In Wiens Kliniken gibt es einen akuten Ärztemangel. Wie man diesen lösen kann, darüber wird gestritten ...
In der Klinik Ottakring dürfen oder sollen die Anästhesisten laut einer neuen Betriebsvereinbarung zwischen Gewerkschaft und Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) aktuell statt maximal 48 nun 55 Stunden pro Woche arbeiten - die „Krone“ berichtete. Solche Vereinbarungen gab es auch schon während Corona. Damit soll das Zusammenbrechen der Operations-Kapazitäten verhindert werden. „Die Vereinbarung gilt für alle Anästhesisten im kompletten Gesundheitsverband. Zudem ist sie auf sechs Monate bis Ende Jänner begrenzt und beruht auf Freiwilligkeit. Niemand muss auf 55 Stunden aufstocken“, so eine Wigev-Sprecherin. Aktuell gibt es in Wien eine solche Vereinbarung nur für die Anästhesie. Die Anregung dazu wäre zudem aus der Ärzteschaft gekommen.
Ärztekammer: „Wer hat das verhandelt?“
Wo sie ihren Ursprung offensichtlich nicht hat, ist die Wiener Ärztekammer. Dort hat man für das Vorgehen wenig Verständnis, es hagelt Kritik. Stefan Ferenci, geschäftsführender Vizepräsident der Wiener Ärztekammer: „Wir lehnen eine solche Notmaßnahme nicht grundsätzlich ab, aber im vorliegenden Fall muss man sich fragen, wer das verhandelt hat. Denn für die Angestellten gibt es keine erkennbaren Vorteile, keinen Benefit oder dergleichen. Beispielsweise bekommen die Kollegen in der MedUni Wien (AKH) für eine ähnliche Betriebsvereinbarung 32 Prozent mehr Gehalt.“ Für die Ärztekammer gibt es ein weiteres Dilemma, denn sie selbst fordert eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Bei einer Arbeitszeit- reduktion müsste man die Ausbildungsjahre verlängern. Das kann nicht im Sinne der Mediziner sein. Gleichzeitig würde das die Versorgungssicherheit in unserem Land gefährden.
Oliver Brosch, Generalsekretär Praevenire Gesundheitsforum
Experte sieht keine einfache Lösung
Doch wie viel sollen Ärzte nun arbeiten dürfen? Die Situation ist verfahren, das bestätigt auch Oliver Brosch, Generalsekretär Praevenire Gesundheitsforum: „Aufgrund der Arbeitsmarktsituation ist es derzeit nicht das Maß der Dinge, über eine Reduktion der Arbeitszeit nachzudenken. Dadurch wird die Drucksituation auf jeden Einzelnen noch erhöht. Grundsätzlich ist die Forderung jedoch legitim, da es sich um sehr fordernde Berufe handelt.“
Und wie könnte eine praktikable Lösung aussehen? Brosch: „Man muss nicht nur über finanzielle Verbesserungen konkret nachdenken und die Gehälter dem herausfordernden Berufsfeld anpassen, sondern im Besondern auch über die Lebensqualität und die Arbeitsqualität. Es gibt bereits starke Initiativen, mehr Personal für die Medizin, die Pflege und die Medizintechnik zu gewinnen. Diese müssen weiter ausgebaut und vorangetrieben werden. Wenn uns das gelingt, kann die Diskussion über eine Reduktion der Arbeitszeiten seriös geführt werden.“
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