Bankrott-Planspiele

Griechenland-Pleite ist in Euro-Zone kein Tabu mehr

Ausland
12.09.2011 11:17
Eine Staatspleite Griechenlands ist in der Euro-Zone kein Tabu mehr. Hinter den Kulissen wird immer offener über einen Zahlungsstopp gesprochen. Laut deutschen Medien laufen im Finanzministerium in Berlin bereits konkrete Planspiele, wie ein Bankrott Athens beherrscht werden könnte. Die griechische Regierung hingegen stemmt sich weiter vehement gegen eine Insolvenz und verspricht nach wie vor, die Sparauflagen zu erfüllen. Allerdings bricht ihr die wirtschaftliche Basis weg: Die Rezession ist noch viel tiefer, als bisher erwartet worden war.

Nach einer neuen Prognose der Regierung in Athen wird die Wirtschaft dieses Jahr um über fünf Prozent schrumpfen. Bisher wurden minus 3,8 Prozent erwartet. Die Folgen sind niedrigere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben. Das konterkariert den Sparkurs, den Griechenland im Gegenzug für die Hilfskredite der Euro-Partner und des IWF zugesagt hat. Weil die Regierung die Vorgaben nicht einhalten kann, liegt die Auszahlung der sechsten Tranche über acht Milliarden Euro aus dem insgesamt 110 Milliarden Euro umfassenden ersten Hilfspaket derzeit auf Eis.

Schäuble und Rösler sehen schwarz
"Griechenland weiß, dass die Auszahlung der Kredite davon abhängt, dass es seine Auflagen erfüllt", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dem "Tagesspiegel am Sonntag". Sie mahnte aber auch zur Geduld: "Was über Jahre versäumt wurde, kann nicht über Nacht behoben werden." Der "Spiegel" wiederum berichtete am Sonntag, Finanzminister Wolfgang Schäuble zweifle daran, dass Athen vor einer Pleite bewahrt werden könne.

Am Montag schloss dann auch Deutschlands Wirtschaftsminister Philipp Rösler eine geordnete Insolvenz Griechenlands zur Rettung des angeschlagenen Euro nicht mehr aus. "Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben", schrieb er in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Die Welt". Dazu zähle "notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen". Ziel eines solchen Verfahrens sei es, "die Funktionsfähigkeit des betroffenen Staates wiederherzustellen, gegebenenfalls auch durch die vorübergehende Einschränkung von Souveränitätsrechten".

Euro-Rettungsschim EFSF soll zentrale Rolle spielen
Solche Signale, die auch die Nachrichtenagentur Reuters erhalten hatte, sind nicht neu, bekommen aber mit der von den Euro-Regierungen vereinbarten Stärkung des Euro-Rettungsschims EFSF erstmals eine konkrete Dimension. Ab Oktober soll der EFSF Euro-Ländern vorsorglich Kreditlinien gewähren und die Märkte durch den Kauf von Staatsanleihen beruhigen können. Zudem kann er künftig Regierungen Kredite zur Bankenstabilisierung geben. All dies sind Maßnahmen, die eine Ansteckung vor allem Spaniens und Italiens und damit eine fatale Kettenreaktion in der Euro-Zone durch eine Staatspleite Griechenlands verhindern könnten.

Die "Welt am Sonntag" berichtete, die Bundesregierung verabschiede sich wegen der neuen Möglichkeiten des EFSF und der wachsenden Zweifel an der Reformfähigkeit der Griechen von ihrer bisherigen Maxime, das Land auf keinen Fall pleitegehen zu lassen. Der Chefhaushälter der Unions-Fraktion, Norbert Barthle, sagte zu Reuters: "Man kann eine mögliche Restrukturierung Griechenlands nicht mehr ausschließen."

Auch Athens Ausscheiden aus Euro-Zone möglich
Der "Spiegel" berichtete, die Planspiele für den Tag X seien längst im deutschen Finanzministerium in Berlin und im Brüsseler EU-Apparat angelaufen. Ein Bankrott sei beherrschbar, wenn die Politik die Nerven behalte und der EFSF wie geplant aufgestockt werde. Durchgespielt würden die beiden Varianten, dass Griechenland nach einer Staatspleite in der Euro-Zone bleibe oder eben nicht.

Die Folgen einer Pleite gelten in der deutschen Regierung bisher als nicht überschaubar, weshalb Merkel mehrfach solche Gedankenspiele strikt abgelehnt hatte. Zumindest offiziell hat sich daran nichts geändert. Ein Finanzministeriums-Sprecher wollte sich am Sonntag zu den Medienberichten nicht äußern. Der deutsche Bundestag stimmt am 29. September über die Aufstockung der deutschen Garantien für den EFSF von 123 auf 211 Milliarden Euro ab.

In der Koalition schwindet allerdings die Geduld mit den Griechen. "Euro-Staaten, die sich nicht an die gemeinsamen Regeln der Haushaltsdisziplin halten und dadurch sich und die Währungsunion in Schwierigkeiten bringen, müssen damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen", heißt es in einem Leitantrag für den nächsten CSU-Parteitag, den der CSU-Vorstand am Montag beschließen will. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, wenn die Reformanstrengungen der Griechen nicht erfolgreich seien, müsse man sich der Frage stellen, ob man nicht neue Regeln brauche, die einen Austritt ermöglichten.

Papandreou verspricht "Titanenkampf" gegen Pleite
Indes kündigte Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Samstagabend in Thessaloniki in einer von gewaltsamen Protesten begleiteten Rede einen "Titanenkampf" gegen einen drohenden Bankrott seines Landes an. Er sei entschlossen, alles zu tun, damit Griechenland ein Euro-Land bleibe, sagte Papandreou. Griechenland werde auch die notwendigen Reformen durchsetzen - koste es ihn politisch, was es wolle. "Wir haben uns entschieden, die Schlacht zu schlagen, um ein Desaster für das Land und sein Volk zu verhindern und im Euro zu bleiben", so der Sozialist.

Szenarien zum Austritt des Landes aus der Euro-Zone bezeichnete Papandreou als unseriös. Ein entsprechender Schritt würde zu einem Dominoeffekt führen, der als letzte Konsequenz den Zusammenbruch der Währungsgemeinschaft als Folge hätte, sagte Papandreou am Sonntag nach einer informellen Kabinettssitzung. "Der Euro ist wichtig, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch für Europas politischen Zusammenhalt."

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