"Krone"-Interview

Energie-Pionier Neumann: “Ich bin nur ein kleiner Narr”

Österreich
13.04.2012 16:00
UNO, Hollywood, Club of Rome: Wolfgang Neumann geht dort ein und aus. Jetzt schreibt der Energie-Pionier aus Traunkirchen ein neues Kapitel seiner weltumspannenden Erfolgsstory.

Ein Geschäftstermin in Wien. Da steht Wolfgang Neumann schon um fünf Uhr morgens auf, um noch die Stallarbeit zu erledigen. Im schwarzen Audi A8 Diesel, natürlich mit Partikelfilter, kämpft sich der Hobby-Biobauer und Umwelt-Pionier drei Stunden später durch den zähen Wiener Morgenverkehr. Sein Trachtenanzug und die dazu passende grüne Krawatte verleihen dem Oberösterreicher etwas Gemütliches, dem urbanen Tempo Trotzendes.

Im Gespräch über seine globalen Initiativen, über Auswege aus der Energie- und Finanzkrise und die neue Möglichkeit für jeden Einzelnen, seinen Energieverbrauch sofort zu senken, strahlen seine grünen Augen. "Ich lasse einfach mein Herz sprechen", erklärt er seine Leidenschaft für das Thema. Mit dieser Sprache hat Wolfgang Neumann Menschen und Meinungsträger in 151 Ländern angesteckt.

"Krone": Herr Neumann, was geht durch Ihren Kopf, wenn Sie die Blechlawinen auf den Straßen sehen?
Wolfgang Neumann: Ich mach mir nicht das Leben schwer und rechne mir den CO2-Ausstoß aus. Ich versuche eher, mit Köpfchen zu fahren. Also möglichst im höchsten Gang bleiben, nicht dauernd bremsen und angasen. Den Macho zu Hause lassen!

"Krone": Kann es so weitergehen mit den Autos?
Neumann: Mobilität ist wichtig. Ob wir uns in Zukunft aber noch diese individuelle Mobilität leisten können, bezweifle ich. Wir werden globale Lösungen brauchen. Am 4. Juni, dem Welt-Umwelttag, werden wir neue "Best Practice"-Modelle zum Thema Nachhaltigkeit vorstellen, ausgehend von einem Online-Portal. Eine kleine Idee aus Österreich, von so einem Narren und seinem Team.

"Krone": Der Narr sind Sie?
Neumann: Der Narr bin ich, jawohl. Mein Team umfasst zehn Leute. Das genügt, um weltweit Akzente in der Bewusstseinsbildung zu setzen. Wichtig ist: Kein Mensch macht etwas nur für die Umwelt. Es muss ihm auch einen Nutzen bringen. Wenn ich Benzin spare, wird's für mich billiger. Wenn ich ein Passivhaus baue, brauche ich gar keine Energie mehr. Wenn ich Modelle schaffe, die dem einzelnen Vorteile bringen, habe ich letztlich was für die Umwelt getan.

"Krone": Was ist denn Ihr Szenario, wird es eine weltweite Energiekrise geben?
Neumann: Dass die kommt, ist sicher. Momentan tünchen wir nur die Energiekrise mit der Finanzkrise zu. So wie man mit Geld nicht Geld verdienen kann, kann man auch nicht mehr Energie verbrauchen, als da ist bzw. die Natur verarbeiten kann. Hier wurde ein geschlossener Kreislauf durchbrochen. Die Politik hat diesem Treiben leider die Türen geöffnet. Es hatte schon einen Sinn, dass die wichtigsten Grundgüter in staatlicher Hand und somit von der Spekulation ausgeschlossen waren.

"Krone": Kann man das Schlimmste denn noch abwenden?
Neumann: Wenn wir alle zusammenhelfen, sicher! Es kann nicht sein, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der Energie verbrauchen. Jeder Mensch auf dieser Welt hat ein Recht auf Energie. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich in neue Technologien investieren. Österreich mischt da ganz vorne mit und kann so einen Prozess in Bewegung setzen, der zukunftsweisend ist.

