Wutrede gegen Justiz

Karl-Heinz Grasser will sich “wie ein Löwe” wehren

Österreich
31.05.2011 20:34
"Ich werde mich wie ein Löwe gegen die Vernichtung wehren": Mit einer Wutrede gegen die Justiz hat Karl-Heinz Grasser am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien auf die Hausdurchsuchungen der vergangenen Woche reagiert. Der Ex-Finanzminister fordert die Einsetzung eines U-Ausschusses zu den Vorwürfen gegen ihn sowie zum Vorgehen der Staatsanwaltschaft.

Die Hausdurchsuchungen bei ihm seien unrechtmäßig gewesen, und er werde "wie ein Löwe" kämpfen, damit jemand dafür Verantwortung übernehmen müsse, so Grasser. Er werde sich mit allen Mitteln gegen jene wehren, die es auf seine "Vernichtung" abgesehen hätten. Er habe bis jetzt "kein objektives und faires Verfahren", beschwerte er sich. In der Justiz gebe es "ein, zwei, drei schwarze Schafe", diesen "Straftätern" in den eigenen Reihen müsse man "das Handwerk legen".

Grassers Rechtsanwalt Manfred Ainedter kündigte Amtshaftungsklagen wegen der Hausdurchsuchungen vom vergangenen Donnerstag an Grassers Wohnsitzen sowie Anträge auf Einstellung der Verfahren gegen Grasser an. Dass die Staatsanwaltschaft Wien die Medien eine halbe Stunde nach deren Beginn von den Hausdurchsuchungen informiert und über Verdachtsmomente berichtet habe, sei "einzigartig" in Österreich, empörte er sich.

Grasser will U-Ausschuss
In Richtung Politik stellte Grasser die Forderung auf, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu seiner Causa einzurichten. Darin sollten sowohl die Vorwürfe gegen ihn als auch das Vorgehen der Behörden untersucht werden. "Ich hab' nix angestellt, ich hab' nix zu verstecken", beteuerte er. Daher sollte auch die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft und der Finanz gegen ihn untersucht werden. Das Vorgehen von Justiz und Finanz gegen ihn sei "keine normale Vorgangsweise. Das ist eine gezielte Vernichtung meiner Existenz, die hier betrieben wird".

Die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss in bezeichnete SP-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter als "plumpen Trick". Er verwies auf Grassers Entschlagung der Aussage vor dem Hypo-U-Ausschuss in Kärnten, als es um den "ominösen 500.000-Euro-Schwiegermutterdeal" gegangen sei. "Die Grasser-Methode, vollmundig einen Untersuchungsausschuss zu verlangen, vor Medien dann den supersauberen Verfolgten zu spielen und letztlich auf Fragen im Ausschuss zu schweigen, ist längst bekannt", so Kräuter, der von einer "peinlichen Groteske" bei der Pressekonferenz am Dienstag sprach. "Völlig von der Realität entfernt verlangen Grasser und sein Anwalt gleich einmal die Einstellung des Buwog-Verfahrens und eine Bestrafung der ermittelnden Justiz. Damit hat sich Grasser einmal mehr selbst der Lächerlichkeit preisgegeben."

Grüne: "U-Ausschuss ist überfällig"
Für die Grüne Gabriela Moser hingegen ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Buwog-Causa seit eineinhalb Jahren überfällig. "Schwarz und Rot dürfen Grasser nicht länger die Mauer machen! In jedem anderen demokratischen Staat der EU wäre er längst eingesetzt worden", sagt die Bautensprecherin der Grünen zu Grassers jüngstem Anlauf gemäß dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung". Die Weigerung der Regierungskoalition, dieses Kontrollrecht dem Parlament bei der größten Privatisierungsaktion der Republik vorzuenthalten, sei ein "Polit-Skandal der Sonderklasse".

Auch BZÖ-Chef Josef Bucher äußert Unverständnis über die Ablehnung eines U-Ausschusses zur Causa Grasser durch SPÖ und ÖVP: "Selbst Karl-Heinz Grasser verlangt einen U-Ausschuss. Hier muss die Wahrheit endlich und schnellstmöglich auf den Tisch. Wenn sich gerade die ÖVP weigert, einem U-Ausschuss zuzustimmen, dann macht sie sich der Mittäterschaft verdächtig", so Bucher in einer Aussendung. Das BZÖ werde jedenfalls erneut einen U-Ausschuss beantragen.

Anwalt zieht Kachelmann-Vergleich
Anwalt Ainedter verglich den Fall seines Mandanten mit dem deutschen Moderator Jörg Kachelmann, der am Dienstag vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde (siehe Infobox). "Der Mann ist ruiniert, und beim Strauss-Kahn wird's nicht anders sein", meinte Ainedter. Vergewaltigung sei eines der wenigen Delikte, das man Grasser noch nicht vorgeworfen habe, aber "da wird vielleicht auch noch etwas kommen", sagte der Anwalt. "Wenn's was gibt, dann soll es angeklagt werden, wenn's nix gibt, ist es einzustellen."

Auf die Frage, wer hinter der von ihm behaupteten "Vernichtung" stehe, verwies Grasser auf drei Politiker: Die Grünen Abgeordneten Gabriela Moser und Peter Pilz sowie SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günter Kräuter hätten "einen biblischen Hass auf mich".

