Großruck und Co.

Wenn im Hohen Haus das Niveau sinkt

Österreich
18.05.2011 12:31
Nicht erst der vom ÖVP-Abgeordneten Wolfgang Großruck Dienstagabend im Plenum vorgetragene Reim hat im Hohen Haus Empörung hervorgerufen. Immer wieder sorgen Wortmeldungen von Abgeordneten für fragwürdiges Niveau im Hohen Haus bzw. zeigen dem Wähler, dass Herr und Frau Politiker auch aus ihrer Sprechschule ausbrechen. Zu dichterischen Ausflügen gesellt sich im Plenum dabei oftmals auch angriffslustiges Gequake, das mitunter auch unter die Gürtellinie geht. Nachfolgend ein "Best-" bzw. "Worst-of" der Parlaments-Aufreger.

"Obwohl er schon ein reiferer Mann, zeigt Dominique Strauss, was er noch ka(h)nn!" Dieser Reim Großrucks ließ am Dienstag im Nationalrat die Wogen hochgehen, befindet sich der mit den Zeilen bedachte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn doch wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung in U-Haft.

Wäre er hauptberuflich Lyriker, könnte sich Großruck wohl auf die künstlerische Freiheit berufen. Seit 1995 sitzt der ausgebildete Lehrer und langjährige Bürgermeister von Grieskirchen im Nationalrat. In den letzten zehn Jahren hat er sich dem Reimen verschrieben, den Abschluss seiner Reden bildet stets ein "Vierzeiler", wie:

Wie Troja einst mit List zerstört
durch des Odysseus hölzernes Pferd,
so haben auch die Griechen heut'
mit Tricks Europa schön verbläut.

Oder:

Liebes Christkind! Bitte schön,
lass Rot und Grün ein Licht aufgeh'n,
und lass erkennen diese zwei:
Erst Österreich - dann die Partei!

Für weitere Ergüsse aus der Großruck-Lyrik siehe Infobox.

Bis tief unter die Gürtellinie
Nicht immer sind die Abgeordneten aber so "nett" zueinander und verpacken ihre Schmähungen oder Kritik in Reime. Manchmal kommt einfach nur ein verbaler Kinnhaken: Unvergessen dabei das vom SPÖ-Abgeordneten Christian Faul für den BZÖ-Mandatar Gerald Grosz im Plenum erstellte Horoskop "Sternzeichen Krokodil: Große Pappen, kleines Hirn". Der "Kreativität" waren selten Grenzen gesetzt, die Bandbreite reicht von "Koalitionstrottel" über "Dreckschleuder" und "Meuchelbande" bis zu "Blutsauger".

Geahndet werden verbale Entgleisungen in der Regel mit Ordnungsrufen, sehr selten kommt es zu Rücktritten. Auch die ÖVP sieht beim Fall Großruck keinen Anlass dafür, zumal sich der Mandatar noch während der Sitzung entschuldigte.

Die Entgleisungen sind praktisch gleichmäßig auf alle Fraktionen verteilt. 2004 sorgte der SPÖ-Abgeordnete Josef Broukal für ein abruptes Ende einer Sondersitzung, nachdem er in Richtung der Koalitionsfraktionen meinte: "Es ist Ihnen unbenommen, den Nationalsozialisten nachzutrauern." Auch persönliche Beleidigungen sind im Plenum immer wieder zu hören. So meinte ebenfalls im Jahr 2004 Sportstaatssekretär Karl Schweitzer (damals FPÖ) in Richtung der SPÖ-Abgeordneten Gabriele Binder: "Dass Sie mit Sport nicht viel am Hut haben, sieht man." "Geh, gib a Ruh, du Unsympathler", entkam es 1995 dem SPÖ-Abgeordneten Erhard Koppler, Adressat: Abgeordneter Ewald Stadler (damals FPÖ).

Vergleiche mit wilden Tiere besonders beliebt
Der Vorfall um Faul trug sich bereits zu späterer Stunde zu. Durch Zwischenrufe des steirischen BZÖ-Chefs Grosz entnervt, entglitten dem SPÖ-Mandatar die Nerven. Vom Rednerpult aus rief er dem orangen Politiker zu: "Du bist genau um den Schädel zu klein, wo das Hirn drin sein sollte", "Mit Ihrem Intelligenzgrad haben Sie gar keine Berechtigung, hier aufzutreten" und schließlich "Sie sind Sternzeichen Krokodil: Große Pappen, kleines Hirn". Faul legte - nach einem weiteren Vorfall, bei dem er einen Fotografen attackiert hatte - auf Druck seiner Partei das Mandat zurück.

Das war nicht der erste Ausflug ins Tierreich. 2000 meinte Madeleine Petrovic (Grüne) im Zuge einer heftigen Auseinandersetzung mit der FPÖ: "Ich bin nicht in der Lage, etwas tatsächlich zu berichtigen, weil die schreien wie die wilden Tiere hier." Im gleichen Jahr demonstrierte Peter Pilz seine Vorstellungen vom Verhältnis der Klubobleute Peter Westenthaler (damals FPÖ) und Andreas Khol (ÖVP): "Ich ersuche Sie, uns das einmal hier im Hause vorzuführen, wie das geht. Westenthaler wird von der Leine gelassen: Wuff! Wuff! - Khol kommt und sagt: Sitz!!! - und Westenthaler sitzt."

Hakenkreuz-Fahnen und unangenehme Fragen
Die Grünen haben sich immer wieder auch durch provokative Aktionen ohne Verbaluntermalung hervorgetan: Die wohl bekannteste ist der Auftritt von Andreas Wabl mit einer Hakenkreuz-Fahne im Plenarsaal 1987. Heftige Diskussionen löste 1990 die Grünen-Abgeordnete Christine Heindl aus, als sie ihren wenige Wochen alten Sohn Michael im Plenarsaal des Parlaments stillte.

Die Würde des Hauses kann aber auch durch Schriftstücke in Gefahr geraten. So stand 2009 eine Anfrage des Grünen Pilz zur Debatte, in der er den umstrittenen Schülerfragebogen des Bundesinstituts für Bildungsforschung an Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) richtet. Darin fragt er unter anderem: Wirst du von deinen Mitschülern (bzw. Regierungskollegen) geschlagen? Habt ihr eine Waschmaschine zu Hause? Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) bekam ähnliche Fragen (Tust du dich mit der deutschen Sprache leicht?), nachdem sie die Anfrage an Schmied als für das Haus zu unwürdig ansah und eine rechtliche Prüfung anordnete.

Auch im Ausschuss wird scharf geschossen
Für einen festen Skandal in einem Ausschuss, nämlich jenem für innere Angelegenheiten, sorgte der ÖVP-Abgeordnete Paul Burgstaller. Ihm wurde vorgeworfen, gegenüber der Grün-Mandatarin Terezija Stoisits gemeint zu haben, sie solle das Mikrofon in den Mund nehmen und fest daran lutschen. Burgstaller bestritt das zwar, verließ aber die ÖVP in Folge der Causa.

Im Umweltausschuss geriet SPÖ-Mandatar Peter Keppelmüller unter Beschuss, nachdem er der Monika Langthaler (Grüne) gesagt haben soll, sie habe "bei den Journalisten einen relativ goldenen Hintern".

Nur die Fäuste ruhen noch
Was man dem österreichischen Parlamentarismus jedenfalls zugutehalten muss, ist, dass von Handgreiflichkeiten abgesehen wird. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…

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