Wiener Missbrauchsfall

Hausdurchsuchung wirft weitere Fragen auf

Wien
03.10.2022 16:20

Im Missbrauchsfall um einen Sportlehrer, der bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule etliche Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben dürfte, könnte möglicherweise Beweismaterial beiseite geschafft worden sein. 

Konkreten Beleg dafür gibt es zwar nicht, aber bei einer Hausdurchsuchung, die im Frühjahr 2019 bei dem Pädagogen durchgeführt wurde, blieben der Keller, der Pkw und die Räumlichkeiten des Lehrers an seiner Schule unberücksichtigt. Seitens der Landespolizeidirektion hieß es, die Hausdurchsuchung sei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt worden.

So wurde es nach APA-Informationen unterlassen, im Spind des Lehrers und in einer neben der Turnhalle gelegenen und von ihm in eine „Chill Out-Zone“ umgewandelten früheren Schulwart-Wohnung nach kinderpornografischem Material zu suchen. In der Wohnung des Mannes wurde jedenfalls in Fülle einschlägiges Material sichergestellt.

Wie sich im Zuge der Erhebungen herausstellte, hatte der Pädagoge, der seit 1996 als pragmatisierter Beamter an einer Mittelschule mit Schwerpunkt Sport beschäftigt war, Nacktbilder bzw. -aufnahmen seiner Schüler angefertigt, die das teilweise gar nicht mitbekommen hatten, weil sie womöglich betäubt wurden.

Enger Freund des Sportlehrers
Wenige Tage nach dem Freitod des Lehrers tauchte ein enger Bekannter des Pädagogen in der Schule auf und soll dessen Spind geleert und den Inhalt mit einem Auto weggebracht haben. Bei dem Mann handelte sich ausgerechnet um einen engen Freund des Sportlehrers, gegen den eine Opfer-Anwältin am vergangenen Montag bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung wegen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses eingebracht hatte. Er und ein weiterer Bekannter des Lehrers werden in der Sachverhaltsdarstellung als mögliche Mittäter bezeichnet. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Fest steht, dass der Bekannte des Pädagogen vom neuen Direktor der betroffenen Schule mit einem Hausverbot belegt wurde, weil dieser in bzw. am Gelände der Schule regelmäßig Kontakt zu jungen Schülern gesucht und in der Schule aus und eingegangen sein soll.

Skikurs in Salzburg
Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Judith Ziska, bestätigte eine weitere Sachverhaltsdarstellung, die im Zusammenhang mit Vorgängen an der Mittelschule am vergangenen Freitag von der Bildungsdirektion Wien übermittelt wurde. Zuvor hatten Medien berichtet, dass der Sportlehrer auf einem Skikurs in Salzburg eine Nacht mit einem Schüler in seinem Zimmer verbracht und Fotos von gemeinsamen Sauna-Besuchen mit seinen Schülern angefertigt hatte, die an der Schule die Runde machten, wovon zumindest Teile des Lehrerkollegiums wussten. Schüler und Eltern hatten sich - auch bei der Schulleitung - beschwert. Die Bildungsdirektion lässt nun von der Staatsanwaltschaft prüfen, ob mögliches strafrechtlich relevantes Fehlverhalten aufseiten der Schulverantwortlichen vorliegt.

„Wir sind keine Ermittlungsbehörde“
Bildungsdirektor Heinrich Himmer bekräftigte am Montag im Gespräch mit der APA, man habe von den Sauna-Fotos und weiteren fragwürdigen Vorgängen erst aus den Medien erfahren: „Wir sind keine Ermittlungsbehörde. Wir haben nicht die Möglichkeit, auf Ermittlungserkenntnisse der Staatsanwaltschaft zuzugreifen.“ Es sei außerdem „extremst schwierig, schnell und zielsicher Zusammenhänge zu Sportvereinen herzustellen“, für die der Sportlehrer außerschulisch tätig war.

Erster Bericht im November
Wie Himmer betonte, sei man darauf angewiesen, dass sich möglichst viele von Übergriffen betroffene ehemalige Schüler melden. Im November soll es einen ersten vorläufigen Bericht geben.

Kritik von Opfer-Vertretern
Seitens Opfer-Vertretern gibt es Kritik an der Untersuchungskommission, weil diese nicht unabhängig sei. Sie setzt sich aus Vertretern der Bildungsdirektion, der Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) und der Kinder- und Jugendhilfe Wien zusammen. „Ich vertraue in die Kommission“, betonte Himmer. Er könne als Bildungsdirektor aus gesetzlichen Gründen „keine unabhängige Kommission gründen“.

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