"Spaß-Bremse"

Kahn unzufrieden mit Klinsmann-Taktik

Sport
30.06.2005 10:59
Alle waren begeistert, nur Oliver Kahn mäkelte nach dem rauschenden Fußballfest am neuen deutschen Hurra-Stil herum und spielte die Spaß-Bremse. Der 36 Jahre alte Team-Senior murrte nach dem in Unterzahl und Verlängerung erkämpften 4:3-Erfolg gegen Mexiko über "haarsträubende Fehler und Unzulänglichkeiten" in der Abwehr und versagte sich demonstrativ dem ausgelassenen Jubel der Teamkollegen und der euphorisierten Zuschauer.

"Ich kann mich jetzt hier nicht hinstellen und sagen: 'Mann, bin ich begeistert von unserem Fußball.' Wir haben sehr viele Tore kassiert in den Freundschaftsspielen und beim Confed-Cup, das muss mich nachdenklich machen. Das war fast schon Kamikaze, was wir gespielt haben."

Höchstes Tempo, Leidenschaft, tolle Tore - Jürgen Klinsmanns Spiel-Philosophie ist nicht die des eigenwilligen Torhüters, der im 80. Länderspiel wie schon zum Auftakt gegen Australien (4:3) erneut drei Mal bezwungen wurde. Sechs Tore in zwei Spielen, das war zu viel für Kahn, obwohl er mit seiner Leistung "sehr zufrieden" war: "Alle meine Spiele habe ich gewonnen, mehr kann man nicht wollen."

Kahn hält nichts von totaler Offensive
Will er aber doch. "Der Confed-Cup stand im Zeichen der totalen Offensive. Gegen Mannschaften ganz oben wird es aber ganz schwer, wie man gesehen hat. Wir werden nicht immer 4:3 gewinnen, weil irgendwann die Weltmeisterschaft ist und kein Confed-Cup mehr. Wichtig ist, dass man mal zu Null spielt. Das Verhältnis zwischen Offensiv- und Defensivspiel war nicht in Ordnung", knurrte Kahn.

"Mir stehen die Haare zu Berge"
"Wenn ich das von hinten sehe, stehen mir teilweise die Haare zu Berge", kritisierte er: "Wir versuchen permanent höchstes Tempo zu spielen, das kann nicht gut gehen. Das ist zwar momentan sehr attraktiv, aber ich weiß nicht, ob uns das bis zum WM-Finale führt."

Natürlich ist die Fehler-Quote auch gegen Mexiko zu hoch gewesen. Aber nach einem mitreißenden Spiel um Platz 3, in dem der Unterhaltungswert klar im Vordergrund stand, wirkte die Kritik zumindest vom Zeitpunkt her deplatziert. "Das gefällt den Zuschauern, ob 5:5, 6:8 oder 7:9. Da sind die Zuschauer begeistert", bemerkte Kahn. Er hat mehr Spaß, wenn sich der zahlende Kunde langweilt: "Ein 0:0, das von beiden Mannschaften taktisch und technisch auf höchstem Niveau gespielt wird, begeistert die Zuschauer komischerweise nicht."

Teamchef bleibt gelassen
Klinsmann reagierte sehr gelassen auf Kahns Manöver-Kritik. "Das ist kein Problem. Wir haben schon wieder geflachst nach dem Spiel", bemerkte der Bundestrainer. "Ein Torwart will immer zu Null spielen. Aber Oliver ist genauso begeistert von der Entwicklung dieser Truppe. Er muss natürlich erst einmal schlucken, aber am wichtigsten ist auch für ihn, dass die Mannschaft gewinnt."

Ganz ohne Optimismus aber verließ Kahn Leipzig am Donnerstag mit dem ersten Flieger nach München doch nicht. "Es ist noch ein Jahr hin. Wenn wir eine bessere Balance aus Offensiv- und Defensivaktionen finden, können wir bei der WM ganz weit nach vorne kommen." Und so lange man immer ein Tor mehr schießt als der Gegner auch.

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(Bild: KMM)



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