Nach 48 Jahren
Regierung hebt Ausnahmezustand in Syrien auf
Neben der Aufhebung des Ausnahmezustands beschloss die syrische Regierung am Dienstag auch die Auflösung und Abschaffung des gefürchteten Staatssicherheitsgerichtshofs, wie die amtliche Nachrichtenagentur SANA meldete. Außerdem habe die Regierung eine eigene Gesetzesvorlage zum Versammlungs- und Demonstrationsrecht gebilligt, hieß es.
Zuvor hat das Innenministerium nach schweren, blutigen Unruhen in der Stadt Homs ein scharfes Vorgehen gegen weitere oppositionelle Kundgebungen angekündigt. Angesichts der jüngsten Vorkommnisse seien alle Bürger dazu verpflichtet, "wirksam zum Schutz der Sicherheit und Stabilität" des Landes beizutragen, mit den legalen Behörden zusammenzuarbeiten und von jeder Demonstration "unter welchem Motto auch immer" Abstand zu nehmen, hieß es in einer Verlautbarung des Innenministeriums in Damaskus.
Bislang über 250 Tote bei Protesten
Falls es trotzdem zu weiteren Demonstrationen kommen sollte, würden alle Gesetze zum Schutz der Bürger und zur Gewährleistung von Ruhe und Stabilität zur Anwendung kommen, erklärte das Innenministerium. Insbesondere sei man entschlossen, Rebellionsversuche "salafistischer Gruppen" (gemeint sind radikale Sunniten) rücksichtslos zu ersticken. Bei der Unterdrückung der Proteste starben bisher in Syrien nach Schätzungen von Menschenrechtsaktivisten mehr als 250 Menschen.
Sicherheitskräfte haben nach Angaben von Aktivisten am Dienstag in Homs scharf auf Zehntausende Menschen geschossen und mindestens vier Demonstranten getötet. Eine Sitzblockade im Stadtzentrum sei am frühen Morgen "gewaltsam aufgelöst" worden, sagte eine Aktivistin, die anonym bleiben wollte. Es sei scharf geschossen worden.
20.000 Syrer starteten Sitzblockade
Mehr als 20.000 Menschen hatten am Montagabend in Homs, 160 Kilometer nördlich der Hauptstadt Damaskus, eine Sitzblockade begonnen, die sie bis zu einem Rücktritt von Staatschef Bashar al-Assad aufrechterhalten wollten. Laut über das Internetportal YouTube verbreiteten Filmen riefen die Demonstranten "Sitzblockade bis zum Sturz des Regimes!" und "Das syrische Volk ist vereint". Die Proteste hatten vor einem Monat begonnen, die Bewegung radikalisiert sich seitdem zusehends, vor allem seit der Beisetzung von 14 Demonstranten, die von Sonderpolizei und Geheimdienstagenten am Sonntag getötet worden waren.
Die pro-iranische libanesische Schiitenbewegung Hisbollah hat dem syrischen Regime ihre uneingeschränkte "Solidarität und Loyalität" zugesichert. "Wir stehen heute an der Seite Syriens und seines Führers, der sich jedem Druck und jeder Verschwörung widersetzt", betonte am Dienstag in Beirut der Hisbollah-Parlamentsabgeordnete Nawaf al-Moussaoui. Syrien sehe sich gegenwärtig einem "amerikanisch-zionistischen Komplott" ausgesetzt, dessen deklariertes Ziel es sei, seine panarabische Rolle und seinen Widerstand gegen Israel zu schwächen.
Hisbollah warnt vor Destabilisierung Syriens
Eine Destabilisierung Syriens würde zu einer noch viel gefährlicheren Destabilisierung des Libanon führen, warnte der Hisbollah-Politiker. Er griff damit die Aussagen des syrischen Botschafters in Beirut, Abdel Karim Ali, auf, der wörtlich erklärt hatte: "Alles, was Syrien schadet, schadet auch dem Libanon, womöglich in noch größerem Ausmaß". Dies wurde von Sprechern des pro-westlichen Lagers um den zurückgetreten Ministerpräsidenten Saad Hariri als "kaum versteckte Drohung" heftig kritisiert.
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