Verbot mit Wirkung

Nahezu kein Bettler mehr in Graz – bis auf Pfarrer Pucher

Steiermark
03.05.2011 17:00
Seit Dienstag gilt in der gesamten Steiermark - im öffentlichen Raum - das neue generelle Bettelverbot. Gemeinden könnten zwar Ausnahmen beschließen, bis dato blieb diese Möglichkeit aber ungenutzt. Eigene Bettelzonen wird es auch in Graz nicht geben, wo das Verbot eindeutig Wirkung zeigte: In der Herrengasse etwa war am Dienstag kein einziger Bettler zu sehen - ein Anblick, den es seit 15 Jahren nicht gegeben hatte. Ausnahme: Armenpfarrer Pucher mit seiner demonstrativen Bettel-Aktion, die ihm - den wohl gewollten - Ärger mit der Exekutive einbrachte.

Von den rund 100 Bettlern, die in Graz unterwegs gewesen waren, ist nur noch eine Handvoll hier. Einige der von Armenpfarrer Wolfgang Pucher betreuten Roma arbeiten für die Diözese, etwa sieben werden in Grazer Betrieben Arbeit finden - etwa bei "Saubermacher". Einige waren am Dienstag zudem bereits damit beschäftigt, Straßenzeitungen zu verteilen.

Der Großteil der Roma aber ist wieder in ihre slowakische Heimat zurückgekehrt. Dort initiiert die Stadt Graz nun ein Lern-Café. Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP): "40 Kinder werden pädagogisch betreut, für alle gibt es ein tägliches Mittagessen. Wir versuchen jetzt, vor Ort zu helfen!" Heimgefahren sind offenkundig auch die Rumänen und Bulgaren. Eine Bettlerin saß am Vormittag in der Sporgasse. Sie wurde von der Polizei freundlich, aber bestimmt auf das Verbot hingewiesen und räumte ganz zivilisiert das Feld. Eine andere Bettlerin zog mit Kind im Kinderwagen von Gastgarten zu Gastgarten (siehe Fotos zum Durchklicken oben).

FPÖ zeigte Armenpfarrer an
Zum Protest traten am Nachmittag Pfarrer Wolfgang Pucher, Ex-Soziallandesrat Kurt Flecker (SPÖ) und Emil Breisach (Ex-Akademie-Graz-Präsident) an - sie "bettelten" vor dem Landhaus. FPÖ-Landesrat Gerhard Kurzmann zeigte die Protestierer kurzerhand an, weil sie gegen das Bettelverbot verstoßen würden. Die Polizei nahm die Daten von Pucher & Co. auf. "Zwangsmaßnahmen gegen den Herrn Pfarrer sind unangebracht. Nach der Anzeige wird ein Verfahren entscheiden", hieß es bei der Polizei.

Nicht nur in der Landeshauptstadt, auch in den steirischen Bezirken scheint das Bettelverbot zu greifen. Durchwegs waren nur noch vereinzelt Bettler zu sehen. Ob sie in die eine oder andere steirische Gemeinde wiederkommen können, steht in den Sternen. Da die Mehrheit der Steirer die neue Regelung aber offenbar begrüßt, wie auch eine aktuelle "Krone"-Straßenumfrage erneut zeigte, bleibt zu bezweifeln, dass einzelne Kommunen eine Ausnahme anstreben werden. Grundsätzlich ist es jedem Gemeinderat nämlich möglich, einen Entschluss zu fassen, der das Betteln erlaubt.

Ob vor Kirchen weiterhin gebettelt werden wird, ist ebenfalls offen. Im Bereich der Gotteshäuser könnten Sperren errichtet werden, wodurch die Zugänge keine "öffentlichen Orte" wären und theoretisch nicht unter das Bettelverbot fielen.

Voves: "Nicht zu handeln, importiert den Strache"
Pfarrer Pucher kündigte am Dienstag zum wiederholten Male an, explizit gegen das steirische Gesetz bzw. die darin enthaltenen "rechtswidrigen Paragrafen" vorzugehen und die Causa bis vor den Verfassungsgerichtshof bringen zu wollen. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) nutzte die Gelegenheit, das Landesgesetz zu verteidigen: "Wir können die Probleme der Roma nicht am Grazer Hauptplatz lösen. Nicht zu handeln, importiert den Strache." Allerdings sei er, Voves, "der Letzte, der traurig ist, wenn der Verfassungsgerichtshof anders entscheidet" - also zuungunsten des generellen Bettelverbots. Er wolle das Problem auf eine höhere Ebene bringen. Bei einem Besuch in der Slowakei Mitte Mai werde er das Thema ansprechen: "Machen wir alles, damit wir ihnen vor Ort helfen."

Die steirischen Grünen kritisierten bereits am Montag, dass es die von der Landespolitik angekündigten Projekte für Bettler bisher nicht gebe. Man werde bei der nächsten Landtagssitzung einen diesbezüglichen Antrag einbringen. Am 11. Mai laden die Grünen am Grazer Hauptplatz zum "Betteln im Zentrum". Die KPÖ erklärte, nicht die Bettler seien das Problem, Armut schaffe man durch Verbote nicht ab.

Ärger über tatenlose Ordnungswache
Zuständig für die Einhaltung des Bettelverbotes ist generell die Polizei - in der Exekutive ist man allerdings über die Tatenlosigkeit der Stadtpolitik bzw. der Ordnungswache alles andere als begeistert. Mit der Gründung der Ordnungswache 2007 wäre - auf besonderen Wunsch des Magistrats - die Zuständigkeit für das "Bettlergesetz" auch auf die Ordnungswache übergegangen. "Heute", ärgerte sich ein hoher Polizeibeamter gegenüber der "Krone", "möchte die Stadtpolitik nichts mehr davon wissen und lässt uns arbeiten." Im Büro von Bürgermeister Siegfried Nagl fühlt man sich für das Bettelverbot nicht zuständig.

In Fürstenfeld, der ersten und einzigen steirischen Stadt, in der bereits ein Bettelverbot gegolten hat (2006), sieht man die Sache übrigens so: "Ich bin dafür, dass man den Menschen hilft, aber Bettelei gehört für mich auf keinen Fall gefördert", sagt ÖVP-Bürgermeister Werner Gutzwar. Hier hatte der Verfassungsgerichtshof das Verbot nach einem halben Jahr wieder aufgehoben.

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