Lob und Kritik

Treichls “Feig und blöd”-Tirade spaltet die Nation

Österreich
17.05.2011 11:19
Der Wutausbruch von Österreichs bestbezahltem Banker, Andreas Treichl, spaltet die Nation. Von Kanzler Werner Faymann gab es am Dienstag einen Rüffel für die Banken, ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat den Chef der Erste Bank zu einem "Kalmierungsgespräch" geladen. Im Internet wird Treichl abwechselnd als Held gefeiert oder als "Steinewerfer im Glashaus" abgekanzelt.

"Treichl soll twittern", fordert ein heimischer Internetnutzer auf Twitter weitere Wortspenden des Erste-Bankers. "Liste der unbeliebtesten Manager: Nr. 1 Treichl", heißt es bei einem anderen, dem Treichls Wutausbruch eher nicht zugesagt haben dürfte.

Auch in den Kommentaren der krone.at-Leser unter dem Bericht zu Treichls Wutausbruch waren die Reaktionen eher gespalten. "Die Wahrheit tut weh", meint "realist2000". "ENDLICH!!!!!! Treichl hat den Mut und das ausgesprochen, wofür vor allem das Volk (= Souverän) zu feig und zu blöd ist", meint "anemonenkarli". Als "größter Blender des Jahres" mit "08/15-Sagern" kommt Treichl bei "philippa1" weg.

"Zuerst die Politiker um Geld anflehen müssen und dann in besseren Zeiten zu beschimpfen. Hier bekommt man schon das Gefühl, der Herr ist sich seiner Aussagen nicht wirklich ganz bewusst", analysiert "ankona". "Sepp Pröll wird schon gewusst haben, warum er sich von der Politik verabschiedet. Die Lage ist aussichtlos", so "tschinerl".

Erstaunlicherweise bekritteln die wenigsten die Wortwahl des Bankers, der Österreichs Politiker als "zu blöd und zu feige" in Sachen Wirtschaftspolitik bezeichnete. Viel mehr missfällt es den Negativ-Kommentatoren, dass gerade Treichl, dessen Bank Hilfsmilliarden in Anspruch nahm, es sich herausnimmt, anderen die Qualifikation abzusprechen. Der Vergleich mit dem Steinwerfer im Glaushaus wird in Bezug auf den Banker, der vergangenes Jahr fast drei Millionen Euro Gehalt und Boni bezogen hat, mehrmals bemüht.

Hat Erste-Banker Treichl mit seinen Aussagen recht? Stimm ab bei der krone.at-Umfrage in der Infobox!

Faymann: Banken sollen ihre Suppe selbst auslöffeln
Bundeskanzler Werner Faymann hat Treichl indes mit einem Rüffel für die Geldinstitute geantwortet. Die Banken müssten Risiken, die sie eingehen, selbst bedecken können - "also die Suppe selbst auslöffeln", so Faymann zu Kritik an den strengeren Kapitalregeln Basel III, die Treichl in seinem Wutausbruch zerfetzte.

Es könne nicht sein, dass die Banken Risiken eingehen, und wenn es gut gehe, Gewinne machen und Managergagen erhöhen, und wenn es schiefgehe, solle der Staat zahlen, so der Bundeskanzler. Der Staat und damit der Steuerzahler habe in der Krise den Geldinstituten Partizipationskapital zur Verfügung gestellt - zwar nicht geschenkt, aber mit Risiken, so der Regierungschef weiter.

Jeder Klein- und Mittelbetrieb hafte für seien Handlungen und Risiken. Das müsse auch für die Banken gelten, sagte Faymann. Was das Thema Kreditvergabe für Unternehmen betrifft, über die sich Treichl in seiner Tirade besonders beschwerte, sei er allerdings bereit, sich an einer Diskussion zu beteiligen.

Vizekanzler und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger, der am Montag gemeint hatte, er würde "so was nicht über Banker sagen", hat Treichl am Dienstag zu sich ins Außenministerium eingeladen. Der ÖVP-Chef werde mit dem Banker, der früher Finanzreferent der Volkspartei war, ein "Kalmierungsgespräch" führen, hieß es.

Lauda und Haselsteiner im "Team Treichl"
Aus der Unternehmerbranche gibt es wenig offizielle Kommentare zu Treichl. Es scheint, als würden sich die großen Firmenchefs lieber nicht die Finger verbrennen wollen. Ausnahme: Niki Lauda und Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner. Vom gleichfalls nicht zimperlichen Luftfahrt-Unternehmer Lauda erhielt Treichl Applaus. Lauda meinte, die von der Politik geschaffenen Bedingungen würden bei ihm selbst manchmal zum Verdruss führen. Haselsteiner meinte in einer Stellungnahme: "Andreas Treichl hat den Punkt getroffen. Daran ändern auch der Ton und die Verallgemeinerung nichts. Selbstverständlich gibt es auch fähige Politiker - diese müssten sich aber stärker gegenüber den weniger begabten durchsetzen."

Der Industrielle und Ex-Finanzminister Hannes Androsch befand "diese Verbalinjurien als genauso entbehrlich wie das Banken-Bashing der Politik". Statt wechselseitiger Beschuldigungen zwischen Bankern und Politikern sollten beide Gruppen lieber gemeinsam Lösungen suchen, appelliert er in einer "Gegenrede" zu Treichl. Treichls Bankerkollegen in Wien fürchten indes hinter vorgehaltener Hand, dass Treichls Verhalten der Branche keinen Dienst erwiesen hat - öffentlich äußern wollte sich zunächst aber keiner.

Finanzexperten stimmen Treichls Kritik nicht zu
Sachliche Kritik üben indes Finanzexperten und Wirtschaftsforscher. Die meisten stimmen Treichl in seinem kritischen Urteil über die Kreditvergabepolitik nicht zu. Er bemängelte ja, dass eine Bank einen Kredit an ein Unternehmen, das man schon 100 Jahre kenne, aufgrund der Bankenkapitalvorschriften Basel III mit zehnmal mehr Eigenkapital unterlegen muss als eine griechische Anleihe.

Finanzwirtschafter Stefan Pichler von der WU kann die Kritik des Bankers nicht nachvollziehen. Kredite an Unternehmen seien grundsätzlich riskanter als Staatsanleihen, sagte Pichler am Montag im ORF-Radio. Und deswegen sei es im Grundsatz auch in Ordnung, hier mehr Eigenkapital zu verlangen. Pichler verwies darauf, dass es hier nur um Mindestanforderungen gehe. Wenn also eine Bank tatsächlich beschließe, ein offensichtlich höheres Risiko einzugehen und griechische Staatsanleihen zu kaufen, müsse sie dafür sehr wohl mehr Eigenkapital zurücklegen - das sei in Basel III ebenfalls so vorgesehen. Auf der Papierform sei im neuen Kapitalregime auch keine Benachteiligung von Retail-Banken gegenüber Investmentbanken zu erkennen, so Pichler.

Treichl-Pressekonferenz und "Sekt-Party"
Treichl hat indes für Donnerstag eine Pressekonferenz in der Wiener Bankzentrale am Petersplatz anberaumt. "Thema wird sein Diskussionsbeitrag zur österreichischen Wirtschaftspolitik vom letzten Freitag sein", hieß es in der Einladung des Instituts. Zu einer "Sekt-Party für Banken und Treichl", allerdings schon am Mittwoch, hat derweil die Sozialistische Jugend eingeladen. Das Motto der Flashmob-Veranstaltung lautet "Gagenglück statt Geld zurück".

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