Wahl in Russland

Moskau: “Hetzjagd” auf Wahlbeobachter vor Urnengang

Ausland
03.12.2011 10:32
Die einzige unabhängige Wahlbeobachterorganisation, Golos, sieht sich einen Tag vor der russischen Parlamentswahl am Sonntag neuem Druck von den Moskauer Behörden ausgesetzt. Golos-Chefin Lilija Schibanowa teilte am Samstag mit, Zollbeamte hätten sie auf einem Moskauer Flughafen festgehalten und ihren Laptop beschlagnahmt. Zuvor waren von der Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen angeblicher Einmischung Golos' in den Wahlkampf eingeleitet worden. Regierungschef Wladimiur Putin hatte die Organisation als "Judas" bezeichnet.

Golos-Chefin Schibanowa sei nach ihrer Rückkehr aus Warschau die ganze Nacht auf dem Flughafen Scheremetjewo festgehalten worden, berichtete der Radiosender Echo Moskwy. Die Beschlagnahme des Computers sei ungesetzlich, weil es sich nicht um Zollware handle, sagte Schibanowa.

Nach ihren Angaben will der Zoll das Gerät auf mögliche Piratensoftware untersuchen. Schibanowa weigerte sich zunächst, den Computer herauszugeben und bestellte Techniker der Organisation Golos, um die Festplatte zu kopieren.

Hetzjagd auf Wahlbeobachter?
Die auch von der EU finanzierte Organisation sieht sich vor der Parlamentswahl am Sonntag einer Hetzjagd ausgesetzt. Erst am Freitag hatte die Staatsanwaltschaft eine Strafe gegen Golos ("Stimme") wegen Störung des Wahlkampfes verhängt. Golos habe eine illegale Kampagne gegen die Regierungspartei Geeintes Russland von Ministerpräsident Wladimir Putin initiiert, schrieb der Chef der Wahlkommission, Wladimir Tschurow, nach Angaben der Agentur Interfax in einem am Freitag veröffentlichten Brief an die Generalstaatsanwaltschaft. Golos "versucht, sich Machtbefugnisse zu sichern", hieß es weiter.

Die Wahlbeobachter hatten in den vergangenen Wochen schwere Wahlrechtsverstöße von Putins Geeintes Russland aufgedeckt und im Internet veröffentlicht. So hätten Behörden Steuergelder für Wahlaktionen missbraucht und der Opposition den Zugang zu Staatsmedien verwehrt. Putin bezeichnete die unabhängigen Beobachter daraufhin als "Judas". Einzelne Politiker sowie der Chef der Wahlkommission erstatteten Anzeige gegen Golos.

Aus der EU und den USA kam scharfe Kritik an dem Vorgehen gegen die letzten unabhängigen russischen Wahlbeobachter. Auch die Opposition wirft Russlands Führung vor, ihre Machtposition vor dem Urnengang massiv für Wahlpropaganda auszunutzen.

Duma-Wahl entscheidet Russlands Zukunft
Vor der Parlamentswahl Kremlchef Dmitri Medwedew in einer landesweit im Staatsfernsehen ausgestrahlten Rede um Vertrauen geworben. "Wählen Sie diejenigen, die Erfahrung haben bei der Bewältigung von Krisen, die fähig sind, unsere Heimat zu schützen", sagte der Präsident am Freitag. Die Abstimmung über die 450 Sitze in der Staatsduma entscheide über Russlands Zukunft. Davon hänge die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Energiegroßmacht ab, die weitere Erhöhung der Löhne und Renten sowie die Reform des Bildungs- und Gesundheitswesens, so Medwedew.

Der 46-Jährige ist selbst Spitzenkandidat der Regierungspartei Geeintes Russland. Der Sieg der von Premierminister Wladimir Putin geführten Partei gilt als sicher. Die Wahl gilt als erster Schritt zu dem von Medwedew und Putin geplanten Ämtertausch. Putin, der bereits von 2000 bis 2008 Kremlchef war, will sich im März 2012 wieder zum Präsidenten wählen lassen. Medwedew soll dann Regierungschef werden.

Alle sieben registrierten Parteien treten zur Wahl an
Insgesamt treten alle sieben in Russland registrierten Parteien zur Wahl an. Nach letzten Umfragen können neben der Putin-Partei wieder die Kommunisten unter Gennadi Sjuganow, die Liberaldemokratische Partei des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski sowie die gemäßigte Partei Gerechtes Russland in die Duma einziehen. Kaum eine Chance haben die liberale Oppositionskraft Jabloko, die Mittelstandspartei Gerechte Sache sowie die Patrioten Russlands, eine Abspaltung der Kommunisten. Es gilt eine Hürde von sieben Prozent für den Einzug in die Staatsduma.

Zur Stimmabgabe im größten Land der Erde mit den neun Zeitzonen sind rund 110 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen.

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