EuGH-Urteil

Österreich muss Notarsberuf für alle EU-Bürger öffnen

Österreich
24.05.2011 10:33
Wer derzeit in Österreich Notar werden oder als solcher arbeiten möchte, muss Staatsbürger sein. Diese in Österreich und fünf weiteren EU-Staaten geltenden Zugangsbeschränkungen hat am Dienstag der EuGH gekippt. Begründung: Notare üben nicht in einem derartigen Maße öffentliche Gewalt aus, dass die Mitgliedsstaaten bei ihrer Bestellung die sogenannte Niederlassungsfreiheit umgehen dürften. Damit sind die geltenden Bestimmungen "verbotene Diskriminierung".

Das Verfahren hat die EU-Kommission angestrengt. Neben Österreich wurden auch Belgien, Deutschland, Griechenland, Frankreich und Luxemburg verurteilt.

Hintergrund: Die EU-Mitgliedsstaaten dürfen für bestimmte Berufe, wenn öffentliche Gewalt ausgeübt wird, die Niederlassungsfreiheit umgehen - etwa bei der Polizei oder dem Bundesheer. Auch die Notare stufen die geltenden Gesetze als solche Berufe ein. In Österreich gibt es rund 500 Notare, die per Verordnung gleichmäßig auf das Bundesgebiet verteilt sind, aber untereinander konkurrieren.

Offene Stellen werden von der Notariatskammer ausgeschrieben, die Auswahl erfolgt dann durch den Justizminister bzw. die Justizministerin. Geeignete Kandidaten müssen davor mehrere Jahre als Juristen bei einem Notar tätig gewesen sein. Notare dürfen keine Nebenberufe haben - außer Lehrtätigkeiten o.ä.

Notarielle Tätigkeit nicht per se öffentliche Gewalt
Der Europäische Gerichtshof verweist in seinem Urteil aber nun darauf, dass die notariellen Tätigkeiten nach dem EU-Recht eben nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien. Nur Tätigkeiten, die unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien, könnten vom Grundsatz der Niederlassungsfreiheit ausgenommen werden, z.B. wenn ein Notar als Gerichtskommissär tätig wird. Durch seine Verallgemeinerung stelle das von Österreich und den anderen fünf EU-Ländern aufgestellte Erfordernis der Staatsangehörigkeit für den Zugang zum Notarberuf eine nach dem EU-Vertrag verbotene Diskriminierung dar.

Die Hauptaufgabe des Notars als öffentlicher Amtsträger bestehe in der Beurkundung von Rechtsgeschäften, so der EuGH. Die notarielle Urkunde besitze erhöhte Beweiskraft und sei vollstreckbar. Allerdings hebt der EuGH hervor, dass Akte oder Verträge, denen sich die Parteien freiwillig unterworfen haben, Gegenstand einer Beurkundung seien. Die Parteien würden selbst über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten entscheiden und könnten die Bestimmungen, denen sie sich unterwerfen wollten, frei wählen, wenn sie dem Notar einen Akt oder einen Vertrag zur Beurkundung unterbreiten. Das Tätigwerden des Notars setze daher voraus, dass vorher eine Einigung oder Willensübereinstimmung der Parteien zustande gekommen sei.

Notare stehen untereinander im Wettbewerb
Auch dass mit der Tätigkeit der Notare ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel - die Gewährleistung der Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen - verfolgt werden, genügt dem EuGH nicht, um diese Tätigkeit als unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden einzustufen. Der Gerichtshof verweist ferner darauf, dass die Teilnahme an Pfändungen von Immobilien oder das Tätigwerden in Erbschaftsangelegenheiten ebenfalls nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien.

Die Notare würden ihren Beruf in den Grenzen ihrer jeweiligen örtlichen Zuständigkeiten "unter Wettbewerbsbedingungen" ausüben, was für die Ausübung öffentlicher Gewalt untypisch sei. Außerdem seien Notare ihren Klienten gegenüber "unmittelbar und persönlich verantwortlich für alle Schäden, die aus einem Fehlverhalten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit resultieren", während für behördliches Fehlverhalten der Staat hafte, konstatierte der EuGH.

Notare: Ausbildung als Hürde bleibt
Aus Sicht der Notare bedeutet das Urteil aber trotzdem nicht, dass künftig Notare aus dem EU-Ausland in Österreich so ohne weiteres tätig werden können. Denn für die Ausübung des Notarberufes sei weiterhin die österreichische Ausbildung nötig, erklärte der Präsident der Notariatskammer, Ludwig Bittner, am Dienstag. Voraussetzung für die Ausübung des Notaramtes sind laut Bittner ein Jus-Studium mit österreichischem akademischen Grad, die Gerichtspraxis, eine zweiteilige Prüfung und sieben Jahre Praxis.

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