"Krone": Zum Beispiel bei der Sonnenenergie?
Neumann: Die Sonne strahlt in sieben Stunden so viel Energie auf die Erde, wie wir in 365 Tagen weltweit brauchen. Das gehört genutzt und umgesetzt. Wir müssen aber auch, zum Beispiel bei der Sanierung von Häusern, Energie optimieren. Momentan leben wir zu 90 Prozent von fossiler Energie. Wenn wir mit diesem Blödsinn weitermachen, dann können wir zusperren.

"Krone": Sie arbeiten mit der UNO, mit dem Club of Rome, mit prominenten Persönlichkeiten und Unterstützern zusammen. Wie kommen Sie an diese Leute heran?
Neumann: Für mich ist das immer wieder toll zu sehen: Ich kleiner Scheißer kriege einen Termin mit den Großen dieser Welt. Egal ob das jetzt ein Gorbatschow, ein Kofi Annan oder ein Arnold Schwarzenegger ist. Letztlich zählt die Idee. Und dass wir immer Lösungen anbieten.

"Krone": Wann fallen Ihnen die ein?
Neumann: Ich kriege sehr viele Ideen in der Früh, wenn ich mit meinen Kühen im Stall stehe. Da ist so eine unglaubliche Ruhe. Die besten Lösungen sind oft ganz einfach.

"Krone": War Ihre beste Idee der Energy Globe Award?
Neumann: Mit diesem Preis haben wir weltweit Bewusstsein geschaffen und Projekte ausgezeichnet. Auch auf unser kostenloses Online-Tool bin ich richtig stolz. Jetzt müssen wir nur noch die neuen Technologien in die Länder bringen, und zwar in einer neuen Form einer Genossenschaft. Noch dieses Jahr werden wir mit der Weltbank darüber Gespräche führen.

"Krone": Herr Neumann, fühlen Sie sich manchmal wie ein Prophet, der im eigenen Land nicht so viel gilt? Man kennt Sie eher im Ausland als in Österreich...
Neumann: Prophet? Ich bin nur ein kleiner Narr. (lacht)

"Krone": Narr oder Missionar?
Neumann: Beides. Ein Narr, der an seine Sache glaubt und was bewegen will. Und ein Missionar für Energieeffizienz.

"Krone": Verdienen Sie viel Geld mit Ihrer Idee?
Neumann: Ich kann leben. Aber mir geht es nicht um Profit. Ich lebe voller Freude, ich habe die beste Familie auf der Welt. Und ich habe eine Aufgabe, der ich meine ganze Kraft gebe. Die Dankbarkeit, die ich dafür bekomme, ist so viel mehr wert als Geld.

"Krone": Wann war der Moment, wo Sie diese Aufgabe erkannt haben?
Neumann: Das war 1985, als ich einen Vortrag über erneuerbare Energie gehört habe. Ich war wie besessen, bin nach Hause gegangen und habe gesagt: Ich mach' sofort eine Energiesparmesse! Bei der ersten hatte ich 30 Aussteller und 2.000 Besucher. Heute sind es 2.000 Aussteller und 100.000 Besucher. Danach nahm alles seinen Lauf.

"Krone": Sie agieren völlig losgelöst von der Politik. Warum?
Neumann: Ich hab vor Jahren einmal in einem Ministerbüro voller Begeisterung von meiner Initiative erzählt. Ich war wirklich euphorisch und wollte das global ausweiten. Was glauben Sie, was ich zur Antwort gekriegt habe? "Und was bringt das dem Minister?" Seither interessiert mich das nicht mehr.

"Krone": Was wollten Sie eigentlich als Kind werden?
Neumann: Straßenkehrer! Für mich gab es keinen schöneren Job. Du bist in der Natur und du hältst die Umwelt sauber. Heute bin ich so was Ähnliches geworden...

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