornfeld" (1987) bekannt, das Regisseur Zhang Yimou verfilmte. Er ist ein Geschichtenerzähler - inspiriert von den Erzählungen der Bauern in seinem Heimatdorf Gao Mi (Provinz Shandong) in Ostchina. Das arme Dorf ist bis heute seine literarische Heimat, auch wenn Mo Yan schon lange in Peking lebt.

Auf Deutsch übersetzt wurden u.a. seine Bücher "Die Schnapsstadt", "Die Sandelholzstrafe", "Die Knoblauchrevolte" und "Der Überdruss". Diesen Roman stellte er 2009 auch in der Aula des Campus der Universität Wien vor.

Mit seinem Roman "Frosch" (in China ein traditionelles Symboltier für Geburten) griff er das aktuelle Thema der gesellschaftlichen Auswirkungen der chinesischen Ein-Kind-Politik auf und sorgte für Diskussionen. Thema ist das Schicksal einer Geburtenärztin auf dem Land, die in einen heftigen Gewissenskonflikt zwischen der strikten staatlichen Geburtenkontrolle und dem Wert jedes einzelnen Lebens geriet. Als Vorbild für die Figur soll Mo Yan seine Tante gedient haben, die selbst seit Anfang der 80er-Jahre bei Geburten als Ärztin tätig war. Für das Buch gewann er 2011 den Mao-Dun-Preis. "Frösche" erscheint im Frühjahr 2013 in der Übersetzung von Martina Hasse im Hanser Verlag.

Oftmals als Staatsschriftsteller kritisiert
Anders als der erste aus China stammende und Frankreich zugeordnete Literaturnobelpreisträger Gao Xingjian (2000), der in Paris lebt, oder der häufig als Kandidat genannte Bei Dao, der sich aus dem Exil heraus kritisch mit dem chinesischen Regime auseinandersetzte, ist Mo Yan ein in China etablierter Schriftsteller. Als Mitglied der offiziellen Delegation Chinas bei dem umstrittenen Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2009 musste sich Mo Yan gegen Vorwürfe wehren, nicht genug Distanz zum System zu wahren. "Sehr viele sagen jetzt über mich: Mo Yan ist ein Staatsschriftsteller. Daran stimmt, dass ich ebenso wie die Autoren Yu Hua und Su Tong ein Gehalt vom Künstlerforschungsinstitut des Kulturministeriums beziehe und darüber sozial- und krankenversichert bin. Das ist die Realität in China." Er könne "verstehen, wenn Ausländer mich kritisieren. Wenn die Kritik aber von meinen chinesischen Landsleuten kommt, dann ist das unverschämt", sagte er dazu der "China Newsweek".

Die Nobelpreise werden traditionsgemäß am 10. Dezember überreicht, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. Im vergangenen Jahr hatte der schwedische Lyriker Tomas Tranströmer die Auszeichnung erhalten (siehe Infobox). 2004 hatte die Österreicherin Elfriede Jelinek den Nobelpreis gewonnen.

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