Prozesstag 6

Breivik: “Auch ich habe am 22. Juli alles verloren”

Ausland
23.04.2012 13:58
Mit einer zutiefst gefühllosen Aussage hat Norwegen-Attentäter Anders Breivik am Montag, dem sechsten Prozesstag, die Hinterbliebenen geschockt. "Auch ich habe am 22. Juli alles verloren", sagt der 33-Jährige auf den Tag der Anschläge bezogen. "Von daher kann ich die Schmerzen der Angehörigen nachvollziehen."

"Die Hinterbliebenen sagen immer, dass sie das Liebste, was sie hatten, verloren haben. Dabei ist das bei mir genauso. Auch ich trauere seit jenem 22. Juli um den Verlust von Familie und Freunden. Der Unterschied ist, dass ich mich aber dafür entschieden habe", sagt Breivik gleich zu Beginn des Verhandlungstags in Oslo. "Es ist grausam, dass man zu solch barbarischen Taten gezwungen wird."

"Wollen Sie jetzt etwa, dass wir Mitleid mit Ihnen haben?", fährt Staatsanwältin Inga Bejer Engh ihn umgehend an. "Nein, absolut nicht, das sollte nur zu Ihrer Information dienen. Damit Sie wissen, dass ich den Verlust, den die Hinterbliebenen spüren, bis zu einem gewissen Grad nachfühlen kann", so der 77-fache Mörder. "Möchten Sie sich dann vielleicht bei den Familien entschuldigen?", fragt Staatsanwalt Svein Holden. "Nein, absolut nicht", sagt Breivik. Einzig gegenüber den Hinterbliebenen einiger "Zivilisten", die bei seinem Oslo-Attentat "versehentlich" getötet wurden, drückt er sein Bedauern aus.

Zuhörer entsetzt
Die im Gerichtssal anwesenden Utöya-Hinterbliebenen sind von den Aussagen entsetzt, bringen aber kaum einen Ton heraus. Viele sitzen einfach nur dort und halten sich fest umarmt. Das einzige Geräusch, das während der Aussage aus dem Zuschauerraum kommt, ist das Klackern der Laptop-Tastatur der Gerichtsreporter.

An Einzelheiten des Utöya-Massakers erinnert sich Breivik nur lückenhaft. Er wisse nicht mehr genau, was er mit eigenen Augen gesehen und was er erst später in der Zeitung gelesen habe. Doch zwei Details hat er noch parat. "Auf viele Opfer habe ich mehrfach geschossen, um sicherzugehen, dass sie wirklich tot sind."

Buben verschont, aber sonst skrupellos
Und dann berichtet er von einem kleinen Buben, den er verschonte. "Ich sah ihn und habe mich gefragt, warum er hier auf der Insel ist, wo Leute politisch indoktriniert werden", sagt Breivik. "Um ihn herum hatte ich irgendwann alle erschossen, nur er lebte noch, war wie gelähmt. Vermutlich habe ich sein Leben ruiniert."

Immerhin 33 seiner Opfer waren jünger als 18 Jahre. Deswegen fragen die Staatsanwälte Breivik nun, wie seine Vorbilder - die Ritter - zur Tötung von Kindern gestanden hätten. "Die rechtliche Definition von Kindern lautet 'Personen unter 14 Jahren'. Demnach war keines meiner Opfer ein Kind", windet Breivik sich eiskalt raus. Dass zwei der Erschossenen gerade erst dieses Alter erreicht hatten, verschweigt er.

"Ich arbeite mit dem Element der Überraschung"
Auch die Tatsache, dass die Utöya-Opfer keine Chance zur Gegenwehr hatten, ist für Breivik in Ordnung. "Ich arbeite mit dem Element der Überraschung" - und mit dem Element der Hinterlist. Denn während des Massakers gab er sich nach eigener Aussage immer wieder lautstark als Polizist aus, um Jugendliche aus ihren Verstecken zu locken und dann zu erschießen.

Inmitten des Massakers, nachdem er etwa 40 der 69 Opfer erschossen hatte, habe Breivik laut eigener Aussage kurz innegehalten. Er rief die Polizei an, um sich zu stellen, mordete nach dem Gespräch aber weiter. "Warum haben sie denn zu diesem Zeitpunkt nicht aufgehört?", fragt Holden. "Ich weiß es nicht", so die knappe Antwort.

Per YouTube das Fliegen gelernt?
Staatsanwalt Holden geht anschließend auf ein Detail ein, das Breivik während einer Vernehmung berichtet hatte. Er wollte angeblich nach der Tat mit einer Cessna ins Ausland fliehen. "Und die wollten Sie zuvor klauen, ja?", fragt der Staatsanwalt. "Enteignen ist das richtige Wort", sagt Breivik. "Und woher können Sie fliegen?" "Das habe ich mir mit YouTube-Videos beigebracht. Das Starten ist ziemlich leicht, nur das Landen ist etwas schwierig."

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