EU-Rettungspakete

Wahrer Finne: “Länder wollen Hilfe gar nicht”

Ausland
12.05.2011 19:51
Mit ihrem Beharren auf einem strikten Nein zum Rettungspaket für das hoch verschuldete Portugal kann die euroskeptische Partei Wahre Finnen außerhalb ihrer Heimat normalerweise nur wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Doch nun stößt in den USA ein Anfang der Woche in der Wirtschaftszeitung "The Wall Street Journal" veröffentlichter Gastkommentar des Parteivorsitzenden Timo Soini auf anhaltend reges Interesse. Auf der Website des US-Blatts ist der Beitrag mittlerweile zum meistgelesenen Artikel der Woche bzw. des Monats Mai avanciert.

Bereits vergangenen Samstag hatte Soini gegenüber der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat erklärt, dass es sich im Zusammenhang mit der Rettungsaktion für Portugal nicht um eine Ja/Nein-Entscheidung handle, sondern auch begründet werden müsse, warum man für oder gegen Hilfszahlungen sei. In dem "Wall Street Journal"-Gastkommentar mit dem Titel "Warum ich Europas Rettungsaktion nicht unterstütze" (Why I Don't Support Europe's Bailouts") machte Soini nun genau das.

Der Gastkommentar wird in Statistiken des "Wall Street Journals" zurzeit als meistgelesener Wochen- bzw. Monatstext gewertet. Er übertrifft damit sogar die Meldung über Microsofts Überraschungskauf des Internettelefonieanbieters Skype, der lediglich meistgelesener Tagesbeitrag wurde.

"Geld floss in die Säckel großer Banken"
Soini kritisiert darin die Praxis, Ländern Geld zuzuschaufeln, die sich selbst in Schwierigkeiten gebracht haben. In einer echten Marktwirtschaft würden schlechte Entscheidungen bestraft werden. Anstatt Verluste und schlechte Investitionen zu akzeptieren – was zum wahrscheinlichen Kollaps einiger Banken geführt hätte – sei entschieden worden, die Verluste über Anleihen, Garantien und undurchsichtige Konstrukte wie etwa den Europäischen Finanzstabilisierungsfonds an die Steuerzahler weiterzureichen, argumentiert der Politiker. "Das Geld wurde nicht verwendet, um den verschuldeten Wirtschaften zu helfen. Es floss über die Europäische Zentralbank und die Empfängerstaaten weiter in die Säckel großer Banken und Investmentfonds", so Soini.

"Die Länder wurden regelrecht erpresst"
Er führt weiter aus, dass die Empfängerstaaten entgegen offizieller Ansicht diese "Hilfe" gar nicht gewollt hätten - zumindest nicht in dieser Form. Die naheliegendere Option für diese Länder wäre laut Soini gewesen, in Insolvenz zu gehen und private Kreditgeber, wo auch immer diese ansässig sind, auf ihren Schulden sitzenbleiben zu lassen. Stattdessen, so Soini, wurde Irland gezwungen Geld anzunehmen, ebenso Portugal. Diese Länder seien regelrecht "erpresst" worden, Geld zusammen mit Rettungsplänen anzunehmen, die letztendlich scheitern würden, so Soini. Den Grund dafür sieht er darin, die "steuerverschwendenden" Banken zufriedenzustellen, die sich ansonsten weigern könnten, bei der nächsten spanischen, belgischen, italienischen oder französischen Anleihenversteigerung dabei zu sein.

Marktprinzip "Freiheit zu versagen" gefordert
Soini ist überzeugt, dass Griechenland, Irland und Portugal ruiniert sind und niemals in der Lage sein werden, genug zu sparen und schnell genug zu wachsen, um die Schulden zurückzuzahlen, mit denen sie Brüssel im Namen ihrer Rettung belastet hat. Doch es sei nicht zu spät, so der Wahre Finne. Insolvente Banken und Finanzinstitute müssten geschlossen und das Marktprinzip der "Freiheit zu versagen" wiederhergestellt werden, so seine Forderung im "Wall Street Journal".

In seinem Gastkommentar betont Soini aber auch, dass es nicht nur um Ökonomie gehe. Die Menschen würden sich betrogen und die Wähler sich von ihrer Regierung mit dem Gefühl der Entrechtung zurückgelassen fühlen. Er begreife die Werte und Prinzipien, die ursprünglich die Motivation für die Gründung der Europäischen Union darstellten, und dieses Europa sei es auch wert zu bestehen. Doch mit großer Sorge sehe er, "dass dieses Projekt von einer politischen Elite in Gefahr gebracht wird, die die Interessen der Normalbürger Europas opfert, um bestimmte Firmeninteressen zu schützen", so Soini abschließend.

Die Wahren Finnen hatten bis zuletzt auf einem Nein Finnlands zu den geplanten Hilfszahlungen der EU an Portugal beharrt. Noch am Mittwoch sagte Soini der Nachrichtenagentur Reuters, dass "keine Zugeständnisse" die Haltung seiner Partei ändern könnten. Das gesamte System funktioniere nicht, allerdings schloss Soini eine Zustimmung zu niedrigeren Zinssätzen für Griechenland und Irland nicht aus. Diese beiden Länder sind wegen ihrer Schuldenprobleme bereits unter internationale Rettungsschirme geflüchtet und haben Hilfskredite erhalten.

Finnland vor Fünf-Parteien-Regierung?
Indes will der mit der Regierungsbildung betraute Chef der finnischen Konservativen, Jyrki Katainen, nun eine breite, aus fünf Parteien bestehende Koalitionsregierung bilden, nachdem Soini am Donnerstag den Gang seiner Partei in die Opposition angekündigt hatte (siehe Infobox). Katainen kündigte am Donnerstagnachmittag konkrete Regierungsverhandlungen mit den Grünen, der Schwedischen Volkspartei sowie mit den Christlichen Demokraten an. Die Sozialdemokraten stehen als Koalitionspartner ohnehin seit Mittwoch praktisch fest.

Katainens anvisierte Koalition verfügt über 112 der 200 Abgeordneten und somit über eine sichere Mehrheit. Die Christlichen Demokraten, eine Art protestantische Fundamentalistenpartei, waren seit 1994 an keiner finnischen Regierung mehr beteiligt. Sie schieden damals aus Protest gegen den Beitritt Finnlands zur EU aus der Mitte-Rechts-Regierung von Esko Aho aus. Als Oppositionsparteien verbleiben im Fall einer derartigen Bunt-Koalition neben den Wahren Finnen die Zentrumspartei der bisherigen Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi sowie die Linkspartei. Soini kührte sich am Donnerstag selbst zum Oppositionsführer.

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