Verfassungswidrig?

Klage wegen Kindergeld-Rückforderungen

Österreich
01.08.2011 15:12
In der Diskussion um die Abschaffung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld hat der Katholische Familienverband eine härtere Gangart eingeschlagen. Er ortet in den Rückzahlungsforderungen, mit denen sich viele Familien konfrontiert sehen, eine grobe Ungleichbehandlung und bringt deshalb in Vertretung Betroffener Klage ein. Der Fall soll bis zum Verfassungsgerichtshof gehen.

Zahlreiche Eltern hatten sich zuletzt an den Katholischen Familienverband, kurz KFÖ, gewendet, weil sie aufgrund einer Überschreitung der Zuverdienstgrenze das Kinderbetreuungsgeld rückzahlen müssen. Allerdings hatte der damalige Familienminister Herbert Haupt 2003 die ministerielle Weisung erteilt, die Einhaltung der Zuverdienstgrenze von damals 14.600 Euro nicht zu überprüfen.

Die Familien haben auf das Ministerwort vertraut, so die Kritik des KFÖ. Es müsse Rechtssicherheit herrschen, verwies die steirische Landesvorsitzende Sissi Potzinger am Montag auf die Weisung des Ex-Ministers. Viele Familien hätten sich vor Jahren darauf verlassen, dass Haupt eine korrekte Weisung erteilt habe, und um das Kinderbetreuungsgeld angesucht, obwohl sie vielleicht über der Zuverdienstgrenze lagen.

Anwalt bereitet zwei Klagen vor
Potzinger verwies zudem auf die Wahlfreiheit der Eltern und die Generationengerechtigkeit, denn beim Pflegegeld gebe es keine Zuverdienstgrenze. Die Chancen, dass der VfGH eine Verfassungswidrigkeit erkennt, hält sie für "sehr gut": "Der Fall zeigt klar die Ungerechtigkeiten auf." Potzinger drängt generell auf die Abschaffung der Zuverdienstgrenze.

Konkret wird der Grazer Rechtsanwalt Martin Meier nun zwei Klagen einbringen. Beim ersten Fall geht es um eine steirische Familie, wobei sich die Eltern die Betreuung ihres Babys vor einigen Jahren teilten. Mutter und Vater arbeiteten jeweils nur 50 Prozent und bezogen dabei das Kinderbetreuungsgeld. Inzwischen erhielten sie jedoch die Aufforderung, Kindergeld zurückzuzahlen, da die Zuverdienstgrenze überschritten worden sei.

"Die Eltern sind mit einer Rückzahlungsaufforderung in der Höhe von 3.966 Euro für den Zeitraum 2007 konfrontiert", erklärt Meier. Der Irrsinn dabei: Hätte der eine Elternteil zu 100 Prozent gearbeitet, der andere gar nicht, wäre keine Rückzahlungsverpflichtung entstanden, ortet Meier eine Ungerechtigkeit. Im zweiten Fall vertritt der Anwalt eine ebenso von der Rückforderung betroffene Ärztin. Die Klagen sollen dieser Tage beim Landesgericht Graz als Arbeits- und Sozialgericht eingebracht werden.

Ex-Minister könnte Schadenersatzklage drohen
Meier betonte, dass es sich bei dem Rechtsstreit um keine Klage gegen Haupt, sondern die Gebietskrankenkasse als Aussteller des Bescheids handelt. An Haupt ergehe eine sogenannte Streitverkündung. Der Ex-Minister könne sich dann einer Partei - eben den Eltern oder der Krankenkasse - anschließen. Erkennt das Gericht eine Rechtswidrigkeit bei Haupts damaliger Weisung, drohe dem früheren FPÖ/BZÖ-Regierungsmitglied eine Klage auf Schadenersatz. Die in diesem Fall betroffenen Eltern müssen die geforderten knapp 4.000 Euro bis eine Entscheidung vorliegt nicht zurückbezahlen.

Haupts Weisung wurde 2007 vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts als rechtswidrig kritisiert. Daraufhin wurde die Zuverdienstgrenze beginnend mit 2002 - in dem Jahr wurde das Kinderbetreuungsgeld eingeführt - in Stichproben überprüft. Laut Angaben des Familienministeriums wurden bis Ende des Vorjahres für die Jahre 2002 bis 2006 von insgesamt 3.840 Beziehern rund fünf Millionen Euro zurückgezahlt. Pro Person wurden dabei im Schnitt 2.495 Euro zurückgefordert.

Familienminister lehnt Generalamnestie ab
Einer vom KFÖ geforderten Generalamnestie erteilte Familienminister Reinhold Mitterlehner bereits eine Absage. Im Ministerium verweist man etwa auf eine Zahlungserleichterung oder eine Härtefallverordnung. Für Fälle ab 2008 gelte eine Einschleifregelung, wonach nur noch der Betrag zurückgezahlt werden muss, mit dem man die Zuverdienstgrenze überschreitet.

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