Berg eingewickelt

Schweizer Gletscher werden verhüllt

Wissenschaft
11.05.2005 11:16
Verpackungskünstler Christo würde vor Neid erblassen: Mit einer "Frischhaltefolie" aus Österreich wollen die Schweizer ihre Gletscher vor dem Abschmelzen bewahren. Rund 2500 Quadratmeter Spezial-Vlies wurden am Dienstag auf einem Teil des Gurschengletschers im Skiort Andermatt verlegt. Nun bedecken sie in fast 3.000 Metern Höhe eine Ski-Abfahrtsrampe, Felspartien und Firn. Besonders im heißen Sommer 2003 waren erhebliche Teile des Gletschers weggeschmolzen und hatten auch die Sportbedingungen verändert. Greenpeace ist skeptisch.

"Die Klimakatastrophe hat nun auch einen der reichsten Orte der Schweiz erreicht", kommentierte Martin Hiller von der Umweltstiftung WWF. Der WWF sei "im Geiste bei den Andermattern", da diese nun wie die Menschen in Asien oder anderen armen Regionen der Welt am eigenen Leib die Folgen der vom Menschen verursachten Klimaveränderung zu spüren bekämen. Die Schweizer Gletscher erstreckten sich im Jahr 2000 über rund 1050 Quadratkilometer. Zum Vergleich: 1850 hatte die Gletscherfläche noch 1800 Quadratkilometer betragen.

Folie gegen Schmelze
Am Morgen wurde die weiße und 3,8 Millimeter dicke Folie aus Polyester und Polypropylen über die Piste gelegt. Männer in Spezialkleidung zogen die Bahnen über den Schnee, so dass sie kaum noch zu erkennen waren. "Wie bei (dem Verpackungskünstler) Christo", meinten Zuschauer. Die Folie soll die Schmelze aufhalten. Die in der Schweiz hergestellte Spezialabdeckung aus PVC-Schaum kostet rund 64.000 Euro.

Eigentlich österreichische Idee
Der Nutzen der Abdeckung ist nach Ansicht des Gletscherfachmanns Martin Funk unbestritten. "Die Folie reflektiert fast sämtliche einfallende Strahlung. Das reduziert den Schmelzvorgang stark", sagte der Glaziologe. Die Folienidee stammt aus Österreich. Vier österreichische Bergbahnen wollen ihre Gletscherskigebiete großflächig schützen. Sie haben das Innsbrucker Institut für Meteorologie und Geophysik mit der Entwicklung einer neuen Gletscherfolie beauftragt. Bei einem ähnlichen Test im vergangenen Jahr wurden in Österreich etwa anderthalb Meter Schnee bewahrt.

Die Schweizer begründen die Abdeckung damit, dass sich der Gurschengletscher am 2961 Meter hohen Gemsstock in den vergangenen 15 Jahren um 20 Meter abgesenkt habe. Bislang behalf man sich mit einer eigens aufgebauten Rampe. Der Arbeitseinsatz und der Maschinenaufwand, um die Abfahrtspiste für den Saisonauftakt herzurichten, waren aber groß. Eine künstliche Beschneiung ist nicht möglich, weil es an Wasser und Strom fehlt. Die Folie soll im Herbst wieder abgebaut und im darauf folgenden Sommer wieder eingesetzt werden.

Greenpeace skeptisch
Für die Umweltschutzorganisationen ist dies alles keine Lösung. "Das absurde Projekt "Gletscherfrischhaltefolie" führt die Hilflosigkeit im adäquaten Umgang mit dem Klimawandel drastisch vor Augen", kritisierte Alexander Hauri, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz.

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