Tag der Arbeit

1. Mai im Schatten von Krise und Ostöffnung

Wien
01.05.2011 13:07
Die Arbeitsmarktöffnung und der Kampf gegen die Wirtschaftskrise haben die Feierlichkeiten der Parteien am 1. Mai klar dominiert. Bundeskanzler Werner Faymann warnte beim SPÖ-Maiaufmarsch am Wiener Rathausplatz vor den "Lobbyisten der Spekulation" in Europa. Die ÖVP wünschte sich bei ihrer Arbeitssitzung einen "gläsernen Lohnzettel". Eine Milliarde Euro für krisensichere Arbeitsplätze und höheres Arbeitslosengeld fordern die Grünen. Und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verkündete im Bierzelt eine Protestaktion beim Besuch des türkischen Präsidenten Gül.

Die Sozialdemokraten schlugen beim traditionellen Maiaufmarsch klassenkämpferische Töne an und mahnten soziale Gerechtigkeit ein. Diese sei die Seele der Sozialdemokratie, das "Herzstück", betonte Parteichef und Bundeskanzler Faymann in seiner Rede am Wiener Rathausplatz. "Aber wir müssen wissen, wir haben eine Menge Gegner", warnte der Kanzler vor den "Lobbyisten der Spekulation" in ganz Europa.

Wer ist "Leistungsträger"?
Diese mächtigen Gegner würden behaupten, dass die Krise vorbei sei und man nun mit den Löhnen runter müsse, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Doch die Arbeitnehmer würden wissen, "dass das, was gemeinsam erarbeitet wird, auch gerecht zu verteilen sein muss". Faymann verwies in seiner Rede auch auf Definitionsunterschiede: "Da wollen uns manche erklären, die Leistungsträger sind die, die ganz besonders reich sind, weil sonst wären sie nicht so reich geworden." Er habe jedoch mehr Respekt vor Menschen, die sich nicht den ganzen Tag überlegen würden, wie sie in Steuerparadiesen ihr Geld anlegen können, "sondern vor den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die mit harter Arbeit den Großteil in diesem Land erwirtschaften".

"Bei den Bilanzpressekonferenzen muss auch etwas rausschauen für die, die diese Leistung erbracht haben. Das sind nämlich die Leistungsträger, die wir meinen, die hart arbeiten und schwer ihr Geld verdienen", betonte Faymann am Maiaufmarsch der SPÖ, zu dem laut Veranstaltern heuer mehr als 100.000 Menschen gekommen sind. Sowohl in den Reden als auch auf den Transparenten der Kundgebungs-Teilnehmer wurde unter anderem die Forderung nach einem "gerechten Steuersystem", inklusive Finanz-Transaktionssteuer, bekräftigt.

"Krise erst vorbei, wenn Arbeitsmarkt in Ordnung ist"
Der Wiener SPÖ-Vorsitzende, Bürgermeister Michael Häupl, kritisierte, dass in den letzten Monaten immer wieder fröhliche Gesichter bei Bilanzpressekonferenzen zu sehen gewesen seien und verkündet wurde, dass die Krise vorüber sei. "Der Tag der Arbeit ist der Tag, wo wir darauf hinweisen, dass die Krise erst dann vorbei, wenn der Arbeitsmarkt in Ordnung ist und Vollbeschäftigung herrscht. An dem arbeiten wir!", unterstrich Häupl.

Es könne nicht sein, dass die Ursachen der Finanzkrise vergessen und man einfach so weitermache, als sei nicht geschehen, so Häupl weiter, denn dazwischen würden viele Steuermilliarden liegen: "Wir müssen die Konsequenzen aufzeigen." Deshalb stehe Wien bei der Einführung der Bankenabgabe an der Seite der Bundesregierung. Es gehe darum, eine Beteiligung von jenen zu verlangen, die die Krise verursacht haben. Natürlich gelte es auch Regulierungen vorzunehmen, eine Finanztransaktionssteuer und eine europäische Bankenaufsicht einzuführen.

Kein "Wettlauf um die geringsten Löhne"
ÖGB-Präsident Erich Foglar erteilte einer europäischen Wirtschaftsregierung eine klare Absage. "Denn dann regiert die Wirtschaft und davon haben wir bereits genug", so Foglar. Auch eine Einmischung in Österreichs Lohn- und Pensionspolitik durch die EU-Kommission lehnte Foglar ab. "Das machen in Österreich die Sozialpartner seit Jahrzehnten erfolgreich", betonte Foglar. Für einen "Wettlauf um die geringsten Löhne, die geringsten Unternehmenssteuern und die niedrigsten Sozialstandards" stehe man in Österreich nicht zur Verfügung.

Foglar plädierte auch für Chancengleichheit von Männern und Frauen am Arbeitsmarkt: "20 Prozent weniger Gehalt für Frauen ist ein Schandfleck. Das ist Auftrag und Verpflichtung für uns alle". Weiters betonte Foglar die Unterstützung der Gewerkschaft für die geplanten Reformen von Bildungsministerin Claudia Schmied und das Bildungsvolksbegehren. "Denn jede Unterschrift ist eine Unterschrift für die Zukunft unserer Kinder und ihrer Chancen am Arbeitsmarkt."

ÖVP: "Hand anlegen, statt die Hand nur aufzuhalten"
Die ÖVP will einen "gläsernen Lohnzettel", der auch die vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge auflistet. Zudem tritt die Parteispitze, die sich am 1. Mai zu ihrer traditionellen "Arbeitssitzung" einfand, für ein vereinfachtes Steuersystem ein. "In der ÖVP sollen künftig all jene eine Heimat finden, die sich etwas erarbeiten, die nach mehr für sich und ihre Familien streben und jene, die Hand anlegen, statt die Hand nur aufzuhalten", sagte Parteichef Michael Spindelegger nach dem Treffen.