Schularbeiten von Sohn gelöscht
Grasser schilderte bei der Pressekonferenz, wie die Hausdurchsuchung seine Familie beeinträchtigt habe. Seine Kinder hätten darunter gelitten, dass ihre Zimmer durchsucht worden seien, die Mathematik- und Chemie-Arbeiten seines 17-jährigen Sohnes am Computer seien gelöscht worden. Auch das Handy seiner elfjährigen Tochter hätten die Ermittler mitgenommen, sein über 70-jähriger Vater sei von der Durchsuchung in Maria Wörth in Kärnten betroffen gewesen. Er selber sei im Ausland gewesen und habe telefonisch von den Durchsuchungen erfahren.

Grasser verteidigt Finanzbeamtin
Bei seinem Rundumschlag hat Grasser auch jene Finanzbeamtin verteidigt, die sein Stiftungs- und Firmennetzwerk untersucht und für unbedenklich erklärt hatte. "Die Finanzbeamtin bekommt jetzt ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch, der Steuerberater ist Beitragstäter, in welchem Land leben wir?", so Grasser. Der Amtsmissbrauchs-Verdacht gegen die Finanzbeamtin sei "lächerlich". Auch den Verdacht der Justiz auf Steuerhinterziehung durch sein Stiftungs- und Firmennetzwerk wies Grasser zurück. "Ich schließe aus, dass finanzstrafrechtlich auch nur ein Funke dran ist. Hier wird mit Willkür und Schädigungsvorsatz gegen mich vorgegangen."

Seine Liechtenstein-Stiftung Waterland und das Firmennetzwerk habe er auf Vorschlag seines Steuerberaters Peter Haunold von Deloitte errichtet und der Finanz zur Beurteilung offengelegt. Sein Steuerberater habe ihm Stiftungsräte vorgeschlagen, "die ich bis dahin nicht kannte", beteuerte Grasser. "Wenn man so eine Stiftung gründet, darf ich keinen Einfluss auf das Stiftungsvermögen haben", meinte er. Laut Auskunft von Deloitte wäre es allerdings steuerlich egal gewesen, in Österreich oder in Liechtenstein seine Stiftung zu gründen, aber in Österreich wäre er gleich in der Zeitung gestanden, begründete der Ex-Finanzminister seinen Schritt auf den Finanzplatz Liechtenstein.

Grasser "wusste nichts von Prominentenakt"
Drei Beamte vom Finanzamt hätten seine Stiftungskonstruktion viereinhalb Monate geprüft. Schließlich sei festgestellt worden, dass das Firmengeflecht in Ordnung sei. "Wir anerkennen eine intransparente Stiftung", habe ihm das Finanzamt erklärt. Die Liechtenstein-Stiftung werde ihm nicht zugerechnet, sondern sei ein eigenes Rechtssubjekt. Dass die Finanzbeamtin seinen Akt dann als "Prominentenakt" offenbar bei sich verwahrt habe, habe er nicht gewusst und das sei ihm auch "relativ wurscht". Die Handlungen der Finanz seien ihm ja nicht zuzurechnen.

Nach seiner Besprechung mit Haunold bei der Finanzbeamtin habe ihm sein Steuerberater gesagt, "du kennst sie doch, sie hat doch mit dir in Klagenfurt studiert", schilderte Grasser. "Ich konnte mich nicht daran erinnern." Die Finanzbeamtin habe sich in seiner Amtszeit als Minister als Vorständin für ein Finanzamt beworben und sei abgelehnt worden. Der Vorwurf eines Naheverhältnisses zur Finanzbeamtin sei "unwahr" und "lächerlich".

Justizministerin Karl: "Jeder wird gleich behandelt"
Justizministerin Beatrix Karl wollte die Vorwürfe von Grasser nicht auf sich sitzen lassen und wehrte sich am Rande der Regierungsklausur am Semmering: "In unserem Justizsystem wird jeder gleich behandelt." Die Staatsanwaltschaft habe jetzt Ermittlungsschritte gesetzt, der Fall werde weiter behandelt wie jede andere auch. Kanzler Werner Faymann äußerte sich überzeugt, dass es "unabhängig vom Prominentenstatus einzelner" ein faires Verfahren gebe. Erst dann sei die Politik an der Reihe zu beurteilen, ob es weiterer Schritte bedürfe, so der Regierungschef zur Debatte, ob ein U-Ausschuss nötig sei. "Es kann nicht sein, dass sich Privatpersonen einen Untersuchungsausschuss wünschen, und wir hupfen dann", ärgerte sich ÖVP-Klubobmann Karl-Heinz Kopf.

nerstag Hausdurchsuchungen an insgesamt zehn Privat- und Firmenadressen des Ex-Politikers in Wien, Kärnten und Tirol durchgeführt. Der Anlass wurde ganz konkret ausgesprochen: Verdacht auf Steuerhinterziehung - und zwar seit 2003, also während dem Gutteil seiner Zeit als Finanzminister. An den gerichtlich bewilligten Durchsuchungen waren mehr als 60 Beamte der Steuerfahndung und des Bundeskriminalamtes beteiligt.

Grasser, der von 2000 bis Anfang 2007 Finanzminister war, steht laut Angaben der Staatsanwaltschaft vom Donnerstag im Verdacht, seit dem Jahr 2003 unter Beteiligung seines Steuerberaters Abgaben hinterzogen zu haben. Dem Vernehmen nach geht es u.a. um unversteuerte Honorare im unteren einstelligen Millionenbereich. Das Finanzstrafverfahren ist vom Buwog-Verfahren, in dem weiterhin ermittelt wird, unabhängig, hieß es.

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