"Scheissland"-Affäre

Erpressungsskandal um Berlusconi weitet sich aus

Ausland
03.09.2011 15:12
Die Erpressungsaffäre rund um den italienischen Premier Silvio Berlusconi zieht weitere Kreise. Die Staatsanwälte verhörten am Samstag den inhaftierten Unternehmer Giampaolo Tarantini (Bild rechts) und dessen Ehefrau. Die beiden waren am Donnerstag wegen des Vorwurfs verhaftet worden, Berlusconi für Falschaussagen über Callgirls, die in den Residenzen des Premiers ein- und ausgingen, erpresst zu haben.

Das Paar hatte bei früheren Befragungen ausgesagt, dass Berlusconi nicht gewusst habe, dass die sexuell zügellosen weiblichen Gäste für die Partybesuche Geld erhalten haben - also Callgirls waren. Damit hatten sie Berlusconi in der Hand. Als Zeichen der "Dankbarkeit" verlangten sie von Berlusconi in den vergangenen Monaten offenbar über eine halbe Million Euro - andernfalls hätten sie ihre Aussage revidiert. Berlusconi hatte die Zahlungen eingeräumt, aber davon gesprochen, dass er Tarantini und seiner Familie lediglich geholfen habe, weil diese sich in großen finanziellen Schwierigkeiten befunden hätten.

Im Zusammenhang mit der Affäre war am Freitag auch Berlusconis Sekretärin Marinella Brambilla von den Ermittlern befragt worden. Aus abgehörten Telefongesprächen (siehe Infobox) geht hervor, dass Brambilla in Berlusconis Namen die Kontakte zum Unternehmer Tarantini pflegte.

Krieg unter Staatsanwälten droht
Inzwischen drohen die Ermittlungen in dem heiklen Fall auch einen Konflikt unter den Staatsanwaltschaften auszulösen. Die Beamten der süditalienischen Stadt Lecce leiteten eine Untersuchung über die Kollegen in Bari ein, die in den vergangenen Jahren gegen Tarantini wegen Drogenhandel und Korruption ermittelt hatten. In abgehörten Telefongesprächen hatte Tarantini mit Vereinbarungen zwischen seinen Rechtsanwälten und den Staatsanwälten von Bari geprahlt, die die Veröffentlichung abgehörter Telefongespräche zwischen ihm und dem Premier vermeiden.

Die italienische Opposition tobt derweil. Die Verhaftung Tarantinis wegen Erpressung kennzeichne "den tiefsten Punkt in der Geschichte unserer Republik", so ein Sprecher der Partei "Italien der Werte". Berlusconi sei für Italien eine "nationale Schande". Kritik musste Berlusconi auch von seinen eigenen Regierungskollegen hinnehmen. "Es stört mich, dass ein Premier und ein Unternehmer mit Leuten dieser Art verkehrt", sagte der Minister der Lega Nord, Roberto Calderoli.

Berlusconi will 2013 erneut antreten
Trotz des jüngsten Skandals und obwohl er laut der abgehörten Telefongespräche das "Scheißland" Italien angeblich am liebsten verlassen würde (siehe Infobox), will Berlusconi aber offenbar als Regierungschef weiter machen. Nach Angaben seiner Partei vom Samstag plant er, bei den nächsten Parlamentswahlen 2013 wieder für das Amt des italienischen Ministerpräsidenten zu kandidieren. "Die Regierungskoalition lebt von seiner Führung", sagte Parteichef Angelino Alfano auf einer Parteiveranstaltung in Kampanien. Alfano nannte Belusconi genau den Mann, "der in der Lage gewesen ist, Zusammenhalt, Einheit und Führung zu garantieren". Seine Partei brauche auch keine Vorwahlen, um zu wissen, dass Berlusconi der Lenker sei.

Der 74-jährige Berlusconi hatte noch Anfang Juli in einem Interview erklärt, bei den Wahlen nicht mehr antreten zu wollen. Vielmehr wolle er Alfano, der früher sein Justizminister war, in dieses Amt helfen. Politische Beobachter gingen damals davon aus, dass dies noch nicht das letzte Wort des "Cavaliere" gewesen sein könnte.

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