Spindelegger ortet nach wie vor eine zu hohe Belastung durch Abgaben, insbesondere für junge Unternehmer und "Leistungsträger", deren "Anwalt" die Volkspartei sein wolle. Eine "extrem vereinfachte Steuersystematik", die von Finanzministerin Maria Fekter ausgearbeitet werde, solle Abhilfe schaffen. Ob dies noch in dieser Legislaturperiode geschehen werde, machte der ÖVP-Chef einmal mehr vom wirtschaftlichen Wachstum abhängig: "Es wird nicht morgen eine Steuerreform geben." Ein Bekenntnis gab es nicht nur zu niedrigeren Steuern, sondern auch zu einem "schlanken Staat".

Ein sogenannter gläserner Lohnzettel soll laut Spindelegger dafür sorgen, Transparenz für die Arbeitnehmer bei den Lohnnebenkosten zu schaffen - "damit auch jeder sieht, was mit seinem Gehalt passiert". Weitere Pläne der ÖVP sind die unbefristete Verlängerung der bis Ende 2011 gültigen Bildungskarenz, die schon im Bildungsprogramm festgelegte Aufwertung der Hauptschulen zu Neuen Mittelschulen sowie die gezielte Rekrutierung von ausländischen Fachkräften mittels Rot-Weiß-Rot-Card. "Die Arbeitsmarktöffnung müssen wir daher als Chance begreifen", so Spindelegger, der versicherte, dass der österreichische Arbeitsmarkt durch die Ostöffnung nicht "überrannt" werde.

Grüne wollen eine Milliarde Euro für Arbeitsplätze
Die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig forderte am 1. Mai eine Investitions-Offensive für neue Jobs sowie eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes gefordert. "Ich wünsche mir mehr Solidarität", sagte sie beim Zukunftskongress ihrer Partei am Sonntag in Linz. In den kommenden Jahren solle zumindest eine Milliarde Euro in die Entwicklung krisensicherer Arbeitsplätze in den Bereichen erneuerbare Energien, Umwelttechnologie, Bildung, Pflege und Soziales gesteckt werden.

Der Bildungsbereich werde ausgehungert, für die Universitäten gebe es keinen zusätzlichen Cent, kritisierte Glawischnig. Auch in der Kinderbetreuung sieht sie brachliegendes Potenzial für neue Jobs. Die Grünen-Chefin verlangt ein wirkungsvolles Ökostromgesetz, Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr sowie eine "echte Ökologisierung des Steuersystems", wobei Arbeit ent- und fossile Energieträger belastet werden sollten.

In Oberösterreich, wo die Grünen in der Landesregierung sitzen, habe sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es einen wachsenden Markt für Green Jobs gebe, lobte Glawischnig. Landessprecher Landesrat Rudi Anschober verwies darauf, dass im Bundesland bereits 36.000 Menschen in Grünen Berufen arbeiten würden. Bis 2015 sollen es laut Regierungsübereinkommen mit der ÖVP 50.000 sein.

Strache: "Wenn ich Bundeskanzler wäre..."
FPÖ-Chef Strache nutzte eine 1. Mai-Kundgebung in einem Bierzelt am Urfahraner Jahrmarkt in Linz dazu, die nunmehrige Arbeitsmarktöffnung zu kritisieren. Der unter anderem als "Kanzlerkandidat" angekündigte Strache rechnete in seiner mehr als zweieinhalb Stunden dauernden Rede vor, es gebe in Osteuropa zwei Millionen Arbeitslose. Selbst die Kollektivvertrags-Mindestlöhne in Österreich seien dreimal so hoch wie in diesen Ländern. Es werde daher wie ein Magnet wirken.

Die ab dem 1. Mai - was zynisch und unverantwortlich sei - geltende Arbeitsmarktöffnung werde eine "Massenzuwanderung" auslösen. Das werde ein Lohndumping und einen Verdrängungsprozess gegen die heimischen Arbeitnehmer bewirken. "Der offene Osten geht auf unsere Kosten", verwendete er einen FPÖ-Slogan. Die Volksvertreter, die dies verursacht hätten, seien "Volksverräter". "Wenn ich Bundeskanzler wäre, hätte ich die Übergangsfrist auf unbestimmte Zeit verlängert", erklärte Strache. Überhaupt verlangte er einen Zuwanderungsstopp.

Strache bestätigte seindri Ecvet Tezcan geplant sei. Während alle anderen "auf dem Bauch herumrutschen werden", werde er den Staatsbesuch-Banketten fernbleiben. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky werde Gül eine "diplomatische Protestnote" überreichen, in der die Abberufung Tezcans aus Wien gefordert wird, weil er mit seinen Aussagen die Österreicher beleidigt habe.

BZÖ fordert sein altes Flat-Tax-Modell
Das BZÖ, das schon am Samstag weitgehend ungehört einen alternativen "Tag der Wirtschaft" ausgerufen hatte, kam am 1. Mai ohne Fest aus. In einer Aussendung forderte das Bündnis eine Steuersenkung und verwies erneut auf sein Flat-Tax-Modell. "Die Arbeitnehmer haben genug gezahlt", erklärte Arbeitnehmersprecher Sigisbert Dolinschek . Die künftige Politik müsse wieder darauf ausgerichtet sein, die Bürger zu entlasten statt zu belasten. Auch kritisierte er die in Kraft getretene Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes.

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