Wie Photosynthese

Tiefsee-Bakterien binden Kohlenstoff mit Schwefel

Wissenschaft
01.09.2011 11:44
An Land und in Oberflächengewässern verwenden Pflanzen und pflanzliches Plankton Sonnenlicht als Energiequelle, um zu wachsen und Kohlenstoff zu binden. Doch auch in der völligen Dunkelheit der Tiefsee stellen Mikroorganismen organisches Material her. Im Wissenschaftsmagazin "Science" berichtet nun ein internationales Forscherteam über die Entdeckung von Bakterien, die das gleiche Enzym nutzen wie Pflanzen bei der Photosynthese und Schwefelverbindungen als Energiequelle nutzen, um Kohlendioxid zu binden.

Die Tiefsee ist der größte Lebensraum der Erde und dennoch nur sehr wenig erforscht. So finden sich etwa zwei Drittel aller Mikroorganismen des Meeres unterhalb von 200 Meter Tiefe, wo ewige Dunkelheit herrscht. Angesichts dieser enormen Masse stellt sich die Frage nach der Rolle der Tiefsee-Organismen in den Stoffkreisläufen der Weltmeere, speziell der Frage, wie viel Kohlenstoff in der Tiefsee gebunden wird.

Die am besten untersuchten Kohlendioxid-fixierenden Mikroben der Tiefsee sind die sogenannten Nitrifizierer, die Ammonium in Nitrat umwandeln und dadurch Energie gewinnen. Messungen haben aber gezeigt, dass deutlich mehr Kohlendioxid gebunden wird, als durch die Nitrifizierung erklärt werden kann. "Es muss weitere bisher unbekannte Mikroorganismen in der Tiefsee geben, die Kohlendioxid in organische Verbindungen umwandeln", erklärte der an der Studie beteiligte Leiter des Department für Meeresbiologie der Universität Wien, Gerhard Herndl, in einer Aussendung der Uni Wien.

Benutzen dasselbe Enzym wie Pflanzen
Hinweise darauf haben nun die US- und Wiener Forscher in Wassertiefen von 200 bis 3.000 Meter im Atlantik und Pazifik gefunden. Sie entdeckten erstmals Bakterien, die wie Pflanzen das Enzym Ribulose-Biphosphat-Karboxylase (RuBisCO) besitzen. Dieses in allen Pflanzen vorkommende Enzym spielt bei der Photosynthese eine wichtige Rolle, also bei der Umwandlung von Kohlendioxid in organische Verbindungen. Ob das Enzym bei den Bakterien auf die gleiche Art und Weise wirkt wie in den Pflanzen, ist noch nicht klar, "wir wissen nur, dass sie RuBisCO verwenden, um Kohlendioxid zu fixieren und somit in organischen Kohlenstoff umzuwandeln", so Herndl.

Während die Pflanzen für diesen Prozess Sonnenlicht als Energiequelle nutzen, müssen die Bakterien in der lichtlosen Tiefsee ihre Energie aus anderen Quellen beziehen, z.B. aus der Oxidation von Schwefelverbindungen. "Wir konnten entsprechende Gene in den Mikroben finden", so Herndl.

Im Ozean genug Sauerstoff
Dass Mikroorganismen Schwefelverbindungen als "Treibstoff" nutzen, kennt man aus sauerstofflosen Lebensräumen. In den weiten Bereichen des offenen Ozeans gibt es nach Angaben der Wissenschaftler aber genügend Sauerstoff für die Bakterien. Herndl und sein Team konnten zeigen, dass eine Gruppe von Bakterien, die sowohl das Gen für RuBisCO als auch jenes zur Oxidation von Schwefelverbindungen besitzen, vorwiegend auf Partikel in der Tiefsee vorkommt.

Herndl, der im Vorjahr einen hochdotierten Förderpreis des Europäischen Forschungsrats ERC erhielt und heuer mit dem "Austro-Nobelpreis", dem Wittgensteinpreis, ausgezeichnet wurde, vermutet daher, dass diese Millimeter bis Zentimeter großen Partikel, die mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 Meter pro Tag in die Tiefsee rieseln, in ihrem Inneren sauerstofflos sind. Die Bakterien könnten also in sauerstofflosen Mikrozonen im Inneren von Partikeln existieren, auch wenn in der Umgebung durchaus genug Sauerstoff vorkommt.

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